Vielleicht können Sie - Sie haben sich so dolle über die Kritik aufgeregt, die Frau Dr. Hüskens sowohl am Sozialausschuss, aber noch viel mehr am Rechtsausschuss geäußert hat - einfach noch mal sagen, welche Gedanken Sie überhaupt in den beiden Ausschusssitzungen zum Gesetzentwurf beigetragen haben.
Frau von Angern, normalerweise, denke ich, ist es so, dass man auf solche Fragen eigentlich nicht antworten müsste.
Meine Meinungen sind durchaus mit eingeflossen, und zwar über den Weg der Diskussion vorher in den Arbeitsgruppen. - Ich bedanke mich.
(Zuruf von Frau Tiedge, DIE LINKE - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ach so! - Zuruf von Frau von Angern, DIE LINKE)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mit dem beginnen, mit dem Frau Dr. Hüskens endete, nämlich mit einem Blick auf die Beratungen sowohl im Sozialausschuss als auch im Ausschuss für Recht und Verfassung.
Herr Rotter, es ist natürlich schön - davon gehe ich auch aus, und das ist auch der kleine Vorsprung, den Sie als Koalitionsfraktionen haben -, dass Sie schon eingebunden sind, noch bevor ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht wird. Nichtsdestotrotz haben wir in diesem Haus Ausschüsse. Diese Ausschüsse haben wir nicht nur, damit die Opposition redet, was diese sicherlich gerne tut, sondern damit ein Diskussionsprozess zwischen der Koalition und den Oppositionsfraktionen stattfindet. Ihre Antwort hat jedoch das gezeigt, was ich durch meine Frage problematisiert wissen wollte.
Zunächst zu den Beratungen im Rechtsausschuss, auf die Frau Dr. Hüskens ihr Hauptaugenmerk gelegt hat. Ich habe das im Rechtsausschuss so noch nie erlebt. Wir haben es mit einem Gesetzentwurf zu tun, der massiv in die Grundrechte der Patienten eingreift. Das möchte ich als solches zunächst einmal noch gar nicht bewerten. Die Vertreter der Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss standen dem Gesetzentwurf vor allem mit Desinteresse und Gleichgültigkeit gegenüber. Das fand ich sehr schade.
Auch wenn man, wie es Frau Dr. Hüskens so schön sagte, mit diesem Thema keinen Blumentopf bei den Wählerinnen und Wählern gewinnen kann, sollten wir den Anspruch erheben, uns als Ausschuss für Recht und Verfassung seriös und verantwortungsvoll mit derartigen Vorhaben zu befassen.
Ich möchte ganz ausdrücklich sagen, dass ich hoffe, dass dieses Armutszeugnis nicht wiederholt wird und dies keine parlamentarische Übung in diesem Hause wird.
Vielleicht noch einmal ganz kurz zu den Dingen, die der Ausschussvorsitzende in der Berichterstattung vorgebracht hat. Dies betrifft die Änderungsanträge, die vonseiten der LINKEN und auch von der FDP eingebracht worden sind.
Eine Änderung betraf die Trennung der Krankenakte und der Vollzugsakte. Dies war eine Anregung des Datenschutzbeauftragten, der noch einmal ganz deutlich sagte: Gerade wenn wir eine Übertragung von hoheitlichen Aufgaben an Private vollziehen, wie im Maßregelvollzug beabsichtigt, dann ist es wichtig, dass nicht jeder einzelne Sachverhalt eines Patienten allen Bediensteten zugänglich gemacht wird.
Dieser Änderungsantrag wurde vor allem mit der Begründung abgelehnt, dass dies noch nie so gewesen sei und man dies auch nicht machen müsse, weil dies nicht praktikabel sei. Das halte ich für einen schwerwiegenden Vorgang im Umgang mit den Rechten von Patienten. Die Rechte von Patienten haben an dieser Stelle aber gar keine Rolle gespielt.
Ein weiterer Änderungsantrag bezog sich auf die gesonderte Abteilung für Jugendliche und Heranwachsende. Hierbei haben wir uns mit der Argumentation konfrontiert gesehen, dass eine zu geringe Patientenzahl - sprich zu wenige Jugendliche und Heranwachsende - im Maßregelvollzug zu finden sei. Deswegen sei eine solche gesonderte Abteilung nicht erforderlich.
Ich bin froh, dass zumindest das Justizministerium eine andere Herangehensweise wählt und dass wir einen gesonderten Strafvollzug für Jugendliche und Heranwachsende in Raßnitz haben. Hierzu können Sie einmal Ihre Justizministerin befragen. Es ist sinnvoll, dass wir dort andere Behandlungsmöglichkeiten und andere Herangehensweisen haben. Ich finde es schade, dass wir die Möglichkeit zumindest einer gesonderten Abteilung im Maßregelvollzug an dieser Stelle nicht wahrgenommen haben.
Der dritte Änderungsvorschlag bezog sich auf die nunmehr bestehende Sollregelung für den offenen Vollzug. Wenn also die Voraussetzungen vorliegen, dass ein Patient in den offenen Vollzug geschickt werden kann, was natürlich auch der Resozialisierung sehr dienlich ist, dann soll für die Maßregeleinrichtung die Möglichkeit bestehen, dies abzulehnen. Das halte ich für schwierig. Wir haben schon den Ermessensspielraum der Prüfung der Voraussetzungen. Deshalb müssen wir keine weitere Hintertür offen halten. Daher halte ich das für eine Fehlentscheidung.
Abschließend noch etwas zu einer sehr langwierigen Diskussion vor allem im Sozialausschuss - der sich zumindest Frau Dr. Späthe aber sehr tapfer gestellt hat - hinsichtlich unseres Änderungsantrags bezüglich der Erlangung von schulischen und beruflichen Abschlüssen. Wir haben hier eine Schlechterstellung von Patienten im Maßregelvollzug gegenüber den Insassen des Jugendstrafvollzugs bzw. des Strafvollzuges. Die Gründe dafür sind bis heute nicht erklärt worden. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Weg gegangen wird. Das ist ein weiterer Punkt entgegen dem Resozialisierungsgedanken, dem auch der Maßregelvollzug unterliegt.
Ich habe die Gründe genannt, weshalb wir uns im Sozialausschuss sowie im Ausschuss für Recht und Verfassung der Stimme enthalten haben. Es gibt zwar positive Ansätze. Das möchte ich auch ganz deutlich sagen; wir haben bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass wir die Einführung des Probewohnens und die Festschreibung der Forensa für einen richtigen Weg halten. Auch aufgrund der Anregungen des Datenschutzbeauftragten ist ein richtiger Weg gegangen worden, sodass wir uns auch bei der zweiten Lesung der Stimme enthalten werden. - Danke schön.
Frau von Angern, es gibt noch eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Kosmehl. - Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Frau Kollegin von Angern, ich will Sie nicht dazu verleiten, als Juristin den Kollegen von der Koalitionsfraktion eine Definition der vorwerfbaren Verletzung von Pflichten darzulegen. Ich habe aber noch eine Frage.
Unter § 21 Abs. 2 des Gesetzentwurfs - Disziplinarmaßnahmen - sind zulässige Disziplinarmaßnahmen aufgeführt. Können Sie erklären, ob aus dem Gesetzentwurf klar hervorgeht, dass unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen zum Beispiel nach der Schwere der Verfehlungen unterteilt werden? Oder ist es auch möglich, für die kleinste Verfehlung zum Beispiel getrennte Unterbringung anzuordnen?
Herr Kosmehl, ich denke, die Frage beinhaltet bereits die Kritik. Diese Kritik haben wir sowohl im Ausschuss für Recht und Verfassung als auch im Sozialausschuss geäußert. Es spricht noch ein Redner nach mir. Vielleicht nutzt dieser Redner nach mir die Chance, diese Frage endlich zu beantworten; denn ich halte sie für absolut berechtigt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist richtig, der Beratungsweg dieses Maßregelvollzugsgesetzentwurfs war lang und umfangreich. Dabei waren verschiedene Ausschüsse eingebunden. Die lange Zeit der Beratung nutzten einige Abgeordnete auch für einen Besuch im Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie in Uchtspringe und ganz intensive Gespräche mit den Mitarbeitern vor Ort.
Es ist auch richtig, dass vielfältiger Änderungsbedarf am derzeit gültigen Gesetz besteht. Außerdem wurde seitens der Fachreferate und des Ausschusses der Anspruch erhoben, möglichst viel aufzunehmen und rechtssicher zu regeln. Dadurch erklärt sich vielleicht auch die große Anzahl von Änderungsanträgen, die von allen Fraktionen gestellt worden sind und in beiden Ausschüssen behandelt wurden.
Gewisse Irritationen in der Abstimmung zwischen den Ausschüssen für Recht und Verfassung sowie für Soziales räume ich durchaus ein. Das ist aber nun einmal so.
Mit der abschließenden Beratung haben wir gewartet bis zur Vorlage des Berichts des Landesrechnungshofs und eines Gutachtens der Kienbaum Management Consultants GmbH zum Personalbedarf.
Unser Anliegen war es, möglichst viele Informationen und Aspekte aufzunehmen und in den Gesetzentwurf einzuarbeiten. Der Beratungsaufwand und die damit vergehende Zeit waren durch die Besonderheit des Gesetzes durchaus gerechtfertigt. Erreicht wurde vieles, was ich aus Zeitgründen nicht noch einmal aufzählen möchte. Auch ein ausgewogenes Verhältnis von Therapie und Vollzug wird mit diesem Gesetzentwurf gesichert.
Gerade um die Frage der Priorität vom Schutz der Allgemeinheit oder therapeutischem Angebot gab es umfängliche Diskussionen. Wie Ihnen bekannt ist, betont der vorliegende Entwurf den therapeutischen Ansatz, und das ist in Ordnung so.
„Dieses Gesetz regelt den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt sowie die Aufsicht über den Vollzug.“
Das heißt, wir sprechen über einen strafrichterlich angeordneten Aufenthalt im Maßregelvollzug, aber nicht in einer Kureinrichtung der Entwöhnungstherapie.
In § 2 heißt es, dass der Vollzug so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden soll. Das bezieht sich auf die familiäre, soziale und berufliche Eingliederung. Auch das wurde bereits mehrfach erwähnt. Hierzu hatten wir im Ausschuss eine äußerst heftige und scharf geführte Debatte.
Ein Kernpunkt war, ob es zumutbar sei, Kinder, Jugendliche und Heranwachsende gemeinsam mit erwachsenen Patienten in einer Einrichtung zu betreuen,
sowie der uneingeschränkte und einklagbare Anspruch auf schulische Bildung und Abschluss einer Berufsausbildung. Herr Dr. Eckert hat in seiner Funktion als Berichterstatter dies explizit erwähnt, und in den Debattenbeiträgen ist es auch noch einmal gesagt worden.
Da mir der Disput und die Vorwürfe, es ginge uns wie immer nur um das Geld, keine Ruhe gelassen haben, habe ich um Informationen über den tatsächlichen Aufenthalt von Jugendlichen und Heranwachsenden in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Sachsen-Anhalt gebeten. Das Ergebnis liegt mir nun vor.
Am 31. August 2010 befanden sich im Landeskrankenhaus Uchtspringe überhaupt keine Personen unter 18 Jahren. Vier Personen waren zwischen 18 und 20 Jahren alt. 45 Personen waren bis zu 27 Jahre alt. Sie werden, wenn das Krankheitsbild es erlaubt, in einer gesonderten Station therapiert.
Im Landeskrankenhaus Bernburg sind derzeit nur zwei Jugendliche untergebracht, die jünger als 17 Jahre sind. Zehn Jugendliche sind jünger als 20 Jahre. Junge Erwachsene im Alter zwischen 21 und 27 Jahren gibt es in Bernburg in der Tat 60.