Protokoll der Sitzung vom 19.10.2006

Es werden die Gerichtsstrukturen diskutiert und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Strukturen danach bestimmt werden, welches Ministerium zuerst fertig ist. Richtet sich die Staatsanwaltschaft nach der Polizei oder andersherum, ist der Innenminister schneller als die Justizministerin?

Über allem schwebt die Aussage des Verkehrsministers, dass der Landesentwicklungsplan neu geschrieben werden müsse und insbesondere Grund- und Mittelzentren neu bestimmt werden müssten. Das hält aber den Finanzminister nicht davon ab zu verkünden, dass die Zahl der Finanzämter reduziert werden muss, übrigens auch ohne den Nachweis eines Erfordernisses.

Es stellt sich die Frage: Hat die Landesregierung eine gezielte politische Absicht, die hinter dieser Kakofonie steckt, und ist sie nicht in der Lage, dies kundzutun, oder hat die Regierung nicht die Kraft, eine Vision für die Gestaltung des Landes zu entwerfen? Wenn man sich hinstellt und erklärt, das neue Motto „Die Zentren stärken“ sei das Allheilmittel, dann kann man nicht gleichzeitig der zukünftigen Stadt Bitterfeld-Wolfen als viertgrößter Stadt das Finanzamt schließen.

(Beifall bei der FDP)

Will die Regierung die Entwicklung steuern oder lässt sie alles laufen? Am Ende kommt der Minister für Landesentwicklung mit dem großen Besen, kehrt die Scherben zusammen und macht eine Bestandsaufnahme. Darüber schreibt er „Landesentwicklung“. „Plan“ muss er weglassen, denn geplant war das Ganze nicht. Von Entwicklung des ländlichen Raums keine Spur.

Im Moment sieht alles danach aus, dass dieses Chaos vorherrschen soll. Aber, meine Damen und Herren, um das Chaos zu beobachten, bedarf es keines neuen Ausschusses. Ich denke, wir sollten der Regierung Zeit geben, sich zu besinnen, ob sie regieren will oder nicht und uns dies dann irgendwann zu erklären. Dann können wir in Gelassenheit über die Dinge auch weiterhin sprechen. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Wolpert. - Jetzt hat die SPD-Fraktion das Wort. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Rothe das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wolpert, was Sie als Kakofonie wahrnehmen, ist ein frischer Wind, der durch die Landesverwaltung weht.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei und Zurufe von der FDP)

Wenn die Behördenumstrukturierungen vorgenommen worden sind, dann werden wir auch in dieser Legislatur

periode, auch wenn es diesmal nicht im Koalitionsvertrag steht, tatsächlich ein Landesorganisationsgesetz machen.

(Herr Kosmehl, FDP: Hinterher!)

Man kann von einem solchen Gesetz fachlich halten, was man will, es ist ein Verfassungsauftrag, den wir zu erfüllen haben. Es wäre aber nicht richtig, Frau Dr. Paschke, die Landesregierung bis zur Fertigstellung dieses Gesetzentwurfs zur Untätigkeit zu verurteilen. Vielmehr denke ich, es ist das ureigene Recht einer Regierung, den Behördenbereich zu ordnen, soweit und solange der Landtag keine gesetzlichen Regelungen trifft.

Wir sollten im Übrigen nicht jeden kleinen Behördenstandort gesetzlich festschreiben, sondern die äußere Aufbauorganisation der Verwaltung. Über die Abschaffung des Landesverwaltungsamtes möchte ich dann gern selbst mit beschließen.

(Zuruf von Frau Dr. Paschke, Linkspartei.PDS)

Ein besonderer Fall sind dabei die Gerichte. Deren Standorte sind zu Recht schon heute gesetzlich geregelt. Ich finde es angemessen, dass die Frau Justizministerin bei der Gerichtsstrukturreform mit besonderer Umsicht vorgeht.

Ich muss mich berichtigen: Was ich über das Landesverwaltungsamt gesagt habe, betrifft die fernere Zukunft, nicht diese Legislaturperiode.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Vor einer Woche hat die Versammlung des Landkreistages eine Resolution verabschiedet, mit der die Landkreise fordern, die Gebietsreform zum 1. Juli 2007 zeitnah zu einer nachhaltigen Reform der Aufgabenzuordnung zwischen dem Landesverwaltungsamt, staatlichen Fachbehörden und den Landkreisen zu nutzen. Die von den Koalitionspartnern vereinbarte substanzielle Aufgabenverlagerung müsse noch in diesem Jahr aufgabenseitig so weit konkretisiert werden, dass sie zu Beginn des Jahres 2008 in Kraft treten kann. - So weit der Landkreistag.

Solange ich dem Landtag angehören darf, habe ich mich mit Kollegen wie Herrn Dr. Brachmann für eine Kommunalisierung staatlicher Aufgaben eingesetzt. Ich möchte an den Beschluss des Landtages vom Januar 2002 erinnern, mit dem die zur Übertragung auf die Kommunen geeigneten Aufgaben identifiziert worden sind.

Der Beschluss beruhte auf der Arbeit eines zeitweiligen Ausschusses, der seinerzeit sehr gute Arbeit geleistet hat. Die Ergebnisse seiner Arbeit passen zu einem Kreismodell, wie es der Landtag im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Der Aufgabenkatalog ist heute noch weitgehend aktuell.

Jetzt geht es darum, die Ergebnisse des zeitweiligen Ausschusses zeitnah umzusetzen. Jetzt ist es an der Zeit, intensive Verhandlungen zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zu führen mit dem Ziel einer Verständigung über Umfang und Modalitäten der Kommunalisierung staatlicher Aufgaben.

Besonders interessiert sind die Landkreise an den Aufgaben der Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten. Neulich hatten wir Frau Ministerin Wernicke in der SPD-Fraktion zu Gast. Da habe ich die Landwirt

schaftsministerin gebeten, sich ein Vorbild an der Umweltministerin zu nehmen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich finde Ihren Einwand durchaus nachvollziehbar, Frau Ministerin, dass man eine Aufgabenübertragung auf elf plus drei Gebietskörperschaften der Kreisebene schlecht wirtschaftlich vornehmen kann. Mein Vorschlag ist, dass jeweils mehrere Landkreise gemeinsam die Aufgaben eines Amtes für Landwirtschaft und Flurneuordnung übernehmen.

(Beifall bei der SPD - Herr Wolpert, FDP: Fünf!)

Meine Damen und Herren! Zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vereinbarten Gemeindegebietsreform soll die Landesregierung in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden bis zum Ende des zweiten Quartals 2007 dem Landtag ein Leitbild zur flächendeckenden Einführung der Einheitsgemeinde vorlegen.

Am Montag hat der Städte- und Gemeindebund des Altmarkkreises Salzwedel in Beetzendorf eine Diskussionsrunde zum Thema Einheitsgemeinde mit dem Minister des Innern veranstaltet. Es waren ca. 80 Personen anwesend. Als erster Diskussionsredner meldete sich Kollege Harms und griff den Minister in sehr unsachlicher Weise an. Dann kamen die Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker zu Wort. Am Ende meldete sich Kollege Stahlknecht und sagte, man habe in der Koalition die Einheitsgemeinde vereinbart als Zugeständnis an die SPD, aber wenn vom Land her der Wille komme, das nicht durchzusetzen, dann müsse man darüber reden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich bitte all jene CDU-Kollegen, die in den vergangenen Wochen öffentlich auf Distanz zur Einheitsgemeinde gegangen sind, in der Koalitionsvereinbarung auf Seite 57 nachzulesen. Dort heißt es:

„Beide Partner tragen für die gesamte Politik der Koalition gemeinsam Verantwortung.“

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Die Widerstände gegen die Einheitsgemeinde kommen nicht überraschend, sondern waren Ihnen bekannt, als Herr Webel seine Unterschrift unter den Koalitionsvertrag gesetzt hat. Es ist nicht redlich, wenn Sie die Bürgermeister zum Protest ermutigen und sich dann auf eine angeblich neue Lage berufen.

(Oh! bei der FDP)

Die Koalition mit einer SPD, die auch anders könnte, hat ihren Preis. Das ist der CDU in Mecklenburg-Vorpommern bekannt, die sich jetzt auf das von ihr leidenschaftlich bekämpfte Fünf-Kreise-Modell einlässt, welches der Schweriner Landtag im Frühjahr beschlossen hat.

(Beifall bei der SPD)

In gleicher Weise nehmen wir das von CDU und FDP beschlossene Elf-plus-drei-Modell hin. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel Überwindung mich das gekostet hat.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Es ist das Privileg der Opposition, gegen die flächendeckende Einführung der Einheitsgemeinde anzugehen. Allerdings bitte ich die Kollegen von der Linkspartei.PDS,

den Blick nach Thüringen zu richten, wo sich der Landesparteitag der PDS am 23. April 2005 dafür ausgesprochen hat, bis zum Jahr 2009 selbständige Gemeinden mit mindestens 5 000 Einwohnern zu bilden und Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden umzuwandeln.

Frau Dr. Paschke, aus gegebenem Anlass erlaube ich mir, Sie zu ermutigen: Halten Sie bitte den Landtag auch künftig mit Ihren Anträgen zur Verwaltungsmodernisierung auf Trab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Rothe, für Ihren Beitrag. - Frau Dr. Paschke hat für die Linkspartei.PDS das Wort. Bitte schön.

Ich fange mit der Erwiderung zum letzten Redner an. Wir werden Sie weiter auf Trab halten. Mit Ihrem Alternativantrag ist das Problem, worauf wir abgehoben haben, nicht aus der Welt.

Wir wollen, dass sehr rechtzeitig, und zwar unverzüglich, diese Unstimmigkeiten auf der kommunalen Ebene beseitigt werden, damit die Kommunen wissen, ob eine Mehrheit dafür vorhanden ist, dass ein Leitbild vorgelegt wird, das flächendeckend die Koordinaten einer Einheitsgemeinde festschreibt, oder ob die Mehrheit des Parlaments die Landesregierung beauftragt, in ihrer weiteren Arbeit ein zweites Modell in qualifizierter Form oder wie auch immer zuzulassen.

Deshalb kündige ich Ihnen an, dass wir zur nächsten Sitzung des Landtages einen entsprechenden Antrag einbringen. Dann wird man sehen, ob es eine Mehrheit gibt oder nicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Alle, die im kommunalen Bereich aufgestanden sind - ich habe die lange Liste schon vorliegen -, können in namentlicher Abstimmung im Parlament zeigen, wie sie ihre Landesregierung auffordern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und bei der FDP)