Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Es kann festgestellt werden, dass vor allem in Mitteleuropa und in den USA der Bienenbestand in bedrohlicher Weise zurückgegangen ist. Wenn man allerdings weiß, dass dagegen in den letzten 50 Jahren die Zahl der Bienenvölker weltweit um immerhin 45 % gestiegen ist, dann könnte man ja sagen: Dann importieren wir eben unseren benötigten Honig, und gut ist es.

In der Tat, Europa ist der weltweit größte Importeur von Honig. Die Bundesrepublik hat daran einen sehr hohen Anteil. Immerhin beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch in der Bundesrepublik 1,4 kg. Wir müssen 80 % des verbrauchten Honigs importieren.

Wir wissen jedoch längst, dass es nicht allein um den Honig geht, sondern vor allem um die von den Bienen bereitgestellte Dienstleistung. Minister Aeikens sprach auch über den Milliardennutzen für die Landwirtschaft. Etwa 80 % aller Nutz-, Zier- und Wildpflanzen sind auf die Bestäubung durch die Honigbiene angewiesen. Für ein einziges Gramm Honig müssen ca. 8 000 bis 10 000

Blüten durch sie besucht werden. Hierin liegt das eigentliche Problem: Diese Dienstleistung lässt sich eben nicht importieren.

Wo sind die Ursachen für diese Entwicklung zu suchen? - Kollege Hauser hat es schon angesprochen. Es sind nicht nur der Klimawandel und der Landschaftswandel, sondern es ist eben auch das Problem, dass es sich nicht mehr rechnet, mit wenigen Bienenvölkern über das Land zu ziehen.

Ich kann mich noch an eine landwirtschaftliche Situation erinnern, bei der wir eine Ordnung hatten, wie es mit den Wanderbienen zu gehen hat.

Auch in der Branche ist eine Tendenz der Konzentration zu bemerken. Damit ist jedoch die flächendeckende Präsenz der Honigbiene nicht gesichert. Dazu kommen - auch das sagten die Vorredner schon - konzentrierte Bewirtschaftungsarten und eben Krankheiten und Schädlingsbefall, wie hier hauptsächlich durch die Varroamilbe.

Was wir aber auf keinen Fall unter den Teppich kehren wollen bzw. dürfen, ist die Tatsache, dass der Lebensraum nicht nur für die Honigbiene, sondern auch für die Wildbiene und andere Insekten überhaupt bei uns und in den Industriestaaten speziell ganz offensichtlich geschrumpft ist.

Die Bemühungen um den Erhalt der Bienenbestände reihen sich also in die Aufgabenstellung zum Erhalt der Artenvielfalt und der Biodiversität. Nicht umsonst - auch das ist gesagt worden - ist das Jahr 2010 von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt“ erklärt worden. Auf diese Zusammenhänge wollte ich hier unbedingt aufmerksam machen.

Zum Gesetzentwurf zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Das, was mit der Änderung bzw. Ergänzung erreicht werden soll, wollen wir, die Fraktion DIE LINKE, gern unterstützen. Als Züchter großer landwirtschaftlicher Nutztiere weiß ich sehr wohl, wie wichtig es ist, gesunde, leistungsfähige Nutztiere, auch Elterntiere, zu züchten, und dass es dazu einer zielstrebigen Arbeit bedarf, die nachvollziehbar und kontrollierbar sein muss. Nur so können eine planmäßige Vermehrung und Anpaarung sichergestellt und, wie in diesem Fall, wertvolles sowie gewolltes Erbgut - die Friedfertigkeit der Honigbiene ist ebenfalls schon angesprochen worden - über Generationen hin weitergereicht werden. Hierbei geht es in der Tat um Belange der Tierzucht; diese sind gesetzlich zu regeln.

Diese Regeln in das Landwirtschaftsgesetz aufzunehmen mag eine Möglichkeit sein. Aber ob es nicht doch vorteilhafter wäre, diese Problematik in ein eigenständiges Gesetz zu gießen - auch wenn es im Text nachlesbar war -, ist aus meiner Sicht noch offen. Wir werden dies aber sicherlich im Agrarausschuss besprechen können.

Auf alle Fälle erweckt diese Verfahrensweise - diese Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen - den Anschein, dass hier etwas mit heißer Nadel gestrickt wird, etwas, was bisher versäumt worden ist und noch schnell vor den Wahlen geheilt werden soll. Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit Populismus.

(Oh! bei der FDP)

Vielen Dank, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Czeke. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Hartung.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass wir noch den Tagesordnungspunkt 7 vorziehen, weil im Moment immer noch Änderungsanträge zum Tagesordnungspunkt 5 ausgeteilt werden.

Herr Hartung, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, über Befruchtung und Bestäubung hat unser Minister schon ausgiebig gesprochen. Darauf brauche ich nicht mehr so intensiv einzugehen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung sieht, wie schon eingangs gesagt, eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vor. Es handelt sich um eine Ergänzung des bisherigen Gesetzestextes sowie um die durchaus notwendigen redaktionellen Änderungen.

Die eigentliche Änderung betrifft den neuen Teil 4 des Gesetzes. Hierbei geht es eben um den Schutz von Belegstellen für Bienen, wie auch schon unser Minister berichtet hat.

Um Ihnen die Bedeutung der Imkerei und damit der Bienen näher zu bringen, möchte ich Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, gern einmal einen kurzen historischen Abriss geben. Es gibt Belege dafür, dass bereits vor 4 000 Jahren in Ägypten eine systematische Bienenhaltung betrieben worden ist. Bis zum Beginn der Neuzeit war der hohe Stellenwert der Imkerei in Europa mit der Erzeugung von Honig als einzigem Süßstoff, Wachs für die Kerzenproduktion sowie als Modelliermittel im Bereich der Kunst und des Handwerks begründet worden.

In jedem kleinbäuerlichen Anwesen war die Bienenhaltung neben der Haltung anderer Haustiere üblich. Bereits von Karl dem Großen wurde um 800 die Bedeutung der Bienenhaltung erkannt und wesentlich gefördert.

Mit Beginn der Neuzeit war ein Rückgang der Imkerei zu verzeichnen. Folgende Gründe waren hierfür verantwortlich: Entdeckung der Rohrzuckerpflanze und deren systematischer Anbau in der neuen Welt, Rückgang des Wachsbedarfes für die Kerzenherstellung als Folge der einsetzenden Säkularisierung, Entdeckung der Zuckergewinnung aus der Rübe, veränderte Landschaftsnutzungsbedingungen mit der Folge eines dramatischen Artenrückgangs der für die Biene notwendigen Blütenpflanzen, Strukturveränderungen innerhalb der Landbewirtschaftung in der Moderne.

Aber welche Bedeutung hat die Imkerei in der heutigen Zeit, meine Damen und Herren? Neben der Wertschöpfung hat die imkerliche Tätigkeit vor allem einen hohen Freizeitwert. Sie ist geprägt durch ein besonders hohes Naturempfinden - erwähnenswert ist hierbei die Faszination der Biene -, den Erlebniswert des Entwicklungsablaufs im Wechsel der Jahreszeiten und die Schärfung der Sensibilität gegenüber der Natur.

Wie sieht nun der ökologische Wert der Honigbiene aus? - Meine Damen und Herren! Nahezu 80 % der Kulturpflanzen sind auf den Blütenbeflug, wie eingangs schon erwähnt, durch die Honigbiene angewiesen. Allein

der Nutzen durch die Bestäubung aller von den Honigbienen abhängigen Kulturpflanzen wird auf das 15- bis 20-Fache des gedeckten Nutzens - gemeint sind damit Honig und andere Bienenprodukte - geschätzt.

Darüber hinaus garantieren die Honigbienen den Erhalt und die Erneuerung der Blütenpflanzen und den reichlichen Frucht- und Samenansatz der Wildpflanzen und der Wildkräuter. Die Honigbiene nimmt einen hohen Stellenwert in der gesamten Ökologie unseres Landes ein.

Nach diesem kurzen Exkurs komme ich nun auf den Gesetzentwurf der Landesregierung zurück.

Meine Damen und Herren! Die Paarung der Honigbienen findet im Flug statt. Bienenkönigin und Drohnen fliegen weite Strecken und treffen sich auf so genannten Drohnensammelplätzen, die den Imkern jedoch vielfach unbekannt sind.

Um dennoch eine gezielte Anpaarung von nachgezogenen Königinnen und ausgewählten Vatertieren zu ermöglichen, werden Zuchtköniginnen zur Paarungszeit auf bestimmte Belegstellen gebracht. Im Umkreis dieser Belegstellen, wie eingangs genannt, wird seitens des Belegstellenteams versucht, nur Drohnen der gewünschten Zuchtrichtung zu haben. Dies erfolgt vor allem durch Umweiselung der Völker um die Belegstelle.

Ziel des uns heute vorgelegten Gesetzentwurfes ist es, die Schaffung solcher Belegstellen und die planmäßige Vermehrung und Anpaarung solcher Zuchtvölker zu erreichen.

Hinzu kommt, dass die Bienen gegen die für sie gefährliche Varroamilbe stark gemacht werden sollen. Imker können ihre Königinnen in solch einer geplanten Belegstelle mit varroamilbentoleranten Drohnen paaren und sie so zu widerstandsfähigen Bienenvölkern entwickeln.

Durch das Gesetz sollen die Belegstellen vor der Vermischung mit nicht toleranten oder aggressiven Völkern geschützt werden.

Die parasitäre Varroamilbe und die durch sie ausgelöste Varroose stellt derzeit weltweit ein großes Problem dar, gerade in der Bienenhaltung. Die Varroamilbe führt auch in Sachsen-Anhalt zum Verlust von vielen Völkern. Die Zucht vitaler Honigbienen ist ein wichtiger Weg im Kampf gegen die Varroamilbe.

Meine Damen und Herren! Sie werden mir zustimmen, dass es sich bei dem heute vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung um eine sinnvolle, der Umwelt dienende Maßnahme handelt. Ich bitte Sie daher um Überweisung in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Hartung. - Damit ist die Debatte beendet.

Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/2853. Einer Überweisung als solcher steht nichts im Wege. Ich gehe davon aus, dass der Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten federführend beraten soll. Wir haben den Antrag des Abgeordneten Herrn Hauser, dass der Umweltausschuss mitberatend tätig werden soll. Darüber werden wir jetzt abstimmen. Wer für die Mitberatung im Umweltausschuss stimmt,

den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten überwiesen worden. Wir schließen damit den Tagesordnungspunkt 6.

Wie vereinbart, rufe ich vor dem Tagesordnungspunkt 5 zunächst den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/2854

Einbringer ist der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Bischoff. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Dass wir ihn zum Ende der Wahlperiode noch einbringen, hat den Hintergrund, dass die Europäische Kommission am 28. Januar 2010 beschlossen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, um die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen.

Es geht darum, dass diese Regelung, die wir auch hier im Land und in den Bundesländern haben, nicht mit der am 1. Mai in Kraft getretenen EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im Einklang steht. Wichtig dabei ist: Danach haben auch berufstätige EU-Bürger einen Anspruch auf Sozialleistungen ihres Beschäftigungslandes, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Wohnort und ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Das gilt auch für Familienangehörige eines in Sachsen-Anhalt Beschäftigten und im EU-Ausland Wohnenden sowie für Rentner, die im EU-Ausland leben. Auch deren Familienangehörige können nach dieser Verordnung einen Anspruch auf Blinden- und Gehörlosengeld haben.

Diese EU-Verordnung soll nun in Landesrecht umgesetzt werden. Zur Höhe der Kosten haben wir keine Angaben. Das kann nur abgeschätzt werden. Wir gehen davon aus, dass es nur geringe Kosten sein werden; denn für uns ist zurzeit noch gar nicht überschaubar, wen das tatsächlich treffen könnte. Aber es muss zumindest EU-rechtskonform sein.

Die Arbeits- und Sozialminister hatten zwar am 17. Februar 2010 im Umlaufverfahren beschlossen, dass sie das prüfen wollen und dass sie in ihren Ländern klarstellende Regelungen schaffen wollen. Trotzdem hat am 30. April die Kommission die Bundesrepublik verklagt. Von daher ist es jetzt zwingend notwendig, dass wir das noch in diesen Monaten über die Runden bringen und unser Blinden- und Gehörlosengesetz mit der EU-Verordnung kompatibel machen.

In diesem Sinne wünsche ich eine konstruktive und zügige Beratung. Ich schlage vor, dass man das gleich in den Ausschuss für Soziales überweist. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)