Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Inzwischen haben die Landtagspräsidentinnen und -präsidenten diese Forderung in der Stuttgarter Erklärung am 21. Juni 2010 erneuert. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es aktuell genug ist.

Zunächst sind wir erfreut, dass die vorliegende Beschlussempfehlung das schwierige Zusammenspiel zwischen der Landesregierung und dem Parlament in Sachen Mitgestaltung und Umsetzung der EU-Politik aufgreift.

Bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung haben wir uns der Stimme enthalten, da unser Antrag nicht vollumfänglich übernommen wurde. Wir teilen die Auffassung der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten und haben das auch im Antrag formuliert, dass das Landesrecht angepasst werden muss, damit der Landtag seiner Verantwortung gegenüber der Landesregierung und der Öffentlichkeit gerecht werden kann.

Hierfür bedarf es einer hinreichenden Beratungszeit, die aufgrund der derzeitigen Verfahrensabläufe im Bundesrat nicht gewährleistet ist. Hierfür muss die Geschäftsordnung des Bundesrats - wie die des Bundestags - aufgrund des Lissabon-Urteils angepasst werden. Dies sahen die Vertreter der Koalitionsfraktionen im Europaausschuss allerdings anders.

Die zu dieser Thematik durchgeführte Anhörung war sehr aufschlussreich. Die Meinungen der Sachverständigen gingen auseinander bei der Frage, inwieweit die Landesregierung im Bundesrat an Stellungnahmen des Landtags gebunden sein müsse. Mit Bezug auf das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagte ein Anzuhörender - ich zitiere -:

„Mit dem Urteil hat das Gericht vordemokratischen Vorstellungen eine Absage erteilt, die behaupten, die Exekutive habe aus funktionalen oder anderen Gründen … einen autonomen Entscheidungsspielraum, indem sie vom Parlament nicht programmiert werden könne. Das entscheidende Organ zur Legitimierung ist jeweils das Parlament. Das heißt, das Parlament kann die Exekutive entsprechend programmieren und durch Stellungnahmen … binden. So muss es aus dem Demokratiegebot des Grundgesetzes abgeleitet werden.“

Revolutionen aufgrund dieses Demokratieverständnisses sind eher nicht zu befürchten, stützen doch in der Regel die parlamentarischen Mehrheiten ihre Regierung und deren EU-Politik. Bisher hat der Europaauschuss auf Initiative der LINKEN zwei Stellungnahmen zu EUGrünbüchern erarbeitet, nämlich zur europäischen Bürgerinitiative und zur europäischen Energiepolitik. Sie bekamen in der Folge die Handschrift der Koalitionsfraktionen und hatten nichts mehr mit unseren Intentionen gemein.

Recht intensiv haben wir zudem in dieser Legislaturperiode versucht, in den Fachausschüssen EU-Themen zu platzieren. Wir haben uns also an die eigene Nase gefasst. Zu einer Stellungnahme von dort hat es bisher nicht gereicht. Als Opposition blieb wenigstens das Verdienst der Herstellung einer öffentlichen Diskussion zur EU-Politik. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist die Aufgabe eines kleinen Parlaments im EU-Gefüge.

Bei einer Informationsreise des Europaauschusses nach Schottland erfuhren wir, dass dort neben dem Europaauschuss die einzelnen Fachausschüsse verpflichtend Abgeordnete abgestellt haben, die den europapolitischen Aspekt beleuchten. Auch personell ist die Verwaltung des schottischen Parlaments für die Aufarbeitung von EU-Vorlagen besser aufgestellt. Im schottischen Parlament - ähnlich wie im europäischen Parlament - wird scheinbar auch stärker an der Sache orientiert abgestimmt als nach Fraktionsbindung.

Zurück zu unserem Landtag. Wenngleich alle Beteiligten eine Informationsungleichheit zwischen Exekutive und Legislative konstatieren, löst der Anschluss an die Informationsflut aus Brüssel das Problem der Verwertung und Bewertung der Informationen noch nicht.

Zu Recht bemerkte ein Anzuhörender, dass diese Informationen - so wörtlich - „zu Wissen veredelt werden müssten“. Dazu bedürfte es allerdings eines wissenschaftlichen Dienstes oder eines auf EU-Vorlagen spezialisierten Verwaltungsbereichs, über die beispielsweise der Bundestag verfügt.

Dazu zählt unserer Meinung nach auch die Überlegung zur Schaffung unabhängiger Informationsquellen. Als Beispiel nenne ich die möglichen Zusammenschlüsse der Landtage für eine Vertretung in Brüssel, auf die meine Vorredner bereits eingegangen sind. Außerdem nenne ich die arbeitsteilige Koordination der Europaausschüsse der Landtage mit thematischen Schwerpunktsetzungen.

Im Übrigen teilen wir die Ansicht der Sachverständigen, die zumindest die Überführung der Landtagsinformationsvereinbarung in die Landesverfassung anregten, und zwar analog der Regelung des Artikels 34a der Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Der Bayerische Landtag hat als Erster auf die derzeit in den Landtagen stattfindende Diskussion zur Europafähigkeit reagiert und sein Informationsgesetz zu einem Beteiligungsgesetz weiterentwickelt.

In diesem Sinne freuen wir uns auf die in der Beschlussempfehlung beibehaltene und zweimal verschobene Berichterstattung der Landesregierung. Herr Tögel, das verdanken wir auch Ihnen, was die eigene Nase angeht.

Eine letzte Bemerkung: Ich finde es scheinheilig, Herr Tögel, wenn Sie sagen, wir sollten mehr in die Fachausschüsse geben. Denken Sie beispielsweise an die Problematik Agrarpolitik. Wenn wir eine Debatte zur gemeinsamen Agrarpolitik beantragen, die jetzt aktuell ansteht, und Sie sagen, das soll in die Fachausschüsse, dann sage ich: Dazu hat der eine oder andere zu wenig Ahnung. Aus dem Wirtschaftsausschuss, dem Sie vorsitzen, bekommen wir die Sachen oft zur Kenntnisnahme zurück. Das ist aus meiner Sicht scheinheilig. Nach einem Jahr ist es aber endlich so weit mit dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Herr Abgeordneter Tögel hat eine Nachfrage.

(Herr Tögel, SPD: Eine Intervention!)

- Eine Intervention. Dann intervenieren Sie bitte.

Herr Präsident! Ich möchte nur zwei Dinge klarstellen. Erstens sind die Berichte nicht verschoben worden. Laut Geschäftsordnung kann ein Ausschuss nicht beschließen, wann die Landesregierung einen Bericht zu erstatten hat, sondern das kann nur der Landtag. Das passiert heute. Deswegen ist nichts verschoben worden, sondern wir haben die Vorlage des Berichts zum 31. Oktober 2010 beauftragt.

Zweitens ist der Europaauschuss nicht das kompetente Gremium, um explizit über die Landwirtschaftspolitik zu reden. Das muss der Landwirtschaftsausschuss machen, genauso wie andere Ausschüsse über andere Themen reden sollen. Wir haben dieses Ergebnis nur zusammenzufassen und gegebenenfalls als „Vollzugsorgan“ an die Landesregierung weiterzuleiten.

Vielen Dank. - Wir kommen zu dem letzten Debattenbeitrag. Für die CDU hat der Abgeordnete Herr Borgwardt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mir erlauben, nicht durch Doppelungen aufzufallen. Deshalb möchte ich nicht wiederholen, was meine Kollegen sehr sinnig vorgetragen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Integrationsverantwortung der Landtage ist so alt wie die Bundesrepublik. Gleiches gilt für das Lamento über den vermeintlichen Niedergang des Länderparlamentarismus.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 hat tatsächlich neuen Diskussionsbedarf zur Rolle der Länder und ihrer Länderparlamente im Prozess der europäischen Einigung hervorgerufen. Tatsache ist aber auch, dass die europäische Integration nur gelingt, wenn auch die regional und lokal Verantwortlichen angemessen in die politischen Entscheidungen eingebunden werden. Das Problem dabei ist häufig schlicht und einfach ein gewisser Informationsrückstand.

Dies hat - das ist meine Überzeugung - nicht ursächlich in erster Linie etwas mit der Landesregierung SachsenAnhalts, sondern im Wesentlichen etwas mit den EUGremien selbst zu tun. Wir haben meiner Ansicht nach sehr gute Regularien, zumindest mit Blick auf die anderen Landesparlamente in der Bundesrepublik Deutschland.

Meine Damen und Herren! Die Integrationsverantwortung der Landtage ist aber nicht nur eine politische oder verfassungsrechtliche Frage. Das Problem ist auch schon ein rein praktisches. Wenn dieser Landtag - das sage ich hier auch in dieser Klarheit - seiner Integrationsverantwortung gerecht werden soll - dabei gehe ich vielleicht etwas von dem ab, was Herr Kollege Tögel gesagt hat -, müssen wir dafür auch die entsprechenden personellen Voraussetzungen und Stellen im Hause schaffen.

Ich bin sehr dankbar, dass Herr Dr. Pfannkuchen das in einer für seine Möglichkeiten guten Art macht.

(Zustimmung bei der CDU)

Das reicht aber mit Sicherheit nicht aus. Ich bin auch der Meinung, dass wir eine eigene Haushaltsstelle brau

chen. Für meine Begriffe ist das nur bei Einzelplan 01 möglich, Herr Präsident. Ich fordere alle auf - ein Großteil schickt sich an, dem Parlament der nächsten Legislaturperiode angehören zu wollen -, dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden personellen Voraussetzungen geschaffen werden.

Man kann sich darüber unterhalten, ob man fünf Stellen braucht, aber mit einer Stelle geht das mit Sicherheit nicht. Dafür versuche ich zu werben und trete dafür ein. Ansonsten nehmen wir uns im Hinblick auf die Europapolitik nicht ernst und werden im Verhältnis zu den anderen Bundesländern in Rückschritt geraten.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb bitte ich ausdrücklich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Borgwardt. - Wir sind damit am Ende der Debatte angelangt.

Meine Damen und Herren! Ich lasse nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien in der Drs. 5/2705 abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei der Koalition und bei der FDP. Wer lehnt sie ab? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist Tagesordnungspunkt 20 abgeschlossen.

Wir treten jetzt in eine einstündige Pause ein und setzen die Sitzung um 13.20 Uhr fort.

Unterbrechung: 12.19 Uhr.

Wiederbeginn: 13.20 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Zweite Beratung

Ausgestaltung der Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2644

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - Drs. 5/2777

Die erste Beratung fand in der 78. Sitzung des Landtages am 18. Juni 2010 statt. Der Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Tögel. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Ausgestaltung der Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt wurde am 18. Juni 2010 in der 78. Sitzung des Landtages eingebracht und zur Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen.

Der Ausschuss hat sich in der 59. Sitzung am 25. August 2010 mit diesem Antrag befasst. Zu diesem Antrag

legten die Koalitionsfraktionen den Entwurf einer Beschlussempfehlung vor.

Dazu wurde seitens der Koalitionsfraktionen begründet, dass das Bundesprogramm Bürgerarbeit in der ersten Phase laufe und es nun darum gehe, diese Bürgerarbeitsstellen mit Leben zu erfüllen. Die Hauptzielrichtung sei die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Aus diesem Grunde halte man es für erforderlich, an diesem Thema zu bleiben, sich halbjährlich über die Umsetzung dieses Bundesprogramms unterrichten zu lassen und auch im Wirtschaftsausschuss darüber ausführlich zu diskutieren.