Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Hierzu möchte ich nur eines sagen: Ich möchte an Hamburg erinnern; denn ich glaube, das ist uns Zeichen genug, um zu sehen, was bei einer solchen Veränderung herauskommen kann.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die ständige Diskussion über die Schullaufbahnempfehlung nur anreißen. Es gab sie mal unabhängig vom Elternwillen, mal unter Berücksichtigung des Elternwillens - wir alle wissen das; das muss ich an dieser Stelle nicht vortragen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Förderstufe eingehen, die damals von Rot-Rot-Grün eingeführt worden ist und zu der jetzt immer diese tollen Ergebnisse aufgezeigt worden sind. Ich möchte darauf hinweisen, dass das nicht so ist. Wir sollten uns die Zahlen wirklich genauer ansehen. Im Gegenteil! Wir alle wissen, dass die Kritik an der Förderstufe riesengroß war. Damals hat man sich das Land Niedersachsen als Vorbild genommen; dass dann auch Niedersachsen die Förderstufe abgeschafft hat, war zwangsläufig, auch aufgrund der Kritik aus der Bevölkerung heraus.

Auch heute haben die Schulen zahlreiche inhaltliche Veränderungen vornehmen müssen: schulinterne Lehr

pläne, flexible Schuleingangsphase und die zunehmende integrative Beschulung.

Zu den Sonder- und Förderschulen. An dieser Stelle möchte ich kurz verweilen. Ich möchte zuerst die Frage nach dem sozialen Charakter der DDR stellen; denn die DDR kannte kein ausgeprägtes Sonderschulwesen. Viele geistig Behinderte galten als nicht beschulbar; sie bekamen keinerlei Bildungschancen. In diesem Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde in den letzten 20 Jahren Erhebliches erreicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben heute ein differenziertes Angebot an Förderschulen. Ich bin allen Landesregierungen durchweg dankbar dafür, dass unsere Förderschulen gut ausgebaut sind, dass wir ein gutes Netz haben und dass sich unsere Schüler dort gut aufgehoben fühlen.

(Zustimmung von Frau Rotzsch, CDU)

Im Zusammenhang mit dem Bekenntnis zu der UN-Konvention zur Inklusion werden wir in diesem Hause bezüglich der Zukunft der Förderschulen noch einige Diskussionen führen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wir haben ein gut ausgeprägtes Netz an Förderschulen, die wirklich auch individuelle Förderung anbieten. Das können andere Länder so nicht vorweisen, die uns auffordern, an dieser Stelle mehr zu tun. Wir sollten uns in Zukunft vielleicht besser informieren, wenn es um die Diskussion bezüglich der Inklusion geht. Denn die Länder, die uns am stärksten kritisieren, haben keine Förderschulen, so wie wir sie hier installiert haben. Aber das möchte ich nur anreißen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Was war jetzt die Bot- schaft?)

Zur Sekundarschule. - Ich merke, meine Redezeit ist gleich zu Ende. - Unsere Sekundarschule mit dem Hauptschul- und Realschulbildungsgang ist die Schulform, die selbst von anderen Bundesländern mittlerweile nicht selten in ihre Struktur übernommen wurde. Wir haben die Sekundarschule mit dem Hauptschul- und Realschulbildungsgang damals eingeführt. Ich habe eben schon betont, dass sie heute Vorzeigeschulform auch für die alten Bundesländer ist. Die bildungspolitische Entscheidung zugunsten der Sekundarschule war damals vermutlich die weiseste und weitsichtigste Weichenstellung überhaupt.

Die Sekundarschule hat dennoch Veränderungen zuhauf erfahren. Damals wollte Rot-Rot den Hauptschul- und Realschulbildungsgang aufheben. Sie richteten die so genannten A-und B-Kurse ein. Was das für ein wildes Durcheinander an den Schulen war, muss ich hier, glaube ich, niemandem mehr erläutern. Die Eltern haben überhaupt nicht mehr durchgesehen, wohin ihr Kind nun eigentlich gehört. Die Kritik war so massiv, dass wir nach der Regierungsübernahme den richtigen Schritt getan haben und diese A- und B-Kurse wieder abgeschafft haben.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Zum Gymnasium. In der DDR durfte nur ein geringer Anteil von ca. 9 bis 11 % der Schüler das Gymnasium besuchen. Wer in der Regel Zugang zum Gymnasium hatte, wissen Sie alle selbst. Heute sind es fast 50 %. Mutig bzw. weitsichtig war der Schritt, die Gymnasiallaufbahn

auf acht und nicht, wie damals in den alten Bundesländern, auf neun Jahre anzulegen. Auch hier haben die alten Bundesländer die Intention der mitteldeutschen Länder mittlerweile übernommen, wie Ihnen bekannt ist.

Leider wurde die Schulzeit - auch das unter Rot-Rot - wieder auf 13 Jahre aufgestockt, wider den europäischen Trend, dem Sie sonst hinsichtlich Ihrer Einheitsschule komischerweise immer wieder folgen. Aber diesbezüglich spielte er plötzlich keine Rolle mehr. Es war zwangsläufig: Mit der Einführung der Förderstufe verringerten sich die Jahre der gymnasialen Laufbahn, was zu dem zusätzlichen 13. Schuljahr führte, das dadurch amortisiert werden sollte.

Zu den Gesamtschulen. Im Jahr 1991 wurden durch die damalige CDU-FDP-Regierung zwei Integrierte Gesamtschulen, IGS, und zwei Kooperative Gesamtschulen, KGS, als Modellschulen eingeführt, die später durch die rote Landesregierung als Regelschulform anerkannt worden sind. Auch als Regelschulform, meine sehr verehrten Damen und Herren, verharren die Gesamtschulen in einer für sie und ihre Promotoren bedrückenden Minderheitenposition. Daran vermochte auch die Regierungszeit der SPD mit den Grünen und der PDS so gut wie nichts zu ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All diese Schilderungen machen deutlich, dass es eine kluge Entscheidung war, in der jetzigen Koalition zu vereinbaren, keine Schulstrukturveränderungen vorzunehmen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn es hat sich gezeigt, dort, wo an einer qualitativen inhaltlichen Verbesserung dieses Schulsystems gearbeitet wurde, aber an den bewährten Strukturen festgehalten wurde, stehen die Schulen bei allen Untersuchungen am besten da.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass unsere Schulen keine Experimentierorte zur Umsetzung politischer Ideologien werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen ein leistungsorientiertes System, das qualitativ gute Abschlüsse hervorbringt. Eine Politik, die ständig Unruhe in das System bringt, wird solche Erfolge nicht vorweisen. Zumindest das haben wir, glaube ich, aus der Vergangenheit gelernt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Feußner, für Ihren Beitrag. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Meine Damen und Herren! Damit haben wir die beiden Themen der Aktuellen Debatte abgearbeitet und können den Tagesordnungspunkt 25 verlassen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite Beratung

Wirtschaftspolitik endlich nachhaltiger gestalten

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2643

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - Drs. 5/2856

Die erste Beratung fand in der 78. Sitzung des Landtages am 18. Juni 2010 statt. Ich darf dem Berichterstatter Herrn Tilman Tögel das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Tögel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Hohen Haus liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zum Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Überschrift „Wirtschaftspolitik endlich nachhaltiger gestalten“ vor.

Die erste Beratung fand in der 78. Sitzung des Landtages am 18. Juni 2010 statt und der Antrag wurde zur Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen.

In der 60. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 15. September 2010 tauschten die Fraktionen ihre Positionen zu dem Antrag aus und fassten mit großer Mehrheit den Beschluss, den Antrag abzulehnen.

Bei der Beratung im Ausschuss beantragte zunächst die Fraktion DIE LINKE, den Antrag unverändert zu beschließen, und ließ wissen, dass ihrerseits keine Veranlassung zu einer Änderung des Antrages gesehen werde. Allerdings werde bedauert, dass seitens der Koalitionsfraktionen keine Kompromissangebote gemacht würden.

Die CDU-Fraktion lehnte den Antrag strikt ab und machte deutlich, dass sie ihn nicht nur für tendenziös, sondern zum Teil auch für falsch halte. Die Schlussfolgerungen, die in der Begründung des Antrages gezogen worden seien, ließen nichts anderes als eine Ablehnung zu. Die Frage der einbringenden Fraktion, warum der Landtag den Antrag in der ersten Lesung nicht gleich abgelehnt habe, wurde seitens der CDU-Fraktion dahin gehend beantwortet, dass man noch auf einen Läuterungsprozess bei dem Einbringer gehofft habe.

Als wirtschaftspolitisch unverantwortlich bezeichnete ein Vertreter der SPD-Fraktion die in dem Antrag gestellte Forderung an die Landesregierung. Beispielsweise sei der Punkt der konsequenteren Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze grundsätzlich das Ziel aller Wirtschaftsförderung, aber in der Betrachtung des Einzelfalls - sowohl gesamtwirtschaftlich als auch einzelbetrieblich - könne er eine schwere Fehlentscheidung sein. Beim Abbau von Arbeitsplätzen könne man durch eine größere Wettbewerbsfähigkeit sehr wohl auch Arbeitsplätze erhalten.

Zur Frage der Vergabe von Fördermitteln - in dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, neben der ordnungsgemäßen Verwendung der Fördermittel vor allem die nachhaltige Wirksamkeit für die regionale Entwicklung zu hinterfragen - machten die Vertreter der Koalitionsfraktionen deutlich, man werde, sofern es die Haushaltslage hergebe und die Sachsen-Anhalt umgebenden Wettbewerbsstandorte Mitteldeutschland und Niedersachsen dies auch so tun, Unternehmen, die Beschäftigung schaffen oder sichern, mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützen.

Durch eine größere Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt eines Unternehmens in Sachsen-Anhalt werden auch Arbeitsplätze in anderen Unternehmen, wie Zulieferern und Dienstleistern, zum Teil sogar hochqualifizierte Arbeitsplätze in Forschungsinstituten unseres Landes

gerettet. Bevor ein Unternehmen abwandere, mache eine Förderung Sinn. Das Ansinnen des Antrages sei schädlich für Sachsen-Anhalt und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Zu der Aufforderung an die Landesregierung, für eine höhere Akzeptanz tariflicher Entlohnung zu werben, argumentierte die CDU-Fraktion, dass derjenige, der sich ernsthaft mit dem Thema befasse, wisse, dass der Wirtschaftsminister landauf, landab für eine höhere Tarifbindung werbe.

Abschließend ließ die CDU-Fraktion wissen, dass der Antrag aus ihrer Sicht Wahlkampfklamauk sei.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit beschloss mit neun Jastimmen und drei Gegenstimmen, den Antrag abzulehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses Ihre Zustimmung zu erteilen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tögel, für die Berichterstattung. - Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Wir kommen zur Debatte. Als erstem Debattenredner erteile ich Herrn Dr. Thiel von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Opposition Anträge in den Landtag einbringt und das Glück hat, dass diese in die Ausschüsse überwiesen werden, dann hoffe man auf Läuterung.

(Herr Gürth, CDU: Jeder kriegt eine zweite Chan- ce!)