Deshalb, meine Damen und Herren, finde ich es ganz richtig, dass der Bundespräsident Wulff uns jetzt auf diese Frage hingewiesen hat. Ich stimme ihm voll darin zu, dass die Frage einer gelingenden Integration unserer ausländischen Mitbürger wahrscheinlich eine der Kernfragen zukünftiger Politik in Deutschland sein wird, auch wenn das in Sachsen-Anhalt jetzt noch nicht die bedeutende Frage ist, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich noch eine These hinzufügen. Wir leben in Sachsen-Anhalt in einem weitgehend säkularisierten Land. Herr Gallert hat es zwar nicht befürchtet, aber er hat darauf hingewiesen, dass die Atheisten hier die deutliche Mehrheit haben. Der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die sich einer der christlichen Kirchen zugehörig fühlen, liegt - wenn man gut hochrechnet - bei unter 30 %. Die anderen Religionen sind nach meiner Auffassung von der Statistik her fast zu vernachlässigen.
Wenn wir aber einmal von der eigenen Nabelschau weggehen, ist das gemessen an dem, was in der Welt vor sich geht, eine fast singuläre Situation. Meine Damen und Herren! Nach meiner Auffassung gehen wir einem 21. Jahrhundert entgegen, in dem auch darüber zu entscheiden sein wird, ob es gelingen wird, dass die verschiedenen Religionen friedlich miteinander auskommen, oder ob wir tatsächlich, wie man in Feuilletons und Büchern immer mal wieder lesen kann, einem Clash of Civilizations, einem Kampf der Kulturen, entgegengehen werden.
Meine Damen und Herren! Für mich ist diese Frage noch nicht ausgemacht. Ich habe deshalb absichtlich als Erstes die Integration als eine der Hauptaufgaben der nächsten Jahre und Jahrzehnte genannt. Denn wenn wir diese Aufgabe nicht hinbekommen, dann können auch andere Szenarien in der Weltgeschichte und auch in Deutschland auf uns zukommen.
Die von Herrn Gallert - ich glaube, er war es - gestellte Frage, wer zu unserer Gesellschaft gehört, ist richtig und wichtig. Sie ist zum Glück durch unser Grundgesetz entschieden. Es kann niemand gegen seinen Willen aus der deutschen Staatsbürgerschaft entlassen werden. Die DDR hat das übrigens getan mit denjenigen, die ihr nicht gepasst haben. Manche wollten sogar die DDR-Staatsbürgerschaft loswerden, konnten sie aber nicht loswerden. Aber es war natürlich auch ein staatlicher Willkürakt, dass jemand gegen seinen Willen ausgebürgert wurde. Das geht auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland nicht.
Aber, meine Damen und Herren, das heißt natürlich auch, dass alle, die auf Dauer in Deutschland leben wollen, bereit sein müssen, sich auf den Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu stellen, ohne Wenn und Aber.
Und wenn Christian Wulff davon spricht, dass der Islam zu unserer Gesellschaft gehört, so sage ich als jemand,
der einer christlichen Kirche angehört: Er hat Recht. Zumindest der positive Befund ist so. Auch wenn wir im Moment in Sachsen-Anhalt die Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens vielleicht noch abzählen können, so wird sich das auch bei uns in wenigen Jahren dramatisch ändern. Und dann wird die Frage der Integration auch in Sachsen-Anhalt eine der Schlüsselfragen sein, über die wir vielleicht noch oft in diesem Parlament diskutieren müssen. Dabei, meine Damen und Herren, haben die muslimischen Bürgerinnen und Bürger natürlich auch eine erhebliche Bringepflicht.
Man kann sich im Reclam-Verlag ganz preiswert den Koran und die Sunna - das sind die Worte und Handlungen Mohammeds - kaufen. Das sollte man sich wirklich einmal durchlesen. Man sollte wissen, dass der Islam bisher nicht durch die Aufklärung gegangen ist. Die Aufklärung hat in Europa dazu geführt, dass die heiligen Schriften, die Bibel, von den meisten nach der historisch-kritischen Methode gelesen werden.
Die meisten Muslime lehnen die historisch-kritische Methode ab. Und wer die historisch-kritische Methode ablehnt, der liest Koran und Sunna wörtlich. Und wer Koran und Sunna wörtlich liest, der kommt - vorsichtig gesagt - in eine Spannung zum Grundgesetz und muss sich entscheiden, ob in Deutschland das Grundgesetz und unsere anderen Gesetze gelten oder ob die Scharia gelten soll. Das, was ich sage, ist keine Theorie. In Berlin gibt es muslimische Streitschlichter.
Ich weiß nicht, ob jeder in diesem Saal weiß, was die tun. Sie schlichten untereinander, wenn es dort zu Raub, Diebstahl, vielleicht sogar zu Schwerverbrechen gekommen ist, und sagen: Wir brauchen dazu nicht die deutsche Gerichtsbarkeit; wir machen das unter dem Streitschlichter. Und der Streitschlichter sieht nach, was in der Scharia steht. Das kommt gar nicht bis zu deutschen Gerichten, weil alle Beteiligten sich einig sind, dass sie die deutsche Rechtsprechung nicht brauchen.
Es darf in Deutschland nicht zugelassen werden, dass sich parallele Rechtsräume entwickeln. Manche sagen sogar noch - auf angeblich freiwilliger Basis -: Sollen sie doch machen, wenn sie sich einig sind. Nein, auch das darf nach dem Legalitätsprinzip nicht zugelassen werden. Das wird auch die Justizministerin in SachsenAnhalt nicht zulassen.
Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht schwarzmalen. Ich habe gesagt, Integration ist die wichtigste Aufgabe, die in nächster Zeit auf uns zukommt. Ich will aber ganz deutlich sagen: Es ist kein Selbstläufer. Wir werden uns in diesem Saal, meine Damen und Herren, noch sehr oft darüber zu unterhalten haben.
Deshalb bin ich auch der festen Überzeugung, dass zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung auch künftig die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zählt. Diese zu vernachlässigen wäre eine unverzeihliche Fahrlässigkeit.
Meine Damen und Herren! Wenn ich vorhin gesagt habe, angesichts der Gräuel im 20. Jahrhundert kann ich
jeden gut verstehen, dem es schwer fällt, auf Deutschland stolz zu sein, will ich jetzt aber auch ganz eindeutig sagen: Wir werden ohne Patriotismus nicht auskommen. Ohne Patriotismus wird es nicht gehen.
Denn nur wer sein Vaterland liebt und schätzt, wird auch bereit sein, es gegebenenfalls zu verteidigen.
Patriotismus ist nach meiner festen Überzeugung auch ein guter Schutz gegen Nationalismus. Dessen muss man sich auch bewusst sein.
Ich glaube, es ist allen verantwortlichen Politikern heute klar, dass ein Patriotismus nur in einem geeinten und friedlichen Europa, mit den Patrioten anderer Länder in Europa - das ist überhaupt kein Widerspruch - eine Zukunft hat.
Dieses geeinte Europa muss die Zukunft für uns alle sein. Daran haben wir zu arbeiten, meine Damen und Herren.
20 Jahre Deutschland, 20 Jahre deutsche Einheit waren nach meiner Auffassung 20 glückliche Jahre für Deutschland in der Welt, speziell in Europa. Aber wir müssen uns auch der Verpflichtung bewusst sein, so zu arbeiten, dass viele gute weitere Jahre für Deutschland in einem geeinten Europa folgen können. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir in der Sache keine Beschlüsse fassen. Ich bedanke mich bei allen Rednern. Wir können den Tagesordnungspunkt 1 verlassen.
Entsprechend unserer Geschäftsordnung findet monatlich eine Fragestunde statt. Es liegen Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Drs. 5/2873 sieben Kleine Anfragen vor.
Der erste Fragesteller ist der Abgeordnete Herr Wolpert, Fraktion der FDP. Die Frage 1 betrifft die Neubesetzung der Stelle des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Sachsen-Anhalt. Die Antwort erteilt der Staatsminister Herr Robra. Bitte schön, Herr Wolpert, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 14. Juni 2010 endete die Amtszeit des bisherigen Landesbeauftragten und wurde gleichzeitig die Neubesetzung der Stelle des Landesbeauftragten notwendig. Im Rahmen einer Aktuellen Debatte am 18. Juni 2010 hat der Ministerpräsident angekündigt, dass in der Koalition vereinbart worden sei, dass - Zitat - „wir“ - also Sie - „nicht mit einem Personalvorschlag in den Landtag gehen, bevor wir nicht die Zusicherung aller Fraktionen haben, dass dieser Bewerber auch mitgetragen wird“.
Ist noch in der laufenden Wahlperiode damit zu rechnen, dass die Landesregierung dem Landtag einen Kandidaten für die Stelle des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Sachsen-Anhalt vorschlagen wird?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Frage wie folgt.
Ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung dem Landtag noch in dieser Legislaturperiode einen Kandidaten für die Stelle des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Sachsen-Anhalt vorschlagen wird.
Die Frage 2 zu dem Thema Biotechnologie stellt der Abgeordnete Uwe Schrader. Die Antwort wird in Vertretung die Ministerin Frau Professor Dr. Wolff geben. Bitte schön, Herr Schrader.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der „Volksstimme“-Ausgabe vom 21. August 2010 zeigte sich Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff skeptisch gegenüber der Biotechnologiebranche. So spricht er ihr das Potenzial ab, Arbeitsplätze in großer Zahl zu schaffen. Zudem würde die Branche, anders als im Maschinenbau, nichts Bleibendes schaffen.
In einer Pressemitteilung vom 24. September 2010 anlässlich der Wahl der Scil Proteins GmbH zum Unternehmen des Monats lobt der Minister dagegen „das sehr gute Entwicklungspotenzial der heimischen BiopharmaBranche“. Dieses zeige sich stellvertretend in der Auszeichnung des genannten Unternehmens.