Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

Herr Kosmehl, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Kollege Thiel, Sie haben von der Degression gesprochen. Ist Ihnen § 20 des EEG bekannt? Darin werden konkrete Schritte für die Solarindustrie bereits aufgezeigt,

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

und zwar 10 % in 2010 und ab dem Jahr 2011 jährlich 9 %. Die Degression ist von der alten Bundesregierung im Gesetz bereits angekündigt gewesen. Sie haben die Frage gestellt, wie man auf das Zieljahr 2013 kommt.

Ich kenne das aktuelle EEG sehr gut. Wenn man solche Reden im Landtag hält, sollte man sich auch ordentlich darauf vorbereiten. Ich stehe dazu, dass die dort vereinbarten Degressionssätze bis zum Jahr 2015 in ihrer bisherigen Form durchaus beibehalten werden könnten.

Bei der derzeitigen Diskussion wird nicht geschaut, wie sich der Photovoltaikmarkt entwickelt, obwohl das damals gefordert wurde. Wenn er wächst, wird der Fördersatz um einen Prozentpunkt gesenkt und wenn er weniger wächst, wird er entsprechend erhöht. Das wird bei der momentanen Diskussion völlig ausgeblendet. Deswegen haben wir dafür plädiert, das im Jahr 2008 verabschiedete Gesetz beizubehalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage. - Wir kommen nunmehr zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD. Frau Schindler wird uns in das The

ma einführen. Bitte schön, Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Da unser Antrag zur Solarförderung etwas kürzer ist, wird auch die Einbringungsrede etwas kürzer sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Initialzündung für die weltweite Einführung der industriellen Massenproduktion von Photovoltaikanlagen erfolgte in Deutschland bereits vor zehn Jahren. Seitdem ist die Bundesrepublik zu einem weltweit ausstrahlenden Vorbild geworden. Deutschland ist das Land mit den meisten installierten Anlagen und internationaler Technologieführung. Die Photovoltaik ist die einzigartige Chance für Bürger, für Gemeinden, Städte und Regionen zur autonomen Stromversorgung - Stromproduktion ohne Brennstoffkosten, lautlos und emissionsfrei.

Auslöser der Solardynamik waren das deutsche 100 000Dächer-Programm im Jahr 1999 und das ErneuerbareEnergien-Gesetz im Jahr 2000. Die gesetzlich garantierte Vergütung für in das Netz eingespeisten Strom hat ermöglicht, dass Bürger und Betreiber diese Technologie anwenden. Sie hat einen rasant wachsenden Markt mit einer hochschnellenden Zahl von Arbeitsplätzen entstehen lassen. Gleichzeitig erhielt die Innovation der Solartechnologie ihren entscheidenden Impuls.

Solartechnik ist inzwischen zum Symbol einer glaubwürdigen und zukunftsfähigen Umwelt-, Wirtschafts- und Energiepolitik geworden. Die bürgernahe Energieform mobilisiert quer durch alle Bevölkerungsschichten die zusätzliche Innovation und Zahlungsbereitschaft beinahe aller Bundesbürger für Solartechnik.

Diese Entwicklung haben vor allem auch die mitteldeutschen Länder genutzt. Im Verbund mit Sachsen und Thüringen bildet Sachsen-Anhalt unter anderem das schon erwähnte Solarvalley. Darin vereint sind 65 % aller deutschen Photovoltaikindustrieunternehmen mit einem Umsatzvolumen von 19 Milliarden € im Jahr.

Vier Firmen aus Mitteldeutschland befinden sich unter den Top 10 weltweit. Dies bedeutet die Schaffung von 10 000 Arbeitsplätzen in der Region, die unter anderem 75 % der in Deutschland produzierten Solarzellen herstellen. Mit der Industrie verbunden sind neun renommierte Forschungseinrichtungen und vier Universitäten. All dies dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.

Die Produktionskosten für die Anlagen konnten zügig gesenkt werden. Parallel dazu sanken aber auch die gesetzlichen Einspeisevergütungen. Es gibt kein erfolgreicheres Beispiel gezielter Innovationsförderung für eine Zukunftstechnologie. Eine halbe Million Menschen betreiben heute in Deutschland Solaranlagen. Sie beleben die kommunale Wertschöpfung, schaffen neue industrielle Arbeitsplätze und fördern das Handwerk.

Die Einspeisevergütung ist zugleich eine unbürokratische Investitionsförderung, die Deutschland für diese wichtige Zukunftstechnologie in die in der Welt führende Rolle für Industriestandorte sowie in eine ökologische und ethische Vorbildrolle gebracht hat.

Die jährliche Absenkung der Vergütungssätze für neue Anlagen, Degression genannt, wie sie gerade auch von Herrn Kosmehl erwähnt worden ist, ist bereits Element des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Sie soll und kann in dem Maße erfolgen, wie Photovoltaikanlagen durch

technologische Verbesserung und Massenproduktion laufend kostengünstiger werden.

Seit dem 1. Januar 2010 sind die Einspeisetarife schon um 10 % niedriger als im Jahr 2009. Nun diskutiert die Bundesregierung über eine nochmalige Reduzierung um 15 % zum 1. April 2010. Vom 1. Januar 2011 an will sie eine weitere Senkung um 10 % oder mehr folgen lassen. Das bedeutet alles in allem eine Absenkung um mindestens 35 %, und das innerhalb von zwölf Monaten.

Mit dieser pauschalen, abrupten und drastischen Absenkung riskiert die Bundesregierung, die vorwärts schreitende Entwicklung zu bremsen. Dies verunsichert Planer und Investoren. Es gefährdet Aufträge des Handwerks und bedroht den Aufschwung der deutschen Photovoltaikindustrie. Damit droht die Gefahr, dass wir unsere internationale Vorreiterrolle verlieren.

Wir sollten es nicht zulassen, dass bei dieser Art der Politik faktisch auch die Zukunft unseres Produktions- und Forschungsstandortes in Gefahr gebracht wird.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Daher unterstützen wir die Landesregierung in ihrem Bemühen und fordern den Bundestag auf, eine entsprechende Veränderung der bisher vereinbarten Regelungen zu verhindern. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Schindler, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich nunmehr Minister Herrn Dr. Haseloff das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das EEG ist einer der erfolgreichsten Technologietreiber in den letzten 20 Jahren in Deutschland gewesen. Dieses Gesetz hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir im Bereich der erneuerbaren Energien über eine Infrastruktur und industrielle Basis verfügen, die nicht vergleichbar mit anderen Volkswirtschaften ist.

Man versucht jetzt, sowohl gesetzgeberisch als auch fachtechnisch, nachzuholen und aufzuholen. Aber nach wie vor, denke ich, sitzt die Kompetenz in Deutschland, unabhängig davon, dass die chinesische kommunistische Partei beschlossen hat, die Nummer eins im Solarbereich zu werden. Das ist nun einmal eine Auseinandersetzung; dieser müssen wir uns beugen. Wir wissen, wie Planwirtschaften und Diktaturen arbeiten und dass das, wenn solche Festlegungen getroffen sind, nicht so einfach zu schlucken ist. Wir sind aber ein freies, offenes System, sind innovativ und werden uns diesen Herausforderungen auch weiterhin erfolgreich stellen.

Herr Thiel, Sie haben eines vergessen, und zwar im Sinne einer Präambel. Sie haben vergessen zu erläutern, warum es Degressionen gibt und warum sich der Gesetzgeber Korrekturen an den Degressionszielen für den Fall vorbehalten hat, dass die Planungsgrößen deutlich überschritten werden.

Was ist in den letzten 18 Monaten passiert? - Durch die Finanzkrise sind Großprojekte im Bereich erneuerbarer Energien, nicht bloß im Bereich Solar, international auf die Bank geschoben worden. Gerade die Hauptabneh

merländer für deutsche Produkte in diesem Bereich der Solarmodule haben Schwierigkeiten gehabt, ihre Projekte umzusetzen, und zwar vor allem Spanien, aber auch Italien.

Spanien hat eine völlig andere Fördersystematik als Deutschland. Wir machen es sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich über die Umlage auf die Einzelverbraucher. In Spanien hingegen erfolgen die Subventionen, Unterstützungsmaßnahmen und Projektfinanzierungen aus dem laufenden Haushalt, der schlicht und einfach instabil geworden ist. Wir wissen, wie stark Spanien und die angelsächsischen Volkswirtschaften in der Finanzkrise einnahmeseitig gebeutelt sind, nämlich noch deutlich stärker als Deutschland.

Das Ergebnis war, dass die Produktionsausstöße aus den deutschen Produktionseinheiten nicht mehr ihren normalen, geplanten Weg fanden, sondern auf den deutschen Markt zurückdrifteten, mit dem wiederum zu verzeichnenden Ergebnis, dass sich der Ausbaugrad gegenüber der Planung, die beim EEG bis 2013 unterstellt wurde, verdoppelt hat. Wir haben doppelt so viele Kapazitäten im Netz wie ursprünglich geplant.

Deshalb sah sich die Bundesregierung, auch auf Druck der Verbraucherverbände, sozusagen als Wahrer der Interessen des einfachen Bürgers und auch des Arbeitslosen - um die Thematik von vor der Mittagspause in den Blick zu nehmen -, bemüßigt zu sagen: Hier muss eine deutlichere Degression erfolgen als ursprünglich geplant, weil ansonsten das, was an „Zubau“ auf den Stromrechnungen zu erwarten ist, die Akzeptanz der Menschen in Deutschland überfordert und vor allen Dingen auch dazu führt, dass der Strompreis immer weiter steigt und wir bei einer ganz wesentlichen Komponente, die für viele Ansiedlungen heutzutage fast noch wichtiger ist als die Arbeitskosten, in Nachteil geraten.

Die Verbraucherverbände hatten übrigens Forderungen nach Kürzungen von 30 bis 35 % aufgemacht.

Sie wissen, dass wir in Sachsen-Anhalt Promoter für die erneuerbaren Energien sind. Wenn Sie in die Unternehmenslandschaft hineinfragen, dann erfahren Sie, dass ich auch als solcher verstanden werde, nämlich als Interessenswahrer dieser Unternehmen.

Sie wissen, warum wir uns für ein Fraunhofer-Institut im Bereich der Silizium-Materialforschung starkgemacht haben und warum das in Halle entstanden ist, warum wir das Spitzencluster nach Sachsen-Anhalt bekommen haben und von hier aus im Prinzip die mitteldeutschen Strukturen steuern und warum man meiner Einladung in die Landesvertretung „Die Möwe“ gefolgt ist, als es darum ging, dass sich alle ostdeutschen Bundesländer und Berlin diesem Meinungsbildungsprozess an diesem bewussten Mittwoch mehr oder weniger anschlossen.

Von der Wirtschaft wird nicht bestritten, dass es so ist, wie es ist, nämlich dass wir einen deutlich höheren Ausbaugrad haben, als er ursprünglich geplant war, und dass es eine zusätzliche Degression im Unterschied zu der ursprünglich gesetzgeberisch vorgegebenen geben muss. Die Frage ist nur gewesen, in welchem zeitlichen Abstand, in welchen Stufen und vor allen Dingen mit welchen zusätzlichen Größen.

Ich habe dazu zwei persönliche Gespräche mit dem Bundesumweltminister Röttgen geführt. Nachdem es am Anfang überhaupt keine Bewegung gab, hat eine konzertierte politische Aktion mit mir an der vordersten Front

- dies kann ich für mich durchaus in Anspruch nehmen, weil ich der Erste war, der mit ihm darüber gesprochen hat - bewirkt, dass zumindest jetzt im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens Bewegung hineingekommen ist.

Dieses Zitat - das ist authentisch, das ist in beiden Tageszeitungen in Sachsen-Anhalt richtig wiedergegeben worden - hat zum Ausdruck gebracht, dass wir damit, mit mehrmonatigen Verzögerungen und Verschiebungen, ein Teilstück bzw. ein positives Zwischenergebnis gegenüber der harten Front am Anfang erreicht haben. Das sehen übrigens auch die Unternehmen so.

Das kostet den Verbraucher in Deutschland übrigens fast 1,5 Milliarden €. Das sind 1 500 Millionen € bzw. 3 000 Millionen DM. Ich könnte das noch in andere Währungen umrechnen, die wir auch noch aus unserer Geschichte kennen. Also das ist sehr, sehr viel Geld.

(Herr Wolpert, FDP: Schilling! - Herr Franke, FDP: Rubel!)

An dieser Stelle ist es dann wichtig, auch zu wissen und hineinzuhören, wie die Prioritätenliste bei den Unternehmen aussah. Da sagen Ihnen die Milners und wie sie alle heißen: Die Prioritätenliste sieht wie folgt aus: Das Allerwichtigste für uns ist - - Diese Forderung steht nach wie vor bei uns ganz oben und wird für uns auch entscheidend sein bei der weiteren parlamentarischen Befassung, sowohl bei der Einflussnahme auf unsere Bundestagsfraktion als auch auf die der FDP. Ich habe mit meinem Kollegen Morlok am Montag dazu in Dresden ausführlich gesprochen und werde das auch im Bundesratsverfahren tun, wenn wir dort zur Stellungnahme aufgefordert werden.

Wir brauchen vom Bundesumweltminister eine klare Marschrichtung für die Jahre bis 2013, also bis die Netzparität erreicht ist. Das heißt, dass diese Dinge, die jetzt spontan unter dem Druck der Ausbaukapazitäten entstanden sind, nicht noch einmal eintreten, sondern dass wir für jedes Jahr eine verlässliche Größe für die Investoren und für die Unternehmen eingebucht sehen und auch verlässlich eingehalten sehen, damit die Anleger bzw. die Planenden bis hin zur Abnahmestruktur der umsetzenden kleinen und mittelständischen Firmen in der Modulinstallation für sich eine Planung vornehmen können.

Das Zweite ist, dass man, wie gesagt, eigentlich eine Verschiebung braucht. Diesbezüglich hätten wir uns noch mehr gewünscht. Das ist klar. Ich habe aber gerade gesagt, was diese Monate kosten, die wir zumindest als Zwischenergebnis erreicht haben.

Das Dritte ist, dass die 15 bzw. 16 % - darüber redet übrigens in der Unternehmensstruktur niemand - gegebenenfalls noch einmal gesplittet werden. Das ist Verhandlungsmasse. Aber zumindest haben wir Bewegung hineinbekommen.

Wir haben auch Bewegung in einige Punkte hineinbekommen, die in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle gespielt haben. Dabei geht es zum einen um die Frage: Wie gehen wir mit den unterschiedlichen Flächen um? - Das betrifft Ackerflächen, gegebenenfalls auch die Konversionsflächen, die noch mit einer besonderen Privilegierung versehen werden, sodass sich der Flächenverbrauch ökologisch in das Gesamtkonzept einspult. Flächen, die wir abtreten können, die nicht der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, sollen

sehr attraktiv angeboten werden, während wir von den agrarisch zu nutzenden Flächen ablassen.

Vor allen Dingen ist der Eigenverbrauch mit der Erhöhung der Vergütung von 3 Cent pro Kilowattstunde auf 10 Cent pro Kilowattstunde positiv angereizt worden. Es ist also eine interne Umsteuerung der gesamten Systematik zugunsten des Eigenverbrauchs herbeigeführt worden. Das ist positiv, weil wir wissen, dass nach dem Jahr 2013 irgendwann Schluss ist. - Das nehmen Sie bitte als Zwischenergebnis hin.

Der Bundesrat wird sich in den nächsten Wochen damit befassen. Wir sind noch nicht am Ende unserer Wunschliste, aber wir können auf jeden Fall - das Ende der Redezeit ist gekommen - konstatieren, dass unser gemeinsames Aufbäumen, unsere konzertierte Aktion etwas bewirkt hat und dass wir durchaus auf diesem Pfad weiterhin nach vorn marschieren.