Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Im Landeskrankenhaus Bernburg sind derzeit nur zwei Jugendliche untergebracht, die jünger als 17 Jahre sind. Zehn Jugendliche sind jünger als 20 Jahre. Junge Erwachsene im Alter zwischen 21 und 27 Jahren gibt es in Bernburg in der Tat 60.

Da in Bernburg bekanntermaßen Patienten mit Suchtproblemen untergebracht werden, ist deren in der Regel relativ kurzer Aufenthalt von weniger als zwei Jahren ganz stark von der Suchttherapie dominiert. Darüber hinaus ist dieses Krankheitsbild gepaart mit fehlender oder verloren gegangener sozialer Kompetenz wie zum Beispiel der Fähigkeit zur Organisation eines geregelten Tagesablaufs. Beide Einrichtungen praktizieren bei geeigneten und bildungswilligen Patienten durchaus jetzt schon Bildungsmaßnahmen. Sie fangen dort mit Alphabetisierungskursen an.

Auf der Basis dieser Information können wir davon ausgehen, dass das Gesetz auch in diesem Punkt in Ordnung ist.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir wissen, dass die Praktiker sehr auf die Verabschiedung warten, um die erwähnten neuen Regelungen und Paragrafen umzusetzen und darauf aufzubauen. Deshalb bitte ich Sie herzlich, der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zuzustimmen. - Vielen Dank. Ich werde keine Fragen beantworten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Dr. Späthe hat mir signalisiert, dass sie keine Frage beantwortet.

(Frau Bull, DIE LINKE: Eine Intervention!)

- Eine Intervention. Dann würde zunächst Herr Wolpert das Wort ergreifen können. Danach werde ich Frau Bull, Herrn Kosmehl und Frau Dr. Hüskens das Wort erteilen. Alle wollen intervenieren? - Gut. Bitte sehr.

Ich möchte doch zum Ausdruck bringen, dass mir aus der Rede der Kollegin nicht klar geworden ist, warum aufgrund der Tatsache, dass die Verbringung in den Maßregelvollzug aufgrund einer strafrichterlichen Anordnung geschieht, eine Schlechterstellung gegenüber einer Einweisung in den Justizvollzug stattfindet, die auch aufgrund einer strafrichterlichen Anordnung passiert. Diese Begründung ist meines Erachtens in keiner Weise nachvollziehbar, nicht überzeugend und rechtfertigt die Schlechterstellung im Maßregelvollzug nicht.

Ich stelle fest, dass es noch immer keinerlei Begründung durch die Koalitionsfraktionen gibt, warum hier eine Schlechterstellung vorgenommen worden ist, und es gibt sie auch nicht von der Regierung. Ich habe den Verdacht, dass weder Regierung noch Koalitionsfraktionen sie kennen.

Frau Bull.

Ich hätte gern eine Klarstellung vorgenommen. Es ging im Ausschuss nicht um die Frage, ob es für Kinder und Jugendliche zumutbar ist, mit Erwachsenen gemeinsam therapiert zu werden. Es ging vielmehr um die Frage, ob wir ein Recht auf die Möglichkeit verankern, dort eigene Angebote für Kinder und Jugendliche vorzuhalten - es ging um ein Recht auf die Möglichkeit. Das schließt durchaus auch ein, dass es Therapieabschnitte geben kann, in denen es eine gemeinsame Therapie gibt.

Ich möchte zusätzlich darauf hinweisen, dass es gute, nämlich fachliche Gründe für den Unterschied zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenpsychiatrie gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kosmehl.

Frau Kollegin Späthe, leider haben auch Sie die letzte Möglichkeit der Koalitionsfraktionen versäumt, dem Rechtsanwender durch eine Äußerung hier im Parlament eine Auslegungshilfe dafür an die Hand zu geben, wie diese unbestimmten Rechtsbegriffe und diese unbestimmte Reihung zu verstehen sind. Damit überlassen Sie es den Juristen, das zu interpretieren, anstatt ihnen Ihre persönliche Meinung als Gesetzgeber für diese Auslegung an die Hand zu geben.

Eine zweite Bemerkung, Frau Kollegin Späthe. Vielleicht sollten Sie noch einmal in den Text schauen, über den wir heute abstimmen. Der § 1, den Sie zitiert haben, stammt aus dem Gesetzentwurf und entspricht nicht mehr dem Text der Beschlussempfehlung, über den wir jetzt abstimmen. Vielleicht sollten Sie sich über den neuen Text auch noch einmal informieren.

(Beifall bei der FDP)

Frau Dr. Hüskens.

Ich finde es sympathisch, Frau Späthe, dass Sie der Regierung immer so großes Vertrauen entgegenbringen. Aber das, was Sie heute dargestellt haben, erinnert mich stark an die Diskussionen, die wir beiden schon einmal zum Thema Schwangerschaftskonfliktberatung hatten, zu dem Gesetz, das wir damals erlassen haben. Damals ist genau wie jetzt in den Beratungen immer gesagt worden: Wir machen das schon immer so. Sie haben auch damals gesagt: Ich habe mich vor Ort informiert; es ist gar nicht vorgesehen, das zu ändern.

Dazu sage ich: Wenn ich nicht vorhabe, die Praxis zu verändern gegenüber dem, was ich jetzt habe, dann brauche ich das Gesetz nicht zu ändern. Wenn ich das Gesetz anpasse, dann möchte ich auch die Realität anpassen.

Dann werden wir beide - wohl eher Sie; ich ehrlich gesagt nicht - wahrscheinlich mit großer Verwunderung feststellen, dass sich die Realität an das Gesetz angepasst hat; denn das ist genau der Sinn der Übung. Dann werden Sie, wenn Sie vor Ort sind, wahrscheinlich feststellen, dass die ganzen Sachen nicht mehr so sind, wie Sie sie jetzt vorgefunden haben.

Mit diesen Interventionen ist die Aussprache beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/2785 ein. Ich frage, ob jemand an irgendeiner Stelle eine gesonderte Abstimmung verlangt? - Das sehe ich nicht. Dann gehe ich davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir über die einzelnen Bestimmungen, die Abschnittsüberschriften und die Gesamtüberschrift im Zusammenhang abstimmen.

Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die FDP-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist das Gesetz beschlossen worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/2786

Der Einbringer ist der Abgeordnete Herr Kurze. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 2006 wurde in Sachsen-Anhalt das damals geltende Rettungsdienstgesetz mit dem Ziel, eine höhere Effizienz und Kostenersparnis zu erreichen, novelliert. Neben qualitativen Verbesserungen wie der Stärkung der gebietsübergreifenden Zusammenarbeit und der Einführung des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst sollte den Landkreisen und kreisfreien Städten mehr Gestaltungsraum bei der Planung der Einsätze ermöglicht werden.

Mit der neu ermöglichten direkten Verhandlungslösung zwischen den Kostenträgern und den Leistungserbringern sollte ein Beitrag zur Deregulierung erbracht werden. Die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung wurde der Kassenärztlichen Vereinigung übertragen, weil diese, anders als die Landkreise und die kreisfreien Städte, fachlich einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Notärzte im Land hat. Diese Übertragung sollte aber nicht die Krankenhäuser mit notfallmedizinischer Versorgung von ihrer Pflicht, der Kassenärztlichen Vereinigung dafür Notärzte zur Verfügung zu stellen, entbinden.

Das Gesetz trat zum 1. Januar 2007 in Kraft. Seither ist viel geschehen. Landesbezogen ist die Kreisgebietsreform umgesetzt worden, was zu einer Reduzierung der Leitstellen führte. Es besteht nunmehr in jedem der elf Landkreise und in jeder der drei kreisfreien Städte eine integrierte Leitstelle.

Die Situation der ärztlichen Versorgung in ganz Sachsen-Anhalt hat sich verändert, auch bei den Notärzten. Aufgrund des Mangels an Notärzten müssen diese über so genannte Notarztbörsen gewonnen werden, wo wir in direkter Konkurrenz zu unseren Nachbarländern stehen.

Das Vergabeverfahren im Rettungsdienst stellt die Kommunen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen der Zivil- und Verwaltungsgerichte sowie vor dem Hintergrund von Verfahren auf europäischer Ebene vor die schier unlösbare Aufgabe, den Rettungsdienst rechtsfehlerfrei zu vergeben. Nachfragen nach den Wirkungen des aktuellen Gesetzes bei allen Beteiligten offenbarten Probleme bei der Anwendung dieses Gesetzes. Dies galt es nun zu lösen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Kenntnis dieser Situation hat der Landtag von Sachsen-Anhalt in der 74. Sitzung am 19. März 2010 die Landesregierung in Drs. 5/74/2498 B gebeten, in den Ausschüssen für Soziales sowie für Inneres bis zum dritten Quartal über die Wirkungen des Rettungsdienstgesetzes zu berichten.

Es sollte erstens darüber berichtet werden, wie die angedachte Reduzierung der Einsatzleitstellen nach der Gebietsreform erfolgt ist, zweitens inwieweit der Digitalfunk eingeführt wurde, drittens wie die Schiedsstelle besetzt ist, viertens wie sich die Ausschreibungsbedingun

gen darstellen und wie die Vergabe der Rettungsdienstleistungen erfolgt, fünftens wie sich die Situation der beteiligten Notärztinnen und Notärzte darstellt und sechstens ob durch die Vergaberegelung des Rettungsdienstes negative Entwicklungen in der Betätigung Ehrenamtlicher im Katastrophenschutz zu erwarten sind.

Angesichts des Problemdrucks haben dann aber die Regierungsfraktionen bereits vor der Vorlage dieses Berichts durch die Landesregierung im Sozialausschuss des Landtages eine Anhörung zu den Wirkungen des Rettungsdienstgesetzes beantragt und am Ende auch durchgeführt. Im Ergebnis dieser Anhörung haben die Regierungsfraktionen festgestellt, dass die Lage noch dramatischer sei als bisher angenommen. Das zwang die Regierungsfraktionen, noch in dieser Legislaturperiode gesetzgeberisch tätig zu werden, um einen Zusammenbruch unseres Gesamtsystems im Rettungsdienst zu vermeiden.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben nunmehr einen Gesetzentwurf mit zwei Regelungskomplexen vorgelegt. Erstens wollen wir die Frist der Genehmigungsdauer für die Leistungserbringer bis zum 31. Dezember 2013 verlängern. Damit wollen wir erreichen, dass bis zu der umfassenden Novellierung des Rettungsdienstgesetzes, die in der kommenden Wahlperiode erfolgen muss, keine Rettungsdienstbereiche neu ausgeschrieben werden müssen. Die Änderung soll für alle Hilfsorganisationen im Land und die privaten Anbieter in Sachsen-Anhalt gelten, deren Befristung der Genehmigung zwischen dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes und dem 31. Dezember 2013 liegt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Genehmigung nach dem alten oder nach dem neuen Recht erteilt worden ist.

Zweitens wollen wir in § 12 des Rettungsdienstgesetzes klarstellen, dass der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes und die Leistungserbringer gemeinsam mit der Gesamtheit der zuständigen Träger der Sozialversicherung, also mit den Krankenkassen und Kostenträgern, basierend auf einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung, kostendeckende Benutzungsentgelte vereinbaren. Dies war bisher nicht unstrittig. Die Änderung dient einfach der Klarstellung hinsichtlich der Höhe der während eines Schiedsstellenverfahrens zu zahlenden Benutzungsentgelte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun noch einige Anmerkungen, um diese beiden Punkte zu erläutern.

Mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 1. Dezember 2008, des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2010 und des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 2010 zur Frage der Ausschreibungspflicht im Rettungswesen ergibt sich die Notwendigkeit, das Rettungsdienstgesetz hinsichtlich der Durchführung des Vergabeverfahrens grundlegend zu überarbeiten. Eine solche Überarbeitung ist in dieser Legislaturperiode unter Berücksichtigung der Auswertung der vorstehenden Entscheidungen jedoch nicht mehr möglich. Auch die Vorschriften über die Auftragsvergabe und die Genehmigung dürften im Hinblick auf die vorliegenden Entscheidungen zu überarbeiten sein.

Rettungsdienst und Katastrophenschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wichtige Teile der Daseinsvorsorge und des Bevölkerungsschutzes in unserem Land und sollen deshalb durch den Gesetzgeber für das ganze Land ausgestaltet werden. Die angesichts

dieser Rechtslage bestehende Rechtsunsicherheit sowie die damit einhergehenden Probleme bei den aktuell anstehenden Vergaben sind offenkundig, sodass es zum jetzigen Zeitpunkt einer Übergangsregelung bis zur Klärung dieser Rechtsfragen bedarf.

Bis zum 31. Dezember 2013 ist der Gesetzgeber aufgefordert, das Rettungsdienstgesetz, wenn es denn beschlossen wird, zu novellieren. Dieser Zeitraum ergibt sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit zur Dauer eines Gesetzgebungsverfahrens bis zur Verabschiedung eines neuen Rettungsdienstgesetzes und trägt dem Umstand der Neuwahl des Landtages Anfang nächsten Jahres und der Regierungsbildung Rechnung.

Durch die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 2 wird sichergestellt, dass durch die Verlängerung der Genehmigungsfrist die Vertragsparteien nicht gegen ihren erklärten Willen aneinander gebunden werden. Somit bleibt auch die Möglichkeit erhalten, im Bedarfsfall bei Vorliegen entsprechender Gründe den Vertrag mit Ablauf der Genehmigungsfrist zu beenden.

Mit dieser Vorgehensweise, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollen die geltenden Ausschreibungsregelungen nicht umgangen werden. Wir wollen auch keine Verzerrung des Wettbewerbs. Wir wollen einfach nur ein wenig Zeit, um eine vernünftige Novellierung im Landtag vollziehen zu können.

Eine Übergangsregelung zur Schaffung landesweit abgestimmter Regelungen dürfte daher aus übergeordnetem Interesse zulässig sein, wenn die dafür vorgesehene Frist, wie im Gesetz geschehen, so kurz bemessen ist, dass eine transparente und EU-weite Vergabe nach den Regeln des GWB absehbar ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen um die große Bedeutung der Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter, Malteser, Rotes Kreuz und DLRG in unserem Land und wir wissen, wie wichtig diese Organisationen auch für unser Gemeinwesen sind. Deshalb dürfen wir die Daseinsvorsorge, zu der der Rettungsdienst aus unserer Sicht gehört, nicht ohne Not dem grenzenlosen freien Wettbewerb mit all den Risiken, die damit verbunden sind, aussetzen.

Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Hilfsorganisationen in Sachsen-Anhalt. Dies soll nicht durch Regelungen gefährdet werden, die nur danach schielen, wer der günstigste, um nicht zu sagen der absolut billigste Anbieter ist. Genau diese Gefahr besteht derzeit, wenn wir nicht die geplante Änderung des Rettungsdienstgesetzes in Angriff nehmen.