Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Für die Eltern und für die Kinder ändert sich bezogen auf diese Frage sowieso nichts. Es muss eh bezahlt werden. Der Anspruch steht da, es muss bezahlt werden. Dafür werde höchstens ich Dresche vom Landtag bekommen. Wenn Sie sagen, der Minister liegt dermaßen daneben mit seinen Berechnungen, dann habe ich ein Problem. Ich habe schon jetzt ein Problem von rechts, wenn ich auf den Finanzminister schaue.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist nur örtlich gemeint!)

Herr Harms.

Herr Minister, wie werden Sie den Dialog mit den Bürgermeistern fortsetzen, die mit ihren Stadt- und Gemeinderäten viel Sorgfalt in diese kommunale Aufgabe in der Vergangenheit gesteckt haben?

Das ist erst einmal wichtig und richtig. Die Gemeindebene hat sich nicht nur darum gekümmert, sondern hat auch viel hineingesteckt. Wenn wir jetzt von Umstellung sprechen, wie es bis zum Jahr 2003 war oder zumindest Mecklenburg-Vorpommern hat, kann ich manche Verunsicherung verstehen und auch die Frage, warum macht ihr eine Gemeindegebietsreform und jetzt nehmt ihr uns eine Aufgabe weg.

Ich bin überzeugt, dass wir im Verfahren - und dabei vertraue ich auf die kommunalen Spitzenverbände bei all dem Ärger, den man spürt - gemeinsam mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund Regelungen finden, bei denen die Gemeinden am Ende gestärkt hervorgehen könnten, wenn es um Vereinbarungen und Regelungen geht. Das ist eine Verfahrensfrage. Ich vertraue auf die kommunale Ebene, dass sie am Ende nicht blockieren wird, sondern im Interesse der Kinder

mitmachen wird. Das ist auch ein Stück unsere Aufgabe.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Minister. Damit sind die Fragen beantwortet. - Wir steigen jetzt in eine Zehnminutendebatte ein. Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In Kamerun sagt man: „Jedes Kind ist ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt.“ Ich glaube, es ist nicht zu kurz gegriffen zu sagen, solche ähnlichen großen Hoffnungen hat auch die Novellierung des Kinderfördergesetzes in diesem Land ausgelöst. Es war eines der bestimmenden Themen im Landtagswahlkampf. Es hat alle Verbände, alle Eltern, alle die, die in diesem Land an Kinderbetreuung interessiert sind, elektrisiert. Das hat man - Sie haben es schon erwähnt - auch in den sogenannten Dialogforen in diesen Veranstaltungen gesehen.

Dabei muss ich Ihnen, Herr Minister, - Sie haben vorhin viel Lob ausgeteilt - auch einmal ein Lob zurückgeben. Ich meine es ernst. Es war das erste Mal, dass in diesem Land der Versuch unternommen wurde, für diejenigen, die von einem Gesetz betroffen werden, nicht nur eine Vortragsveranstaltung zu machen, sondern wirklich mit ihnen zu diskutieren. Das fand ich sehr gut. Ich war auch bei solchen Veranstaltungen dabei. Es gab auch noch interne Veranstaltungen. Es gab unheimlich viele Runden.

Das Einzige, was ich schade fand, ist, dass der Abschluss nicht richtig geschafft wurde. Am Ende noch einmal zurückzuspielen, warum sich so viel nach der großen Anhörung verändert hat, was sich verändert hat, warum Dinge übernommen wurden, warum nicht, das wäre das Sahnehäubchen gewesen, um diesen Prozess wirklich gut zu gestalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Kommen wir zum Inhalt. Für uns GRÜNE war bei der Novellierung des Kinderfördergesetzes der Faktor Zeit der bestimmende. Wir haben uns davon leiten lassen, mehr Zeit für unsere Kinder in den Einrichtungen zu bekommen, mehr Zeit für die Erzieherinnen, damit sie das vor- und nachbereiten können, was sie an frühkindlicher Bildung mit den Kindern veranstalten wollen, mehr Zeit für Elternarbeit und verantwortungsvolle Leitungstätigkeit.

So haben wir auch unseren Änderungsantrag gestrickt. So sind wir in alle Debatten gegangen. Ich muss sagen - das haben Sie vorausgesagt und es

ist auch tatsächlich so -, ich bin enttäuscht von dem, was ich jetzt nach anderthalb Jahren Debatten über die Kindertagesbetreuung hier vorfinde.

Es ist eine große Novelle, sagen Sie. Ich sage, es ist ein kleines Reförmchen. Denn das, was auf der einen Seite gegeben wird, die Vor- und Nachbereitung, wird auf der anderen Seite gestrichen. Es wird beim Betreuungsschlüssel draufgepackt; das ist richtig. Aber das ist so minimal. Dabei verändert sich wirklich sehr, sehr wenig in der Realität der Kindertagesbetreuung.

(Frau Niestädt, SPD: 53 Millionen € sind doch nicht minimal!)

- Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um das, was am Ende in den Einrichtungen spürbar herauskommt. Das ist ganz, ganz wenig.

(Zurufe von der CDU)

Dieser kleine Aufwuchs im Personalschlüssel ist zu wenig, wenn man wirklich frühkindliche Bildung umsetzen will. Das ist wahr und muss auch einmal gesagt werden.

Wir haben uns das wirklich nicht einfach gemacht. Deshalb haben wir als GRÜNE einen Entwurf vorgelegt, in dem wir sagen, dass wir schrittweise bis 2016 zu Personalbetreuungsverhältnissen in der Kinderkrippe von 1 : 4, im Kindergarten von 1 : 10 und im Hort von 1 : 23 bei einer Bemessungsgrundlage von acht Stunden kommen. Die Kollegin Hohmann hat dies in ihrer Frage vorhin noch einmal deutlich gesagt und auch die Wertigkeit dieser Bemessungsgrundlage von acht Stunden noch einmal herausgestellt. Alles andere ist schlicht und ergreifend verschleiernd und unredlich.

Wir denken, diese Zeit muss dann in den Einrichtungen eingeteilt werden. Dort muss entschieden werden, dauert das Mittagessen länger, brauche ich Vor- und Nachbereitung, wen setze ich für die Leitungstätigkeit ein. Dieses Stundenvolumen muss in der Einrichtung verteilt werden, dort, wo am besten darüber entschieden werden kann, wer für welche Aufgabe wann zuständig ist.

Gestatten Sie mir noch eine kritische Bemerkung: Ich finde das Ergebnis es sehr enttäuschend, auch nach dem, was Sie in den Dialogforen vorgetragen haben. Ich glaube, dabei muss man auch nicht immer die Hirnforscher bemühen, die Sie sehr gern zitieren, Herr Minister. Es ist schade, dass beim Personalschlüssel, auch wenn die Veränderungen nur so minimal sind, nicht im Krippenbereich begonnen wird; denn das ist die Grundlage. Das weiß jede Erzieherin, die ihren Job gut macht, dass man bei den Kleinsten anfangen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will gleich noch auf das Gegenargument eingehen, das immer kommt, wenn ich unsere Vorstellungen darlege. Das ist das Geld. Das, was wir

vorschlagen, kostet insgesamt 60 Millionen € mehr als das, was die Koalition vorschlägt. Das haben wir durchgerechnet. Das ist uns klar.

Ich weiß, dass das viel Geld ist. Das können Sie mir glauben. Das hat auch bei uns in der Fraktion zu Diskussionen geführt. Wir haben uns aber einstimmig dafür entschieden, weil das aus unserer Sicht eines der zentralen Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode ist.

Wenn wir etwas zu sagen hätten, dann würden wir mehr Geld in das System stecken. Es ist aber nicht allein entscheidend, ob man 40 Millionen €, 60 Millionen € oder 100 Millionen € ausgibt. Man kann auch mit 100 Millionen € Mist machen. Es ist wichtig, was dabei am Ende inhaltlich herauskommt.

Wir haben uns die Diskussion nicht leicht gemacht. Im Ergebnis ist etwas herausgekommen, was uns von allen anderen Fraktionen in diesem Hohen Haus unterscheidet. Wir sagen, ein Ganztagsanspruch für alle Kinder beläuft sich auf acht Stunden, für Kinder arbeitender Eltern öder Ähnliches zehn Stunden, wie gehabt; das ist keine Frage.

Wir nehmen die Erziehungspartnerschaft sehr ernst. Wir wollen die Eltern stärker in die Pflicht nehmen, als es andere Fraktionen tun, und sie in Eltern-Kind-Zentren, wohin sich die Kindertagesstätten entwickeln sollen, noch stärker einbeziehen. Wir glauben, wenn beide Eltern zu Hause sind, dann ist es für ein Kind ausreichend, wenn es einen Ganztagsanspruch von acht Stunden hat.

Neben dem Zeitfaktor war es für uns zentral, die Qualität zu verbessern. Ich möchte aufgrund der beschränkten Redezeit nur ein Beispiel nennen, das uns auch von allen anderen unterscheidet: Uns ist die Ernährung unserer Kinder sehr wichtig. Das habe ich schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt. Kindgerechtes Frühstück wird den Einrichtungsträgern jetzt nicht nur empfohlen, sondern sie müssen es anbieten. Das ist verbindlich. Die meisten Einrichtungen in unserem Land bieten es auch schon an.

Wir sagen, es ist wichtig, vollwertiges, kindgerechtes und gesundes Frühstück und Mittagessen anzubieten. Wir glauben, das ist nicht nur eine Frage der Gesundheit unserer Kinder. Ich habe schon bei der Einbringungsrede aus Statistiken über dicke Kinder bei Schuleingangsuntersuchung oder über den Anstieg von Diabetes zitiert. Das will ich an dieser Stelle nicht wiederholen.

Wir glauben aber auch, dass das auch die Frage betrifft, welchen Wert Essen hat, damit Kinder lernen, mit Essen umzugehen. Ich persönlich bin zutiefst davon überzeugt, dass gesundes Apfelkompott vom Süßen See zehnmal besser ist als krankmachende Erdbeeren aus China.

(Oh! bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Ist das eure Politik? Schwarz und Weiß? - Herr Kolze, CDU: Die armen Chinesen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist übrigens auch etwas, was unsere heimische Wirtschaft unterstützt.

Ebenfalls nicht leicht gemacht haben wir es uns bei der Frage der Leistungsverpflichtung. Wir haben mit vielen, auch mit den erwähnten kommunalen Spitzenverbänden, geredet. Wir haben über diese Fragen im Ausschuss geredet. Ich kann keinen einzigen nachvollziehbaren Grund erkennen, der uns dazu bewegen könnte - -

(Frau Grimm-Benne, SPD, tritt an den Ste- nografentisch und bittet den hochgewach- senen Stenografen, die Sicht auf die Redne- rin nicht zu verdecken)

Entschuldigung, Frau Präsidentin.

Die Stuhl- und die Sichtfrage ist jetzt geklärt. Jetzt hören wir wieder zu.

Aber hören konnten Sie mich?

(Frau Grimm-Benne, SPD: Ja, aber ich woll- te Sie auch sehen!)

Also, wie gesagt: Wir haben es uns auch in der Frage der Leistungsverpflichtung nicht einfach gemacht. Wir haben in all diesen Beratungen keinen Grund erkennen können, warum wir von dem seit dem Jahr 2003 bestehenden Zustand, dass die Gemeinden dafür zuständig sind, abrücken sollten.

Ich muss es hier noch einmal erwähnen. Herr Minister, Sie haben es schon angerissen. Nicht zuletzt die Bildung von Einheitsgemeinden ist damit begründet worden, dass die Gemeinden ihre Aufgaben besser umsetzen können. Dazu gehört aus unserer Sicht nicht zuletzt auch die Kinderbetreuung, und zwar insbesondere aus einem inhaltlichen Grund: Wir GRÜNEN stehen für kommunale Bildungslandschaften.

(Herr Schröder, CDU: Es geht um eine inter- kommunale Zuständigkeitsfrage! Die Land- kreise sind auch Kommunen!)

Kommunale Bildungslandschaften leben unter anderem davon, dass alle Akteure vor Ort an Bildungszielen arbeiten. Die Gemeinden sind für die Grundschulen zuständig. Ich glaube, wir müssen noch einiges tun, um den vielzitierten Übergang von der Kita in die Grundschule und um die Zusammenarbeit mit dem Hort besser zu gestalten. Dazu ist es aus unserer Sicht nötig und sinnvoll, es in einer Hand zu belassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist dankenswerterweise schon erwähnt worden, dass einige unserer Vorschläge übernommen wor

den sind. Die Inklusion ist verstärkt worden. Die Kinder sind bei der Gestaltung und Organisation des Alltags in ihrer Kindertageseinrichtung mit einzubeziehen. Sie dürfen mit entscheiden. Es wird eine Landeselternvertretung eingerichtet.

Ich sehe, dass jetzt hier „Ende der Redezeit“ blinkt. Ich hätte gern noch auf andere Dinge hingewiesen, die uns wichtig sind. Wir hätten zum Beispiel die Entlastung der Mehrkindfamilien nicht mitgetragen, sondern eine soziale Staffelung der Elternbeiträge für alle vorgesehen.

(Zustimmung von Herrn Höhn, DIE LINKE)