Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Wir verhehlen natürlich nicht, dass das von mir eben Geäußerte auch Bedingungen sind, zu denen wir agieren wollen. Natürlich ist es ganz wichtig, dass sich der Sitz dieser Transfergesellschaft in Sachsen-Anhalt befindet, damit wir nahe an den Problemen sind und entsprechend helfen können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend - meine Redezeit läuft ab -, weil es auch zur Wahrheit gehört, drei Beispiele dafür nennen, wo es hinführen kann, wenn wir falsch subventionieren.

Ich nenne Ihnen das Beispiel Babcock Borsig. Damals spielte sich Ministerpräsident Clement in Nordrhein-Westfalen als Ritter auf. Ich nenne Ihnen das Beispiel Waggonbau Ammendorf. Damals waren der seinerzeitige Ministerpräsident Reinhard Höppner sowie Bundeskanzler Gerhard Schröder die Ritter vor Ort. Ich nenne Ihnen außerdem das Beispiel Holzmann, bei dem die rot-grüne Bundesregierung mit viel Geld versucht hat, diese Firma am Leben zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Tragischerweise haben diese drei Beispiele eines gemeinsam: Die Firmen sind alle pleite und das Geld ist verloren.

Vor diesem Hintergrund muss es doch erlaubt sein, jegliche Unterstützung zu hinterfragen und dementsprechend zu fragen, ob es wirklich sinnvoll ist oder ob es nicht sinnvoll ist. Letztlich - das sage ich auch in Richtung der LINKEN - haben danach auch die Akteure vor Ort die Wahlen verloren, weil die Leute gemerkt haben, dass ihnen etwas versprochen wurde, was nicht haltbar war.

Das sollte uns Warnung genug sein und unseren ordnungspolitischen Kompass schärfen: Wir müssen wirklich aufpassen, wie helfen wir und womit helfen wir. Deswegen war es für uns ein ganz wichtiges Ziel, keine Steuergelder auszugeben. Das ist bei einer Bürgschaft, wie Sie wissen, nicht der Fall. Deswegen ist der jetzt vorliegende Kompromiss aus unserer Sicht tragbar.

Nichtsdestotrotz möchten wir Herrn Schlecker nicht aus seiner Verpflichtung entlassen. Er gilt als einer der reichsten Männer der Welt. Natürlich - darüber hätte ich mich auch gefreut - müssen wir überlegen, wie wir ihn in Haftung nehmen.

Der Insolvenzverwalter wird das Vermögen von Herrn Schlecker jetzt offenlegen. Natürlich werden wir uns politisch dafür einsetzen, dass Herr

Schlecker zu seiner Verantwortung auch in finanziellen Belangen steht.

Zusammenfassend möchte ich Ihnen noch einmal sagen. Wir stimmen der Transfergesellschaft zu. Wir stimmen auch der Hilfe unter den von mir dargelegten Bedingungen zu.

Ich denke, die Debatte hat gezeigt, dass Sie in diesem Rahmen eigentlich nicht notwendig war, weil das, was wir uns heute erzählt haben, für uns alle eigentlich selbstverständlich ist. Wenn Not am Mann ist, helfen wir im Rahmen der Möglichkeiten. Das werden wir auch tun.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche vor allem der Firma Schlecker und den Beschäftigten für die Zukunft alles Gute. Wir werden bei diesem Thema in enger Abstimmung mit der Landesregierung am Ball bleiben und werden natürlich zusehen, dass wir Ergebnisse vorzeigen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Thomas. - Es liegt eine Reihe von Wortmeldungen vor. Ich erlaube mir einen Hinweis auf den Zeitplan, der Ihnen auf den Tischen vorliegt. Ich bitte, das voraussichtliche Ende der heutigen Sitzung zu korrigieren auf ca. 19.30 bis 19.45 Uhr.

Wir arbeiten jetzt die Wortmeldungen ab. Zu diesem Tagesordnungspunkt werde ich dann aber keine weiteren mehr zulassen. Die erste Frage kommt von Herrn Kollegen Thiel. - Möchten Sie diese beantworten, Herr Thomas?

Herr Präsident, es geht doch nichts über Lebendigkeit im Parlament. Dann macht es doch Spaß, dabei zu sein.

Lieber Kollege Thomas, ich habe 1989 meine planwirtschaftlich benebelte Brille abgesetzt. Damit bin ich seit dieser Zeit gut gefahren mit Blick auf die Dinge, die sich im tagtäglichen Leben entwickeln, mit kritischem und optimistischem Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Deswegen tue ich es als Polemik ab, was Sie uns vorgeworfen haben. Ich denke zum Beispiel an die völlig ordnungsunpolitischen Rangeleien der CDUMinisterpräsidenten, als es um die Opel-Rettung ging. Ich denke beispielsweise an die völlig ordnungsunpolitische Initiative von Ministerpräsident Haseloff zur Rettung der Solarindustrie. Es gibt noch weitere Beispiele, die zeigen, dass uns einiges wichtig ist.

Ich habe aber auch eine konkrete Frage an Sie. In Ihrer Pressemitteilung haben Sie den schönen Satz gesagt: Die gesunden Regeln von Markt und Wettbewerb sind nicht außer Kraft zu setzen. Ich habe versucht, eine Debatte darüber zu führen, in welchen Bereichen Politik Verantwortung trägt und in welchen Bereichen die Politik Lücken bei den Rahmenbedingungen gelassen hat, damit sich Unternehmen in der Marktwirtschaft bewegen. Dabei stellen Sie offenbar überhaupt keine Defizite fest. Das hätte ich gern noch einmal von Ihnen erläutert.

Zunächst einmal möchte ich etwas zu der von Ihnen erwähnten Opel-Rettung sagen. Ich kann mir vorstellen, dass sich der seinerzeitige Ministerpräsident deswegen um die Opel-Rettung gekümmert hat, weil im Wahlprogramm der Linken von einer Verstaatlichung von Opel die Rede war.

(Zurufe von der LINKEN)

Da wir alle 20 Jahre lang Trabbi gefahren sind, wollten wir das sicherlich nicht wieder so haben. Insofern kann ich den Kollegen verstehen.

Kollege Thiel, wir haben ein Wirtschaftsmodell, das sich „soziale Marktwirtschaft“ nennt. Nennen Sie mir ein Wirtschaftssystem auf der Welt, das besser funktioniert als das Wirtschaftssystem in Deutschland. Nennen Sie mir nur ein Beispiel. Schauen wir nach Nordkorea, nach Kuba oder nach China, wo Sie Ihre Vorstellungen am ehesten verwirklicht sehen. Nennen Sie mir bitte ein Beispiel.

Insofern kann ich uns allen nur raten, die soziale Marktwirtschaft so zu nehmen, wie sie ist, und möglichst wenig regulierend einzugreifen, weil sie sich über Jahrzehnte hinweg bewährt hat. Die Welt beneidet uns darum.

Wir sollten uns davor hüten - das möchte ich an dieser Stelle sagen -, negative Beispiele, die es in Deutschland immer wieder geben wird, zur Grundlage für die Ausrichtung unserer Wirtschaftspolitik zu machen. Wir sollten uns eher an Unternehmen orientieren, die den Markt positiv bedienen und Arbeitsplätze schaffen. Bei denen sehen wir, ob es funktioniert. Wir können aber doch nicht unsere Wirtschaftspolitik darauf ausrichten, wenn ein Unternehmer falsche Entscheidungen trifft, das durch staatliche Sanktionen auszugleichen. Das funktioniert nicht. Das hat noch nie funktioniert. Das wissen Sie auch. Das wird auch zukünftig nicht funktionieren. Kombinate und VE-Betriebe sind keine Lösungen.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Kollege Thomas, Sie haben erwähnt, dass Schlecker immer wieder gern gesehen gewesen sei als Unternehmen, als Arbeitgeber und dergleichen. Kann ich davon ausgehen, dass Ihnen nicht bekannt ist, dass Schlecker jahrzehntelang mehr als 50 % unter Tarif bezahlt hat, dass es bei Schlecker nur Teilzeitstellen gab, dass exorbitant viele Überstunden geleistet wurden und dass sowohl der Landesfrauenrat als auch ver.di bis vor fünf oder sechs Jahren insbesondere am Frauentag Aktionen vor Schlecker-Filialen in diesem Land durchgeführt haben, um gegen diese Zustände zu protestieren? An dieser Stelle oute ich mich als eine der an diesen Aktionen Beteiligten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Geschätzte Kollegin Lüddemann, vielen Dank für diese Frage. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass in der Unternehmensgeschichte von Schlecker nicht alles chic und fein war. Schauen wir uns aber einmal die vergangenen zwei Jahre und den Istzustand an. Es geht schließlich um den Istzustand.

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wurde der Gewerkschafter Horst Gobrecht, seines Zeichens Gewerkschaftssekretär und Handelsfachmann bei ver.di, gefragt: Wird es schwierig sein, Beschäftigte von Schlecker in andere Einzelhandelsunternehmen weiter zu vermitteln? - Auf diese Frage antwortete er: Das muss man sehr genau differenzieren, und das wird eine zentrale Schwierigkeit sein; denn - jetzt kommt der Schlüsselsatz - der Drogeriediscounter Schlecker hat seine Mitarbeiter bislang oft besser bezahlt als viele andere Unternehmen im deutschen Einzelhandel, nämlich mindestens nach Tarifvertrag.

Wir können doch nur den heutigen Stand bewerten, aber nicht den Zustand vor drei oder vier Jahren. Wir müssen doch heute mit dieser Tatsache umgehen.

Bei einem Tarifvertrag sind immer zwei dabei, nämlich Arbeitgeber und Gewerkschaften. Das heißt, die Gewerkschaften haben diesen Vertrag auch unterschrieben. Insofern ist das doch ein legitimer Tarifvertrag. Das heißt, die Leute werden nach den Verhandlungen ordentlich bezahlt.

Wir sollten uns davor hüten, Sachen, die vor zwei oder drei Jahren gelaufen sind und wirklich

schlecht waren, heute wieder hervorzuholen; denn heute haben wir eine vollkommen andere Situation. Man darf doch einmal positiv anmerken, dass sich Schlecker entwickelt hat.

Frau Kollegin Budde.

(Frau Budde, SPD: Nein! Ich habe keine Nachfrage!)

Dann Herr Kollege Gallert.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich spreche als Fraktionsvorsitzender!)

Frau Kollegin Latta.

Sehr geehrter Herr Thomas, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich mich solidarisch mit den Beschäftigten ausgesprochen habe, aber nicht mit dem Unternehmen? Ich denke, in Ihren Ausführungen wurde deutlich, dass Sie nicht ganz verstanden haben, was ich zu Beginn meiner Rede gesagt habe.

Ich nehme das gern zur Kenntnis. Sie müssten mir dann nachher aber noch erklären, was es den Arbeitnehmern bringt, sich mit dem Unternehmen nicht verbunden zu fühlen und das Unternehmen nicht zu stützen, die von diesen Unternehmen letztlich bezahlt werden wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen bei der einen Seite etwas ausschließen, was für die andere Seite erforderlich ist. Ich denke, wir müssen das als Ganzes nehmen und sagen, dass Schlecker ein Arbeitgeber ist, der durchaus gute Löhne bezahlt. Damit tun wir auch den Beschäftigten einen Gefallen. Sie aber sagen, dass Sie sich nur für die Beschäftigten einsetzen wollen und der Arbeitgeber Ihnen egal sei. Das ist zwar auch eine Aussage, aber damit gehen wir am Kern des Problems vorbei.

Eine weitere Frage kommt von Herrn Kollegen Hoffmann.

Herr Kollege Thomas, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Chance hatten, sich mit den von der Landesregierung gestellten Bedingungen hinsichtlich der Transfergesellschaft zu beschäftigen? Das würde ich sehr bedauern; denn über diese Informationen hätte ich auch gern verfügt.

Derzeit ist von elf Transfergesellschaften die Rede, die sich damit beschäftigen. Im Prinzip gibt es also

elfmal diese Infrastruktur. Ist Ihnen bekannt, dass es Gesellschaften in der Bundesrepublik gibt, die eine bundesweite Transfergesellschaft gründen und deshalb nur einmal die Infrastruktur vorhalten und dennoch die entsprechende Dienstleistung in den Regionen anbieten? Als Beispiele nenne ich nur Telekom, Grundig und Philips. Das heißt, man hätte auch in diesem Fall optimieren und somit das Geld effizienter einsetzen können.

Zu Ihrer ersten Frage möchte ich Ihnen sagen, dass ich leider nicht die Ehre hatte, dabei zu sein. Letztendlich habe ich den gleichen Informationsfluss, den Sie haben. Ich bin in den vergangenen Tagen über die neuen Zahlen und über die Anzahl der betroffenen Niederlassungen informiert worden. Letztere hat sich in den vergangenen Tagen verändert. Letztendlich ist aufgrund der sich ändernden Zahlen die Entscheidung getroffen worden, die die Landesregierung gestern verkündet hat, nämlich bei der Transfergesellschaft mit aktiv zu werden.