Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Fischer, es gibt Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten?

Ja.

Zunächst Frau Dr. Hüskens und dann Herr Dr. Schrader.

Ich habe nur eine Kleinigkeit. Frau Fischer, Sie haben vorhin offensichtlich nicht zugehört, als der Ministerpräsident und Herr Scharf zum Thema Rentenversicherung gesprochen haben. Sie haben das jetzt als enorme soziale Härte gegeißelt. Ihnen ist schon klar, dass der SPDBundesminister im Jahr 2006 den Rentenzuschuss mit genau der gleichen Begründung, wie sie Herr Scharf und Herr Böhmer jetzt vorgetragen haben, von 80 Milliarden € auf 40 Milliarden € halbiert hat?

Die Begründung war absolut identisch. Es kann sein - das Sein bestimmt das Bewusstsein -, dass die Kollegen das damals anders gesehen haben. Aber exakt die gleiche Begründung, die hier vorgetragen worden ist, findet sich im Jahr 2006 in den Parlamentsprotokollen bei Ihrem Bundesminister für diese Senkung. Es hat also

niemand anders erfunden als Sie. Das haben Sie doch mitbekommen? Oder ist es Ihnen beim Aufschreiben einfach durchgegangen?

Das macht die ganze Sache nicht besser, Frau Dr. Hüskens.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss es nicht gut finden, nur weil es im Jahr 2006 schon einmal so beschlossen wurde.

(Herr Gürth, CDU: Haben Sie ihn wenigstens aus der SPD geworfen?)

Herr Dr. Schrader.

Sehr geehrte Frau Kollegin Fischer, es ist schon faszinierend gewesen, Ihrer Argumentationslinie zu folgen. Können Sie mir bestätigen, dass Sie, die SPD, es waren, die den Spitzensteuersatz vor Jahren gesenkt hat?

(Herr Gürth, CDU: Was? Ist nicht möglich! Die SPD war das? Das hätte ich nicht gedacht!)

Von der Kohl-Regierung übernahm man einen viel höheren Spitzensteuersatz. Können Sie bestätigen, dass Sie das gewesen sind? Können Sie sagen, warum Sie das getan haben? Und warum verlangen Sie jetzt von den bürgerlichen Parteien das, was Sie nicht getan haben, nämlich den Steuersatz wieder zu erhöhen?

Selbstverständlich weiß ich das, Herr Dr. Schrader.

(Herr Gürth, CDU: Das wissen Sie?)

Der Spitzensteuersatz wurde von 53 % auf 42 % gesenkt in der Hoffnung - das war damals so; man sieht heute, dass das nicht eingetreten ist -, dass man dadurch die Binnennachfrage stärkt und dass das Geld nicht, wie es wahrscheinlich doch geschehen ist, in Wertpapiere oder andere Dinge gesteckt wird, sondern dass es ausgegeben wird.

Diese Hoffnung ist leider nicht erfüllt worden. Das war ein Wunsch. Das heißt aber nicht, dass man jetzt einen Teil derjenigen, die Großverdiener - es müssen keine 11 Prozentpunkte sein, es reichen 2 Prozentpunkte oder 3 Prozentpunkte, die Berechnungen sind vielfältig -, im Falle dieser Krise und dieses Spardrucks, den auch ich selbstverständlich sehe, seitens der Bundesregierung nicht heranzieht. Das ist kein Grund dafür. - Vielen Dank.

Eine letzte Nachfrage?

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP - Weitere Zu- rufe)

Dann sind wir am Ende der Aktuellen Debatte. Wir stimmen jetzt über den Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 5/2656 und über den Änderungsantrag in der Drs. 5/2680 ab. Ein Überweisungsersuchen wurde hierzu nicht vorgetragen.

(Frau Fischer, SPD: Direkt abstimmen!)

Daher stimmen wir über den Antrag als solchen ab.

Wer stimmt dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 5/2680 zu? - Das ist die Antragstellerin. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die FDP-Fraktion. Der Änderungsantrag wurde damit abgelehnt.

Somit stimmen wir jetzt über den Antrag in der Drs. 5/2656 in unveränderter Fassung ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 4 ist beendet.

Vor der Mittagspause wird noch der Tagesordnungspunkt 5 erledigt, da der Minister später dringend weg muss.

(Minister Herr Dr. Haseloff: Noch nicht gleich!)

- Aber dann.

(Minister Herr Dr. Haseloff: Aber dann! Vielen Dank!)

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich beim Tagungspräsidium, das einen harten Vormittag hinter sich hat. Herzlichen Dank!

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

a) Aktuelle Debatte

Sicherung des Fachkräftebedarfs - Sicherung des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 5/2658

b) Erste Beratung

Dem Fachkräftemangel durch konzertiertes Handeln begegnen

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2645

Wir verfahren wie unter Tagesordnungspunkt 4. Die Fraktion DIE LINKE wird ihren Antrag in ihrem Redebeitrag mit einbringen. Es ist vereinbart worden, hierzu eine Zehnminutendebatte zu führen.

Ich darf nun der Antragstellerin zur Aktuellen Debatte, der SPD, das Wort erteilen. Herr Miesterfeldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Analyse des Ministeriums für Wirtschaft vom September 2009 wird ein Rückgang des Fachkräfteangebots bis zum Jahr 2016 um 13 % prognostiziert. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass es Unternehmen immer schwerer fallen wird, geeignete Fachkräfte zu finden. Die Ursachen sind uns bekannt; man kann sie mit zwei Punkten beschreiben: erstens die seit 1990 dramatisch niedrigen Geburtenzahlen und zweitens eine überdurchschnittlich hohe Abwanderungsquote.

Das Durchschnittsalter liegt in 67 % der Unternehmen in Deutschland zwischen 38 und 44 Jahren. Die Auswirkungen des demografischen Wandels spüren wir in Sachsen-Anhalt schon heute, an der einen Stelle mehr, an der anderen bislang noch etwas weniger. Das wird vor allem bei den Fachkräften zur Folge haben, dass ein Kampf um qualifizierte Arbeitskräfte entbrennen wird.

In den nächsten Tagen wird Minister Herr Haseloff ein Papier vorlegen, das die Problematik des Fachkräftemangels aufgreifen und Lösungsansätze anbieten wird. Wir, die SPD-Fraktion und die SPD überhaupt, sind - ich denke, die Gewerkschaften sehen das ähnlich - der Regierung dankbar, dass sie sich dieses sehr wichtigen Themas annimmt. Es gibt Handlungsbedarf.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Nicht nur der Politik und nicht nur uns in diesem Hohen Hause brennt das Thema auf den Nägeln. Auch die Wirtschaft wird sich zukünftig noch viel stärker als heute mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.

Am 7. Juni 2010 veröffentlichte das Wirtschaftsministerium eine Pressemitteilung mit dem Titel „Sachsen-Anhalt wird vom Geheimtipp zum wirtschaftlichen Musterländle im Osten“. Als geborener Sachse kann ich vor dem Benutzen fremder Dialekte nur warnen. Was ist bei uns an dieser Stelle mustergültig?

Herr Minister, Sie berufen sich auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, wonach das Land Sachsen-Anhalt bei der Qualität des Fachkräfteangebots den ersten Platz unter allen Bundesländern belegt. Das sagt diese Studie aus.

Was lehrt uns nun ein Blick in die Realität? - Bei der Einschätzung der Fachkräfteversorgung im Rahmen dieser Studie handelt es sich um reine Meinungsforschung. Es wurden Arbeitgeber um ihre subjektive Meinung gebeten. Im Bereich regionales Lohnniveau liegen wir danach auf Platz 1.

Dann ist es auch einleuchtend, wenn Vertreter der Landesregierung und die Internetseite der IMG die niedrigsten Lohnkosten als Werbemittel für Investoren preisen. Das kann man so machen. Aber vertreiben wir damit nicht auch die verzweifelt gesuchten und zukünftig noch heißer begehrten Fachkräfte?

(Zustimmung bei der SPD)