Protokoll der Sitzung vom 20.02.2013

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht der Innenminister Herr Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Deutschland und in SachsenAnhalt eine verantwortungsvolle und an den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts ausgerichtete Zuwanderungspolitik. Dies habe ich, Frau Quade, nicht erst bezüglich der Ereignisse in Magdeburg gesagt, sondern das habe ich unmittelbar nach meinem Amtsantritt formuliert.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben diesen Formulierungen auch Taten folgen lassen, wie beispielsweise die Einbürgerungskampagne oder die Nachsteuerung bei der Unterbringung von Asylsuchenden.

Eine Zuwanderung, meine Damen und Herren, besteht am Ende aus zwei zu beleuchtenden Feldern, auf der einen Seite aus dem Asylverfahren und auf der anderen Seite aus der anzustrebenden Einbürgerung.

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beleuchtet zunächst nur die Säule des Asylverfahrens. Ich weise rein vorsorglich darauf hin, dass nur 5 % derjenigen, die zu uns nach Deutschland kommen, Asyl beantragen, das ist eigentlich ein verschwindend geringer Anteil. Der Hauptschwerpunkt liegt bei denjenigen, die unabhängig von einem Asylverfahren bei uns eine neue Heimat suchen und arbeiten möchten.

Da dieses Thema sehr weitgehend ist und über Änderungen von Bleiberechtsregelungen, die wir heute, zumindest was die Unterstützung einer Bundesratsinitiative betrifft, gemeinsam beschließen werden, hinausgeht, werde ich vor der parlamentarischen Sommerpause eine Regierungserklärung zur Zuwanderung in Deutschland abgeben.

Ich möchte an dieser Stelle schon einmal auf Zahlen hinweisen. In Sachsen-Anhalt haben im Jahr 1990 20 000 ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger gelebt. Heute sind es mittlerweile 49 000, mehr als doppelt so viele.

Von den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Ostdeutschland haben 20 % einen akademischen Abschluss. Im Vergleich zum Westen, wo 10 % der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger einen akademischen Abschluss haben, sind es doppelt so viele. In der Bevölkerung insgesamt haben 10,4 % der Mitbürgerinnen und Mitbürger einen akademischen Abschluss. Damit haben unter den hier lebenden Migranten prozentual betrachtet doppelt so viele einen akademischen Abschluss, wie es unter den deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern der Fall ist.

60 % der hier lebenden Ausländer haben einen qualifizierten Berufsabschluss. Aber die Erwerbs

losenquote bei ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist mit 22 % doppelt so hoch wie die bei den deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Das liegt daran - Herr Herbst, darin gebe ich Ihnen völlig Recht -, dass es im ersten Jahr ein Arbeitsverbot gibt. Wenn wir in einem Asylverfahren Arbeit zulassen, ist dies an so hohe Hürden geknüpft, dass es faktisch nicht zu einer Beschäftigung kommt. Auch das werde ich im Sommer ausführen. Es gibt Bemühungen der EU, nach neun Monaten Arbeit zuzulassen.

Ich möchte aber eines - darin werden wir uns unterscheiden, zumindest von der LINKEN - klar machen: Auch wenn wir die Bundesratsinitiative unterstützen - in einem Asylverfahren ist es Voraussetzung, dass ein Asylgrund vorliegt.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Voraussetzung ist auch, dass derjenige, der um Asyl ersucht, nicht über seinen Asylgrund oder über seine Identität täuscht oder zu dem Zeitpunkt, zu dem er hier Asyl sucht, Straftaten begeht. Wer sich an diese Spielregeln nicht hält, gehört aus unserer Sicht nach wie vor abgeschoben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dieses hat dann allerdings unverzüglich zu erfolgen.

Aber Fakt ist auch: Wer hier sechs, sieben, acht Jahre lang geduldet lebt, ist nicht mehr erklärbar abschiebbar, wenn er und seine Familie sich integriert haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Das ist eine völlig verfehlte Praxis, die wir nicht nur in der Politik - ich bin morgen zu Spiegelsaalgesprächen mit dem amerikanischen Generalkonsul und der evangelischen Bischöfin eingeladen -, sondern in einem breiten, über Deutschland hinausgehenden Diskurs zu behandeln haben.

Ich möchte noch ein Weiteres aufwerfen - auch dazu werde ich im Sommer Stellung nehmen -: Wir werden darüber nachdenken müssen, auch doppelte Staatsbürgerschaften zuzulassen,

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei den GRÜNEN)

und zwar in dem Fall, in dem wir nicht aus sozialen Erwägungen den Zuzug wollen, sondern um einem Fachkräftemangel entgegenzutreten, der sich in den nächsten Jahren auch in Deutschland abzeichnen wird.

Diesbezüglich kann man auch einmal in andere Länder schauen. In Kanada ist dies ein Erfolgsmodell für den Aufstieg des Landes gewesen. Insofern ist dies ein weites Feld.

Ich sage eines aber auch im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf: Wir sollten das seriös bereden und nicht auf dem Rücken von Menschen Bundestagswahlkampf betreiben.

Insofern freue ich mich auf breite gesellschaftliche Diskussionen, die schwierig werden, die kontrovers werden, die wir aber führen müssen, um uns zu öffnen.

Ich sage in Bezug auf meine Partei, die als konservativ gilt, dass „konservativ“ nicht mit „konservieren“ gleichzusetzen ist, sondern in einer modernen Form, ausgerichtet an einem vielleicht konservativen Wertegerüst, fortzuentwickeln ist. Darin sind wir - Herr Schröder und ich sowie meine Kolleginnen und Kollegen - uns einig.

Insofern danke ich Ihnen, Herr Herbst, für Ihren Antrag. Ich kannte diesen Antrag schon eher, weil ich mit Michael Neumann, dem Hamburger Innensenator, sehr verbunden bin. Ich denke, wir werden es auf einen guten Weg bringen.

Den Antrag der LINKEN, Frau Quade, werden wir ablehnen. Diesbezüglich bleibe ich auch stringent. Denn Sie fordern eigentlich, dass wir alle behalten, die hierher kommen. Ich habe Ihnen schon Rahmenbedingungen genannt, unter denen wir das nicht wollen. Daher ist Ihr Antrag zu weitgehend.

(Beifall bei der CDU)

Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Als erste Debattenrednerin spricht Frau Schindler für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ja, nicht nur die gerade auch bei der Einbringung genannten aktuellen Fälle haben uns hier im Hause schon beschäftigt und zur Diskussion über das Asylrecht und das Bleiberecht angeregt. Es gab schon mehrere Debatten, in denen deutlich wurde, dass Änderungen im Bleiberecht notwendig sind. Bereits mehrfach wurde auch über die sogenannte Altfallregelung diskutiert.

§ 104 des Aufenthaltsgesetzes wurde erstmals im Jahr 2007 beschlossen. Dort gab es aber eben diese stichtagsbezogene Regelung. Nach dieser Bleiberechtsänderung wurde bis zum Jahr 2009 verfahren. Danach wurde sie mit einer gemeinsamen Regelung der Innenminister noch bis Ende 2011 verlängert. Aber immer wieder gab es die Diskussion darüber, dass nach dieser Änderung der Bleiberechtsregelung natürlich noch eine weitere Änderung notwendig ist.

Mit der Bundesratsinitiative der Freien und Hansestadt Hamburg liegt nun eine Gesetzesänderung vor, mit der, wie Sie, Herr Herbst, es ausgeführt haben, diese massenhafte Kettenduldung jetzt

wirklich stichtagsunabhängig verhindert werden soll. Diese Initiative findet unsere Zustimmung. Das ist auch schon angekündigt worden. Deshalb werden wir dem Antrag der GRÜNEN in der vorliegenden Fassung zustimmen.

Geduldete Flüchtlinge, die sich in Deutschland integriert haben, sollen unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Das ist eine richtige Richtung, der wir, wie gesagt, auch unsere Zustimmung geben wollen. Hierbei geht es nicht nur um die Schließung einer Gesetzeslücke, sondern auch integrationspolitisch um einen wichtigen Hinweis. Sie zielt in Richtung Anerkennungskultur, die wir uns auf unsere Fahnen geschrieben haben. Es geht um die Anerkennung erbrachter Integrationsleistungen.

Pro Asyl und andere Organisationen der Migrationsarbeit wünschen sich natürlich weitergehende Regelungen, genauso wie Sie es vorgetragen haben. Sie wünschen sich noch mehr. Aber ich sage an dieser Stelle auch, dass konkrete Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Hier ist es vordergründig natürlich die faktisch vollzogene Integration.

Diese faktisch vollzogene Integration macht sich an mehreren Punkten fest. Dabei geht es natürlich nicht nur um den langjährigen Aufenthalt in Deutschland - Sie nannten die Fristen von vier und acht Jahren -, sondern auch um die Sicherung des Lebensunterhalts durch die aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt, um deutsche Sprachkenntnisse, Straffreiheit und das Bekenntnis zur freiheitlichdemokratischen Ordnung der Bundesrepublik. Das sind die Bedingungen, die auch in dem neuen Gesetzentwurf genannt worden sind.

Ich weiß auch, dass diese Voraussetzungen in der Praxis regelmäßig Probleme bereiten, die in der einen oder anderen Form auch in Ihrem Antrag, Frau Quade, also im Antrag der LINKEN, genannt worden sind. Zu erwähnen ist zum Beispiel die Residenzpflicht, die regelmäßig zu Straffälligkeit führt und über die auch diskutiert wird.

Diese Voraussetzungen sind in einer anderen Regelung zu verändern, die natürlich auch aus unserer Sicht strittig sind. Der Minister kündigte an, dass im Zusammenhang mit der angekündigten Überarbeitung des gesamten Asyl- und Bleiberechts auch hierüber diskutiert werden kann.

Ohne Voraussetzungen geht es aber nicht, jedenfalls nicht grundsätzlich. Ziel muss es sein, durch die vorgegebenen Perspektiven nicht nur die Integrationsmöglichkeit zu erweitern, sondern auch den Integrationswillen zu stärken; denn wenn ich Menschen eine Perspektive für einen Aufenthalt gebe, dann wird auch der Integrationswille gestärkt.

Die Abschiebung der armenischen Familie in Magdeburg - Sie haben den Fall geschildert - wäre

aber auch durch die jetzige oder eine geänderte Bleiberechtsregelung nicht verhindert worden, weil die Voraussetzungen für einen Aufenthalt nicht gegeben gewesen wären.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb wollen wir wie angekündigt dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Den Antrag der LINKEN werden wir ablehnen, weil er in vielen Teilen zu weit geht, zum Beispiel was die Forderung hinsichtlich des Asyl- und Aufenthaltsrechts betrifft. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Schindler. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.

Es gibt immer noch etwas zu sagen. Nein, ich kann mich relativ kurz fassen. Ich möchte nur noch einmal auf zwei Dinge eingehen, die in der Debatte gesagt wurden.

Mit Blick auf die Diskussion über den Antrag der Linksfraktion sage ich, dass wir diesem Antrag zustimmen werden, weil die Dinge, die darin stehen, aus unserer Sicht wichtige Bestandteile einer zukunftsfähigen Asylpolitik in Deutschland darstellen.

Nur, ich glaube, dass Sie in diesem Antrag ein bisschen zu viel aus zu vielen Bereichen zusammengebracht haben und dass wir uns vielleicht in kleineren Schritten - man sollte es realistischer sehen - auf diese sozusagen übergeordneten Zielsetzungen mit mehr Erfolg zu bewegen können, als wenn wir angefangen beim Bleiberecht in Deutschland über Dublin II noch ganz andere Dinge in einen Antrag hineinpacken.