Protokoll der Sitzung vom 06.10.2011

Ich lese den Antrag auch so, dass er ernst nimmt, was die Politik tut, und sagt: Was die Politik tut, muss die Politik auch qualitativ bewerten. Es reicht nicht, dass wir Dinge tun und Dinge veranlassen. Wir müssen auch nach einer bestimmten Zeit überprüfen, ob diese Handlungen die Erträge bringen, die wir haben wollen. Das ist der Gegenstand des Antrags der Fraktion DIE LINKE, wie ich ihn lese.

Ich muss Ihnen sagen, dem werden wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, weil wir

gerade die Verzahnung zwischen den Kitas und den Grundschulen für einen sehr wichtigen Übergang in der Bildungsbiografie von Kindern halten, weil es nämlich die erste Hürde eines möglichen Scheiterns in einer Bildungsbiografie ist und weil es ein grünes Politikprinzip ist, dass man das, was man tut, eben auch evaluiert.

Herr Kollege Weigelt hat sehr schön dargelegt, dass in der Tat Evaluation etwas anderes ist als einfaches Berichten. Der Antrag der regierungstragenden Fraktionen sieht einfach nur ein Berichten vor. Wir lassen uns, glaube ich, im Ausschuss immer gern berichten und sind dann diskussionsbereit. Aber an dieser Stelle reicht uns das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum uns das nicht reicht. Was heißt denn Evaluation? Da geht es nicht um einen irgendwie formalisierten Prozess. Evaluation heißt in diesem Fall, klar zu sagen, was das Ziel der Zusammenarbeit zwischen den Kitas und den Grundschulen ist. Dafür muss man eine sehr genaue Zieldefinition vorlegen. Das allein ist manchmal schon erhellend. Dann muss man Bewertungskriterien definieren, also sagen, wann dieses Ziel auf einem guten Weg ist und wann es nicht auf einem guten Weg ist. Und dann muss man systematisch vorgehen. Auch das gehört zum Wesen der Evaluation. All das erfüllen kursorische Erfahrungsberichte im Ausschuss eben nicht.

Selbstverständlich müssen wir uns, wenn wir eine Evaluation vornehmen, überlegen, wie es dann weitergehen soll. Wie wollen wir den Übergang künftig gestalten? Wie können wir sozusagen eine Annäherung zwischen diesen verschiedenen Lernkulturen oder Lernkulturtraditionen in Kita und Grundschule noch besser gestalten, als es schon heute der Fall ist.

Selbstverständlich hat es dann auch etwas mit der Fortbildung der Akteure in den Einrichtungen zu tun - diesbezüglich müssen wir uns doch nichts vormachen -, wenn wir in diesem Bereich etwas bewegen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass die Akteurinnen und Akteure in den Kitas und in den Grundschulen vor Ort froh sind, wenn wir Ihnen eine entsprechende Fortbildung mit auf den Weg geben.

Also wir unterstützen den Antrag der LINKEN, wir sind dankbar für diesen Antrag. Und wir lehnen den Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke, Frau Professor Dalbert. - Für die SPDFraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ins Feld führen, dass wir an 528 Standorten Grundschulen betreiben und dass es im Land mehr als 1 600 Kita-Standorte gibt.

Allein an diesem Mengenverhältnisses wird eigentlich deutlich, dass die Kooperation nicht 1 : 1 läuft. Man hat - das wurde bereits beschrieben - unter anderem die Situation, dass mehrere Kitas in eine Grundschule einschulen. Im günstigsten Fall hat man in kleineren Ortschaften noch die herkömmliche Form, dass eine Kindergartengruppe in die Grundschule geht. In diesem Fall kann man die Kooperation natürlich ganz anders aufbauen. Es gibt auch Einzelfälle, in denen die Kinder aus dem Elternhaus kommen und im Vorfeld der Grundschule keine Kita besucht haben.

Wir wollen mit unserem Änderungsantrag auch in Erfahrung bringen, wie sich die Kooperation an dieser Schnittstelle entwickelt hat und was wir verändern wollen. Es ist nicht so, dass wir auf dem derzeitigen Stand stehen bleiben.

Wir alle in dieser Runde wissen, dass die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten der Kinder im Vorschulalter beginnt. Kinder erkunden ihre Welt selbst. Die Kitas haben also lediglich die wichtige Aufgabe, die Kinder durch Entdecken und Erforschen selbständig Bildung generieren zu lassen.

Es geht also nicht primär darum, vorbereitend für die Schule zu üben oder manchmal auch durch Stress verursachende Handlungen auf die Schule vorzubereiten. In der Tat gibt es auch bei dem Thema Elternarbeit noch unterschiedliche Ansätze. Ich denke, dieses Thema wurde auch von den Vorrednern schon ganz gut bedient.

Der Auftrag der Kitas bezieht sich also vielmehr darauf, die Kompetenzen der Kinder für das Leben zu stärken. Sie alle wissen, dass sich die Mengenlehre zum Beispiel auch sehr gut beim Tischdecken erlernen lässt; denn es muss etwa errechnet werden: Wie viel Besteck und wie viele Teller und Tassen werden für die Gruppe gebraucht, wenn heute Paul und Ina fehlen? Das ist nur ein kleines Beispiel.

Wir alle in dieser Runde wissen auch, dass gebildete Kinder - diese möchten wir haben - auch gebildete Pädagogen brauchen. An dieser Stelle möchte ich hervorheben, dass sich das Land diesbezüglich sehr gut auf den Weg gemacht und die Erzieherinnen oder Fachkräfte der Kitas in Fortbildung gebracht hat. Diese Fortbildungen werden vor Ort als sogenannte Inhouse-Seminare ermöglicht, und zwar vor dem Hintergrund der groß angelegten Qualifizierungsmaßnahme, die in diesem Hause beschlossen wurde und mit Mitteln der EU gefördert wird.

Wir wissen auch, dass das Programm „Bildung elementar“ bereits eine Zwischenevaluation erfahren hat und überarbeitet wurde, um die Lücken zwischen der Theorie und der Praxis zu schließen. Ich gehe davon aus, dass die Fachkräfte der Kitas sowohl den Rahmenplan als auch die Richtlinien der Grundschulen kennen sowie mit der flexiblen Schuleingangsphase vertraut sind. Wir wissen auch, dass der Übergang rechtzeitig beginnen muss. Der Minister hat von etwa eineinhalb Jahren gesprochen.

Die unterschiedlichen Kooperationsmöglichkeiten hatte ich eingangs kurz beschrieben. Es gibt natürlich die Möglichkeit, Sichtstunden oder Schnupperstunden durchzuführen, die Vorschulkinder zu Schulfesten einzuladen und weitere Maßnahmen in Absprache zwischen den Grundschulen und den Kitas durchzuführen.

Es ist natürlich immer eine günstige Situation, wenn die Kita-Kinder frühzeitig die zukünftige Vertrauensperson in der Grundschule, nämlich die Klassenlehrerin, kennenlernen. Das ist nicht in jedem Fall möglich, weil der Lehrereinsatz manchmal auch erst kurz vor dem Schuljahresbeginn beraten oder besprochen wird. Ich denke, dass es hierbei Optimierungsbedarf gibt.

Einen Fort- und Weiterbildungsbedarf sehe ich in der Tat für beide Professionen. Wir haben hierfür unterschiedliche Voraussetzungen. Für den Lehrerbereich gibt es die sogenannten Schilf-Tage. Die Kitas können für Fortbildungen nicht einen Tag schließen. Ich hatte das Programm angesprochen. Die Erzieherinnen qualifizieren sich oftmals an den Wochenenden. Diesbezüglich gibt es also auch eine unterschiedliche Vorgehensweise.

Ich möchte auch anhand guter und bekannter Beispiele darauf hinweisen, dass sich beide Professionen schon gut auf den Weg gemacht haben, indem zum Beispiel regelmäßig ein gemeinsamer Jugendhilfefachtag organisiert wird oder indem die Grundschulen zur Bildungsmesse Kita eingeladen werden. Diese beiden Beispiele führe ich aus meinem Wahlkreis Wittenberg an. Das geschieht nicht erst seit kurzer Zeit; vielmehr hat sich hierbei schon eine gute Tradition etabliert.

Es ist also wichtig, über Kenntnisse von der inhaltlichen Arbeit der jeweils anderen Seite zu verfügen. Das ist keine Frage. Es ist auch anzuerkennen, dass die Professionen unterschiedlich arbeiten müssen. Das Thema mit der Augenhöhe würde ich in der Tat noch etwas differenziert sehen; denn ich bin der Meinung, dass die Erzieherinnen ihre Grundhaltung und ihr Selbstbewusstsein in den letzten Jahren tüchtig entwickelt haben, sodass sich dafür in der Zukunft noch ein ganz anderer Ansatz für beide Professionen ergibt.

Ich denke, dass wir unterschiedliche Aufgaben haben, die für beide Bereiche gelten, aber auch viele

Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Bildungsziele. Mit unserem Änderungsantrag möchten wir darauf hinwirken, dass die inhaltlichen Ebenen enger abgestimmt werden, und möchten darüber beraten, was wir unter der großen Überschrift „Beste Bildung von Anfang an“ verändern, weiterentwickeln und verbessern wollen. Ich bitte um Zustimmung zu dem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Bull, möchten Sie darauf etwas erwidern?

(Frau Bull, DIE LINKE: Nein!)

- Nein, Sie möchte nicht erwidern. - Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/437 und zur Drs. 6/460 ein. Zu Beginn müssten wir aber klären, was Sie, Herr Weigelt, beantragt haben. Sie haben gesagt, sie wären für eine Überweisung des Änderungsantrags in den Ausschuss. Das geht nicht.

(Zurufe von der CDU)

- Aha. - Wenn der Änderungsantrag in den Ausschuss überwiesen werden soll, dann ginge das nur zusammen mit dem Ursprungsantrag. Hierbei handelt es sich jedoch um einen klassischen Direktabstimmungsantrag.

Dann stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag in der Drs. 6/460 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Mit einiger Verzögerung haben die Koalitionsfraktionen zugestimmt. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über den Ursprungsantrag in der soeben geänderten Fassung ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Antrag in der soeben geänderten Fassung angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Landwirtschaftliche Sozialversicherung

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/442

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Daldrup. - Ist er nicht da? - Ich würde ganz kurz unterbrechen; bleiben Sie bitte im Saal. Ich schlage vor, wir behandeln den Antrag unbedingt noch.

(Herr Borgwardt, CDU: Darf ich, Frau Vorsit- zende?)

- Zur Geschäftsordnung?

Ich wollte das nur unterstützen: Er ist jetzt da, wo man gelegentlich nur allein hingeht. Wir lassen ihn gerade rufen.

(Zuruf von der LINKEN: Jetzt ist er sogar hier!)

Herr Daldrup, Sie sind an der Reihe.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich entschuldige mich für die Verspätung.

Landwirtschaftliche Sozialversicherung - ein Sondersystem der Sozialversicherung, das es seit vielen Jahren gibt, das aber auch ständigen Reformen und ständigen Veränderungen ausgesetzt ist, wie wir alle wissen. Ein sehr kompliziertes System, das einerseits die Unfallversicherung, andererseits auch die Pflege-, Alters- und Krankenkasse umfasst.

Worum geht es eigentlich bei der Krankenkasse und bei dem, was wir hier als Antrag formuliert haben? - Es geht darum, dass der Bund die landwirtschaftliche Sozialversicherung reformieren, sie an Gegebenheiten der Zukunft anpassen und einen einheitlichen Beitragsmaßstab in der Bundesrepublik einführen möchte, der den Strukturen und den Größenklassen der landwirtschaftlichen Betriebe entspricht.

Darüber, ob dies in Deutschland der richtige Weg ist, lässt sich trefflich streiten, weil Strukturen und Betriebsverhältnisse in Deutschland deutlich unterschiedlich sind, wie wir alle wissen. So haben wir in den neuen Bundesländern die Rechtsformen des familiären Einzelbetriebs, Genossenschaften, Kapitalgesellschaften, Aktiengesellschaften und vieles mehr und in den alten Bundesländern nach wie vor im Wesentlichen familiäre Einzelbetriebe.

Von den etwa 3,7 Milliarden €, die der Bund jedes Jahr in die landwirtschaftliche Sozialversicherung steckt - das ist eine erhebliche Summe, das ist über die Hälfte des Gesamtbudgets -, fließen weniger als 40 Millionen € in die neuen Bundesländer, also in die LBG MOD, in die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland. Daran kann man schon sehen, wie die Verhältnisse sind. Der wesentliche Teil dieser Bundesmittel fließt nach Süddeutschland, weil dort die „Altlasten“, sagen ich einmal, also die Familienbetriebe und damit die Familienangehörigen als Versicherte eine große Anzahl ausmachen.

Was will der Bund? Er möchte diesen Bundesträger etablieren und hat gesagt: Okay, wir brauchen eine Übergangszeit bis 2017, und wir sind bereit,

bis 2015 200 Millionen € zusätzliche Bundesmittel zur Verfügung zu stellen.