Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

(Zustimmung bei der SPD)

Zur Realität gehört auch, dass die Macher dieser Studie festgestellt haben, dass das Lohnniveau in SachsenAnhalt bei lediglich 77 % des Niveaus in Westdeutschland liegt. Wenn man die unterschiedliche Länge der Arbeitszeit in Sachsen-Anhalt und Westdeutschland noch einbezieht, erhöht sich die Lohndifferenz um weitere fünf Prozentpunkte. Dann liegt das Lohnniveau bei 72 %. Die Sachsen-Anhalter stehen also nicht nur früher auf, sie verdienen auch noch viel weniger. Ist das ein guter Standortfaktor?

Für gut ausgebildete Fachkräfte ist Sachsen-Anhalt dann aber alles andere als ein Musterländle; denn wir können mit Niedriglöhnen und Perspektivlosigkeit niemanden halten.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei der Attraktivität für Fachkräfte belegen wir nur noch den 14. Platz, und alle wissen, dass dahinter nicht mehr viel Luft ist.

Ein wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel resultiert doch daraus, dass die Beschäftigten einer Branche den Rücken kehren, weil sie die Arbeitsbedingungen und die Vergütung als unattraktiv empfinden. Die Ursachen für die bereits existierenden Probleme bei der Stellenbesetzung und den Fachkräftemangel sind nicht ausschließlich und einseitig in fehlenden oder unpassenden Qualifikationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu suchen. Sie liegen auch - vielleicht muss man sogar sagen: insbesondere - bei unangemessen niedrigen Löhnen und mangelnder Attraktivität der Arbeitsverhältnisse.

Für uns steht an oberster Stelle die Etablierung fairer Löhne und Gehälter mit dem mittelfristigen Ziel der Angleichung an das westdeutsche Niveau.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Nur wer für seine Arbeit anständig entlohnt wird, der bleibt auch hier.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Das bedeutet in der Konsequenz nichts anderes als die Einführung eines Mindestlohns. Darin sind wir uns mit den Gewerkschaften einig: Dieser sollte bei mindestens 8,50 € liegen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das heißt aber auch, dass wir die Tariftreue wieder stärken müssen. Selbst die Gewerkschaften geben zu, dass sie für eine schwindende Anzahl von Arbeitnehmern zu kämpfen haben.

Als sich kürzlich ein Verwandter mit mir über den maroden Zustand der heutigen Politik unterhalten wollte und meinte, früher sei doch alles besser gewesen - bei den Politikern -, da habe ich ihn einmal nach seiner Einstellung zu Arbeitskämpfen gefragt - er arbeitet bei einer berühmten großen deutschen Firma. Dann hatten wir unser Gespräch sehr schnell beendet und waren wieder auf einem Niveau.

Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Sachsen-Anhalt erhalten keinen Tariflohn, weil sich ihre Arbeitgeber durch den Austritt aus dem zuständigen Arbeitgeberverband der Tarifbindung entzogen haben. Wir müssen die Sozialpartnerschaft und die Tarifautonomie von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften wieder stärken.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich wäre sehr froh, wenn kein Politiker, kein Bundestag, kein Landtag, keine Regierung über Mindestlöhne zur Abstimmung kommen müsste, sondern wenn das die Tarifpartner selbst auf den Weg brächten. Wir sollten deshalb zum Beitritt sowohl zu Arbeitgeberverbänden als auch zu Gewerkschaften aufrufen.

(Zustimmung bei der SPD)

Eine am Montag veröffentlichte Studie der Otto-BrennerStiftung unterstützt genau diesen Ansatz: Der Kampf um Fachkräfte, um diese im Land und bei den Unternehmen zu halten, soll vor allem über die Gehälter ausgetragen werden. Die Unternehmen sollen die Fachkräfte vor allem mit hohen Gehältern locken müssen.

Der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit Kay Senius benannte in einem Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ in dieser Woche die Gründe für die Abwanderung Jugendlicher. Ich verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis - auch

wenn Sie nicht selbst gelesen haben, was er gesagt hat, haben Sie es sicherlich schon gewusst -, wenn ich sage: Es ist unter anderem die geringe Vergütung bei den Ausbildungsplätzen. Diese liegt bei gerade einmal 80 % des Westniveaus, im Baugewerbe sogar noch darunter.

Ich stimme darin mit Herrn Senius völlig überein. Die Unternehmen und die Arbeitgeberverbände müssen über eine Angleichung nachdenken, wenn die Abwanderung potenzieller Fachkräfte gestoppt und verhindert werden soll.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Rogée, DIE LINKE)

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen aber nicht nur ein festes und verlässliches Einkommen, sie wollen - ich sage: möglichst - auch unbefristet beschäftigt werden.

(Frau Hampel, SPD: Yes!)

Bundesweit handelt es sich lediglich bei jeder dritten offenen Stelle um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Aber nur ein gesichertes Arbeitsverhältnis bietet ein geeignetes Fundament, um gute Arbeitsbedingungen einfordern zu können. Deshalb fordern wir die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.

Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ist stark gestiegen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der unbefristeten ab. Das ist eine falsche Entwicklung, die den Kündigungsschutz aushöhlt und Unsicherheiten bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schafft. Die Normalarbeitsverhältnisse müssen die Regel sein.

Das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer gelten.

(Zustimmung bei der SPD)

Das heißt auch, dass eine Leiharbeitsstelle nach einer gewissen Zeit in ein reguläres Arbeitsverhältnis umgewandelt werden muss.

Vor allem Frauen sind von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Fast zwei Drittel aller Minijobs sind mit Frauen besetzt. Mehr als 82 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Sobald sich vielen von ihnen eine Alternative außerhalb von Sachsen-Anhalt bietet, sind sie weg.

Jeder, der sich schon einmal mit Demografie beschäftigt hat, weiß, was es bedeutet, wenn insbesondere Frauen wegziehen.

Wir müssen den Fachkräftepool in Sachsen-Anhalt besser ausschöpfen, unter anderem indem wir die Potenziale der vorhandenen Erwerbsbevölkerung erkennen und besser nutzen. Das heißt, wir müssen die Älteren länger und besser qualifizieren, Frauen systematischer als bisher fördern und ihnen echte Chancengleichheit bieten.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Vor allem müssen wir Anreize dafür schaffen, dass die wenigen Fachkräfte, die wir haben, auch hier im Land bleiben.

Bei der Kinderbetreuung - das wissen wir - sind wir in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt. Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine ganze Reihe von Aufgaben, die zu erfüllen sind, wenn es darum geht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf günstig darzustellen.

Es geht um familiengerechte Arbeitsbedingungen, um familienfreundliche Arbeitszeiten und um die Möglichkeit

eines lebensbegleitenden Lernens. Dazu gehört auch die Notwendigkeit einer Berufsunterbrechung aufgrund der familiären Situation, sei es zur Kindererziehung oder zur Pflege alter und kranker Familienangehöriger. Wir haben derzeit ein Arbeitsleben, das auf diese Situationen noch nicht richtig eingestellt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen unsere Jugendlichen in den Schulen, Berufsschulen und Hochschulen noch besser auf ihre künftige berufliche Tätigkeit vorbereiten.

Die Wirtschaft muss Ihnen dann attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten, damit sie in Sachsen-Anhalt bleiben oder aus manch einem anderen Musterländle zu uns kommen.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. Damit meine ich die Gewerkschaften ebenso wie die Arbeitgeberverbände, die Kammern, die Schulen und die Berufsschulen. Kultus und Wirtschaft müssen bei uns nicht nur auf der Regierungsbank, sondern überhaupt noch viel enger zusammenrücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Generationen nach uns werden uns einmal an unseren Taten, nicht aber an den Worten in dieser Aktuellen Debatte messen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Miesterfeldt. Es gilbt eine Nachfrage von Herrn Dr. Schrader. Möchten Sie die Frage beantworten?

Ja. Er hat schon immer so kritisch geguckt.

Ja, das haben Sie richtig beobachtet. - Bitte, Herr Dr. Schrader.

Sie haben das sehr gut beobachtet, Herr Miesterfeldt. - Eine kurze Nachfrage. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie mit einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 € dem Fachkräftemangel begegnen möchten und dass Sie hoffen, mit einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 € Fachkräfte ins Land zu holen. Ist das richtig? Haben Sie das so gesagt?

Ich habe die Einführung von Mindestlöhnen als einen wichtigen Aspekt bei der Gewinnung von Arbeitskräften bezeichnet und das nicht ausschließlich auf Fachkräfte bezogen. Mir ist bekannt und bewusst, dass es Fachkräfte gibt, die erheblich mehr verdienen.

Für 8,50 € kriegen Sie keine Fachkraft. Das müssten Sie wissen.

Das weiß ich.

(Frau Rogée, DIE LINKE: Hoffentlich!)