Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Meine Damen und Herren! Beizubehalten sind auf jeden Fall das System der dualen Ausbildung und der Meisterbrief. Darauf haben wir uns in diesem Landtag mehr als einmal verständigt und wir haben klare Beschlüsse dazu gefasst.

Wir kritisieren, dass sich Ihr Antrag ausschließlich an die Bundes- und die europäische Ebene richtet. Auch im Lande selbst ist der Dialog mit den Interessenverbänden über notwendige Veränderungen kontinuierlich fortzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Fraktion DIE LINKE muss in dieser Frage dieser Regierung keinen Auftrag mehr erteilen. Denn die Messen in Richtung Brüssel sind alle schon gesungen; bis Januar sind die Evaluierungen abzuschließen. Trotzdem werden wir Ihren Antrag nicht ablehnen, sondern uns der Stimme enthalten, weil die Auflistung dessen, was der Landtag zu reglementierten Berufen alles beschließen soll, eine Mischung aus richtigen Feststellungen und dem Festhalten an starren Regeln beinhaltet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Thiel, für Ihren Beitrag. - Für die CDU erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Thomas das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Zunächst freut es mich außerordentlich, dass wir uns heute, auf der vorletzten Sitzung der aktuellen Legislaturperiode, noch einmal mit diesem Thema beschäftigen. Das Thema „Freie Berufe“ ist bei Weitem nicht so einfach, wie es sich vielleicht liest; denn es geht hierbei um nichts anderes als um die Zukunft der freien Berufe in Deutschland und auch um die Zukunft der freien Berufe in Sachsen-Anhalt. Es geht um bewährte Standards, es geht um Qualifizierung, um Ausbildung und nicht zuletzt auch um den Verbraucherschutz.

Das ist in der Tat ein wichtiges Thema. Ich sage das nicht nur, weil ich selbst von Hause aus Freiberufler bin, sondern auch, weil es ein hohes Interesse unter den Freiberuflern gibt. Es freut mich deswegen ganz besonders, dass wir mit der Präsidentin Frau Meisel und dem Geschäftsführer

Herrn Kruppa zwei maßgebliche Vertreter des Landesverbandes der Freien Berufe heute hier begrüßen können. Auch das zeugt von dem großen Interesse, das man der heutigen Debatte beimisst.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich freue mich auch, dass unser Koalitionspartner unseren Antrag mit eingebracht hat. Das zeigt, dass wir bis zum Schluss handlungsfähig sind und erkennen, was wichtig ist.

Herr Thiel, Sie sprachen von „letzten Metern“. Wir sind aber eigentlich auf den ersten Metern, wenn es um die Novellierung dieser Angelegenheiten geht; denn es handelt sich um einen dynamischen Prozess. Auch Sie hätten die Möglichkeit gehabt, zu gegebener Zeit hier mit einem entsprechenden Antrag zu glänzen. Das haben Sie nicht getan. Überlegen Sie, ob Sie heute nicht vielleicht doch unseren Antrag im Sinne der freien Berufe unterstützen können.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat im Jahr 2011 einen Vorschlag zur Modernisierung der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vorgelegt. Die Umsetzung in nationales Recht hatte bis zum 18. Januar 2016 zu erfolgen. Diese Frist ist also bereits verstrichen.

Grundsätzlich ist die Absicht der Kommission zu begrüßen, den Binnenmarkt zu stärken und die Mobilität der Arbeitnehmer zu erleichtern. Aus deutscher Sicht ist gleichzeitig hervorzuheben, dass nur eine sehr gute Qualität der Dienstleistungen den Binnenmarkt und die Innovationsstärke Europas wirklich unterstützen kann.

Meine Damen und Herren! Für den Bürger ist der Verbraucherschutz das entscheidende Kriterium für die Akzeptanz europäischer Regelungen. Dabei ist die zentrale Herausforderung für uns, das richtige Verhältnis zwischen der Regulierung und der Harmonisierung der Märkte zu finden. In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, dass die anerkannt hohe Qualität der deutschen Produkte und Dienstleistungen erhalten bleibt - nein, mehr sogar: zum Maßstab für ganz Europa wird.

Genau aus diesen Gründen wollen und müssen wir mit Außenmaß den Leistungs- und Qualitätswettbewerb im deutschen Mittelstand und in unserem speziellen Fall der freien Berufe fördern.

Nicht nur laut Statistik haben die freien Berufe eine wichtige ökonomische Bedeutung, die sich anhand aktueller Zahlen von 2015 weiterhin sehr positiv darstellen lässt.

Ich möchte Ihnen das an drei Beispielen verdeutlichen: Wir haben einen Zuwachs in diesem Bereich bei den Selbständigen um 3,5 % deutschlandweit, wir haben deutschlandweit 4,8 Millionen Menschen, die als Selbständige oder Beschäftigte

in den freien Berufen tätig sind und - das halte ich für ganz wichtig, weil es ein neuer Höchststand ist - wir haben in diesem Bereich 122 000 Auszubildende. Das Ganze zusammen erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 381 Milliarden €.

Vor allem aber sind die Dienstleistungen und Produkte der freien Berufe ein beispielhafter Ausdruck des hohen Standards „Made in Germany“. Damit tragen die freien Berufe - ob Ärzte, Hebammen, Psychologen oder Rechtsanwälte - wesentlich zur Wirtschaftskraft unseres Landes, aber auch Europas bei.

Sie werden bei uns in der CDU-Fraktion, aber auch bei den freien Berufen niemanden finden, der sich einer vernünftigen Modernisierung verschließt, erst recht nicht, wenn sie das Gemeinwohl im Auge behält. Deshalb müssen wir darauf achten, dass nicht an sensiblen Stellen die Weichen falsch gestellt werden. Bewährte Standards im Handwerk und in den freien Berufen müssen in einem zukunftsfesten europäischen Binnenmarkt erhalten bleiben.

Das EU-Parlament fordert dies für die transatlantischen Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA ganz selbstverständlich ein. Also verlangen wir auch, dass diese über Jahrzehnte gewachsene Struktur, die so einmalig ist auf der Welt, erhalten bleibt und im Sinne der Sicherung hoher Qualität ausgebaut wird. An dieser Stelle muss sich nicht Deutschland anpassen, sondern Europa.

Das ist aus unserer Sicht eine ganz klare Angelegenheit. Deutschland hat ausgezeichnete Strukturen in der beruflichen Bildung. Der Berufszugang, der bei uns an die Qualifikation und an die handwerkliche Ausbildung gebunden ist, ist vorbildlich in der EU.

Deshalb müssen wir, meine Damen und Herren, diese positiven Aspekte betonen, und sie müssen auch mit entsprechend statistischen Zahlen belegt werden. Aus diesem Grund verfolgen wir mit unserem Antrag das Ziel, die hohen Qualitätsstandards bei den freien Berufen, die über Regelungen im Berufszugang erfolgen, zu bewahren.

Eine von der EU-Kommission vorgesehene Aufweichung dieser Zugangsregeln halten wir für inakzeptabel. Dies wäre ein klarer Angriff auf das hohe Qualifikations- und Qualitätsniveau sowie auf den Verbraucherschutz.

Vielmehr stellt die Zulassungspflicht für die freien Berufe und das Handwerk kein Hindernis für die Mobilität von Selbständigen und abhängig Beschäftigten im europäischen Binnenmarkt dar - ich bin auch gleich fertig -, da durch die modernisierte Richtlinie über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifizierungen ein entsprechender Marktzugang sichergestellt wird.

Deutsche Berufszugangsregelungen sind nicht zu reglementieren, sondern im Sinne hoher Qualitätsstandards und eines hohen Qualifikationsniveaus herauszuheben.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank - Sie haben das Husten gut verstanden - für Ihren Redebeitrag.

Jetzt kommen wir zum Redebeitrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Herr Meister hat das Wort. Bitte schön.

Bevor Herr Meister das Wort erhält, möchte ich die Schülerinnen und Schüler der Seelandschule in Nachterstedt auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Meister, jetzt dürfen Sie.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag der Koalitionsfraktionen ansieht, kann man den Eindruck gewinnen, es bedarf noch unbedingt der Stellungnahme des Landtages von Sachsen-Anhalt, damit die Bundesregierung auf den rechten Pfad geführt wird.

Eigentlich ist dies nicht der Fall, denn der Bundestag hat bereits im Juli vergangenen Jahres im Sinne des vorliegenden Antrags die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Aktuell hat gestern der Wirtschaftsausschuss des Bundestages einen Entschließungsantrag Ihrer Fraktionskollegen im Bundestag behandelt. Aber es spricht natürlich nichts dagegen, einen bereits rollenden Wagen mitzuschieben, wenn man ihn noch zu fassen kriegt.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Auch in anderen Landesparlamenten gab es fraktionsübergreifend ähnliche Anträge.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist für euch ge- nerell neu!)

- Total. - Der Tenor ist meist ähnlich, überspitzt gesagt. Die EU-Kommission möchte in das bewährte deutsche System eingreifen, und wir sind aufgerufen, ihr auf die Finger zu klopfen. Auch die Antwort des heute vorliegenden Antrags lautet ähnlich: Die EU-Kommission kann evaluieren, wie sie will, Hauptsache es bleibt alles so, wie es ist.

Kann man es sich so - ich möchte sagen - verführerisch einfach machen? - Ja, kann man, sollte man aber nicht.

Grundsätzlich spricht erst einmal nichts dagegen, auf europäischer Ebene Regeln anzugleichen und

Zugänge für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zu erleichtern. Für den Menschen ist es auch ein Stück Verbraucherschutz, wenn klar geregelt ist, nach welchen Bedingungen Menschen aus anderen europäischen Ländern in Sachsen-Anhalt tätig sein können.

Darüber hinaus muss dies nicht zwangsläufig eine Einbahnstraße sein. Denn auch Dienstleister aus Sachsen-Anhalt brauchen bei einer Tätigkeit in anderen europäischen Staaten einen verlässlichen und verständlichen Rechtsrahmen.

Wir haben nachher im Tagesordnungspunkt 9, bei der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, einen ähnlich gelagerten Fall, bei dem es allerdings weit weniger Diskurs gab.

Worum geht es aktuell? - Die Europäische Kommission hat am 28. Oktober 2015 unter dem Titel „Den Binnenmarkt weiter ausbauen, mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“ eine Mitteilung vorgelegt, die einen Fahrplan für die Umsetzung der Binnenmarktstrategie darstellt. Mit dieser Initiative sollen unter anderem die Beschränkungen für Architekten, Anwälte, Bauingenieure, Buchprüfer, Fremdenführer, Immobilienmakler und Patentanwälte auf den Prüfstand kommen.

Die Bundesregierung hat damit von der EU-Kommission die Aufgabe bekommen, nachzuweisen, dass die Interessen des Gemeinwohls nur mit den in der Bundesrepublik geltenden Berufsordnungen und Zugangsregelungen gewahrt werden können.

Gerade wenn wir die in Deutschland bewährten Systeme erhalten wollen, müssen wir den Mut haben, sie auf notwendige Veränderungen zu überprüfen. Es kann doch nicht Ihre Überzeugung sein, dass hier überhaupt keine Veränderungen notwendig sind.

Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie wir die Dienstleistungsfreiheit in der EU, als eine der vier Grundfreiheiten, so ausgestalten, dass nationale Standards hoch bleiben, und gleichzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der EU mobiler werden.

Wir haben auch das Problem, dass Inländer teilweise schwieriger Dienstleistungen erbringen können als Wettbewerber aus der EU. Auch hier benötigen wir dringend umsetzbare Lösungen.

Dem grundsätzlichen Anliegen des Antrags können wir durchaus folgen. Auch wir möchten, dass die legitimen Schutzzwecke, insbesondere Verbraucherschutz und Qualitätssicherung, denen die Regelungen des Berufszugangs und der Berufsausübung dienen, beachtet werden. Dies gilt auch für die in einigen freien Berufen geltenden Honorarordnungen und Kapitalbindungsvorschriften.