Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die Bildungsveranstaltung am Vormittag. - Wir werden nunmehr den Abstimmungsprozess über die vorliegenden Anträge einleiten. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden.

Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Sollte dieser keine Mehrheit bekommen, würden wir über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1027 zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Antragsteller selbst. - Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Wir stimmen nunmehr über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/1053 ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktionen der CDU und der SPD und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Dann hat der Alternativantrag die Mehrheit bekommen und der Tagesordnungspunkt ist erledigt.

Es gibt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Herrn Dr. Köck.

Ich möchte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten meiner Fraktion abgeben.

Bitte schön.

Wir werden den Text des soeben gefassten Beschlusses sehr wörtlich nehmen und alles, was die Landesregierung zukünftig mit Blick auf diesen Beschluss tut, abprüfen. Essenzieller Bestandteil ist automatisch das Eckpunktepapier; ob es denn von der Bundesregierung jetzt schon beschlossen ist oder nicht.

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir fahren mit dem Tagesordnungspunkt 8 fort:

Erste Beratung

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1023

Der Gesetzentwurf wird vom Kollegen Kolze eingebracht. Bitte schön, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten und die darin zutage getretene neue Dimension der terroristischen Bedrohung hat der Bundesgesetzgeber die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz und im Rahmen der Reichweite seiner Gesetzgebungskompetenz auch der Verfassungsschutzbehörden der Länder durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz aus dem Jahr 2002 um Auskunftsbefugnisse gegenüber Kreditinstituten, Fluggesellschaften, Post-, Telekommunikations- und Teledienstleistern ergänzt. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz wurde ferner die Befugnis zum Einsatz des IMSI-Catchers eingeräumt.

In Sachsen-Anhalt regelt § 17a des Verfassungsschutzgesetzes die Übermittlung von besonderen Informationen an Verfassungsschutzbehörden. Absatz 1 der Vorschrift verweist auf das Verfassungsschutzgesetz des Bundes und gesteht den Landesverfassungsschutzbehörden dieselben Rechte zu.

§ 17a Abs. 6 des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ermächtigt die Verfas

sungsschutzbehörden dazu, durch technische Mittel den Standort eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes sowie dessen Geräte- und Kartennummer mittels des sogenannten IMSI-Catchers zu ermitteln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In modernen Mobilfunknetzen spielt die Identitätsnummer des Handys, die sogenannte IMSI, eine wichtige Rolle. Mit ihr bucht sich das Handy in die jeweils nächste Basisstation ein, um jederzeit erreichbar zu sein. Die IMSI ist nicht identisch mit der Rufnummer. Sie wird ihr aber beim Verbindungsaufbau zugeordnet. Zur Funktionsweise des IMSI-Catchers nur so viel: Er ist eine mobile Basisstation für Mobilfunk, mit der die Polizei Handys orten kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss zum IMSI-Catcher im Jahr 2006 den Gesetzgeber nicht nur aufgefordert, im Zusammenhang mit der Neuregelung verdeckter Maßnahmen zu prüfen, ob verfassungsrechtliche Vorkehrungen, wie Benachrichtigungspflichten oder Rechtsschutzmöglichkeiten, zu erweitern sind. Es sieht den Gesetzgeber vor allem auch in die Pflicht genommen, sich regelmäßig die Frage zu stellen, ob von neuerlichen Ausdehnungen heimlicher Ermittlungsmethoden, vor allem im Hinblick auf die Grundrechtsposition unbeteiligter Dritter, Abstand zu nehmen ist.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt Dr. Harald von Bose hat in seinen Tätigkeitsberichten die Beachtung dieser Vorgabe nicht nur in der strafrechtlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sondern vor allem auch im Zuständigkeitsbereich des Landesgesetzgebers für unabdingbar gehalten.

Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz werden die Verfassungsschutzbehörden erneut zum Einsatz des IMSI-Catchers ermächtigt. Jedoch wurde auch eine Evaluierung vorgesehen, um den Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes zur Ermittlung der Geräte- und Kennnummer, insbesondere auf die Praktikabilität und die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels hin bis Ende des Jahres 2011 zu untersuchen. Den Evaluierungsbericht des Ministers für Inneres und Sport haben wir Anfang April zur Kenntnis genommen.

Das Ergebnis der Evaluierung ist, dass die Befugnis zum Einsatz des IMSI-Catchers beibehalten werden sollte. Dem Ergebnis der Evaluierung schließen sich die Koalitionsfraktionen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf an.

Der IMSI-Catcher ist ein notwendiges technisches Hilfsmittel, um konspirativ genutzte Kommunikationsverbindungen zu identifizieren. Diese Erkenntnisse können sodann mit den Beschränkungsmaßnahmen nach dem Artikel-10-Gesetz über

wacht werden. Die Regelung ist zur effektiven Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes unverzichtbar und muss daher beibehalten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf eines möchte ich jedoch rein vorsorglich ganz unmissverständlich bereits jetzt hinweisen: Von der Maßnahme sollen nur die Zielpersonen betroffen sein. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach der Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen.

Entsprechend erfolgt auch keine Anfrage zu IMSINummern Dritter bei Netzbetreibern, sodass keine Rückschlüsse auf die entsprechende Mobilfunknummer und die dazugehörigen Anschlussinhaberdaten gewonnen werden können. Die Drittbetroffenen bleiben anonym. Für sie sind über die technischen Zwischenerfassungen hinausgehende Folgen ausgeschlossen.

Eine Anfrage beim Netzbetreiber ergeht nur in dem Fall, dass nach mehrfach übereinstimmenden Messungen und erfolgtem Abgleich feststeht, dass die Zielperson ein bisher unbekanntes Mobiltelefon nutzt. Die Angaben in den verschiedenen Internetforen, dass automatisch auch Kommunikationsinhalte mit erfasst werden, sind schlichtweg unwahr.

Im Evaluierungszeitraum von November 2010 bis Ende 2011 wurde von der Befugnis zum Einsatz des IMSI-Catchers nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht. Der Einsatz erfolgte lediglich in einem einzigen Fall und die Anordnung erging unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die parallelen Maßnahmen des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Es wurde festgestellt, dass der Betroffene eine Vielzahl wechselnder Mobilfunkarten nutzt. Diese waren alle auf nicht existierende Personen registriert. Es ist heutzutage leicht, Prepaid-Karten mit falschen Datensätzen frei zu schalten. In diesem Fall wurde der Catcher eingesetzt, um zu ermitteln, welche bis dahin nicht bekannte Mobilfunknummer der Betroffene nutzt. Und siehe da - im Zuge der Auswertung konnte eine weitere IMSI-Nummer festgestellt und nach entsprechender Genehmigung in die Überwachung einbezogen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesetzesänderung ist dringlich, weil die Befugnis zur Nutzung des IMSI-Catchers gemäß § 31 Satz 2 des Verfassungsschutzgesetzes Ende Juni dieses Jahres außer Kraft tritt. Die Regierungsfraktionen wollen auf die Befugnis zum Einsatz des IMSICatchers als wirksames Instrument für die Verfassungsschutzbehörden nicht verzichten.

Wir bewegen uns im grundrechtsrelevanten Bereich. Dessen sind wir uns sehr wohl bewusst. Durch den Einsatz des IMSI-Catchers können das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und das Grundrecht auf Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses eingeschränkt werden.

Wenn nach dem Grundgesetz oder der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt wird, muss nach Artikel 19 des Grundgesetzes und nach Artikel 20 der Landesverfassung das eingeschränkte Grundrecht benannt werden. Dem Zitiergebot und seiner Warn- und Besinnungsfunktion wird mit § 2 des Änderungsgesetzes Rechnung getragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir ein paar Sätze zur Kostenbelastung für unser Land. Durch die Beibehaltung der Befugnis zum Einsatz des IMSI-Catchers entstehen unmittelbar keine Mehrkosten für den Landeshaushalt. Im Vordergrund steht die rein rechtliche Befugnis zum Einsatz des Catchers durch die Verfassungsschutzbehörde.

Die Verfassungsschutzbehörde unseres Landes verfügt auch nicht über eigene Gerätschaften hierzu. Es muss somit für den Einsatz die Unterstützung anderer Behörden im Verfassungsschutzverbund oder beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Anspruch genommen werden. Der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt sind den Vorjahren hierfür keine Kosten entstanden.

Neben der Beibehaltung der Befugnis zum Einsatz des IMSI-Catchers im Verfassungsschutzgesetz sind redaktionelle Anpassungen notwendig. Das Verfassungsschutzgesetz soll unabhängig von der Bezeichnung des Ministeriums, das für den Verfassungsschutz zuständig ist, gestaltet werden.

Ich bitte Sie um Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Inneres und Sport und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Stahlknecht. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der sehr guten und umfangreichen Einbringung durch den Kollegen Kolze kann ich mich wirklich auf das Wesentliche beschränken. Zunächst möchte ich mich bei den regierungstragenden Fraktionen für die Einbringung des Gesetzentwurfs bedanken, weil wir dadurch sicherstellen, dass das Instrumentarium des IMSI-Catchers unserer Verfassungsschutzbehörde auch über den

30. Juni 2012 und von da an unbefristet zur Verfügung steht.

Ich will ganz kurz auf den Evaluierungsbericht eingehen, den wir Ihnen im März vorgelegt haben. Wir haben den IMSI-Catcher sehr zurückhaltend eingesetzt. Er ist nur einmal zum Einsatz gekommen, und zwar im Zeitraum vom 22. bis 25. Februar 2011. Die Anordnung erging selbstverständlich unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, so wie es in § 17a Abs. 6 des Verfassungsschutzgesetzes festgelegt ist.

Im Zuge des Einsatzes und der Auswertung konnte eine IMSI-Nummer des Betroffenen festgestellt werden. In diesem Zeitraum ist eine Zielperson damit erfasst worden. Die Maßnahmen wurden parallel zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach dem Artikel-10-Gesetz durchgeführt. Das ist auch durch die G10-Kommission gelaufen.

Wir halten den Einsatz des IMSI-Catchers für ein notwendiges technisches Hilfsmittel für den Verfassungsschutz, um eben konspirativ genutzte Kommunikationsverbindungen zu identifizieren. Die dort gewonnenen Erkenntnisse sind die zwingende Voraussetzung für die Verfassungsschutzbehörde, derart verdeckt installierte Verbindungen anschließend mittels einer Beschränkungsmaßnahme nach dem Artikel-10-Gesetz überwachen zu können.

Ich will eine Sache ausräumen. Es wird behauptet, bei dem Einsatz sei ein Notruf nicht möglich. Sie haben eine kurzfristige Funkstörung von maximal acht Sekunden. Danach sind alle anderen Gespräche möglich. Insofern hoffe ich, dass wir das Gesetz jetzt relativ zügig beraten können. Das wäre meine Bitte an alle Fraktionen.

Ich möchte, zumal der Abteilungsleiter Herr Limburg auf der Tribüne sitzt, auch einmal der Abteilung des Verfassungsschutzes an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Ich bitte darum, das an die Kolleginnen und Kollegen weiterzureichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich denke, Sie haben auch gezeigt, dass Sie mit solchen Mitteln sorgsam umgehen. Dafür herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Kollegin Frau von Angern. Bitte schön.