Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

(Herr Miesterfeldt, SPD: Wir wollen dich re- den hören!)

Jede Diskussion über Varianten verringert die verbleibende Redezeit über das Inhaltliche.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Digitalisierung der Medien und der weiteren Vernetzung gehen immense Chancen, jedoch auch große Herausforderungen für Verlage, Journalisten und nicht zuletzt für die politischen Entscheidungsträger einher. Insbesondere die häufig kostenlose Verfügbarkeit von publizistischen Werken bzw. von Texten im Internet

stellt über Jahrzehnte bewährte Geschäftsmodelle im Printbereich infrage.

Insofern ist - dabei ist der Bundesgesetzgeber gefragt - das Anliegen der Presseverleger nach einer besseren Absicherung und einer besseren Durchsetzbarkeit ihrer rechtlichen Ansprüche an ihren Texten zu unterstützen.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, erkennt der Antrag der Fraktion DIE LINKE in Punkt 2 ausdrücklich an. Allerdings - das bedauere ich - enthält der Antrag keinerlei Antwort auf die Frage, wie die Rechte von Journalisten bzw. von Verlagen als Urheber gestärkt werden können.

Der Bundesgesetzgeber hat sich zu einer zeitgemäßen Gestaltung des Leistungsschutzrechtes entschlossen, um einen Interessenausgleich zwischen den Rechten der Verlage und der Gewährleistung der Informationsfreiheit im Internet herzustellen. Er hat dabei sorgfältig zwischen den Interessen der Presseverleger und Journalisten auf der einen und denen der Internetplattformen und Suchmaschinen auf der anderen Seite abzuwägen.

Der Bundestag - das ist mehrfach gesagt worden - hat am 1. März 2013 das Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Onlinebereich durch die Novellierung des Urheberrechtsgesetzes beschlossen.

In der Parlamentsdebatte wurde offensichtlich, dass einzelne Teilbereiche des Leistungsschutzrechtes noch nicht geregelt bzw. noch nicht vollständig geregelt sind. Hierzu gehört insbesondere eine verbesserte Rechtsdurchsetzung gegenüber sogenannten Harvestern - nicht dass die Landwirte auf falsche Ideen kommen -, also Diensten, die zum Zwecke der Archivierung in einem digitalen Archiv automatisiert Internetdokumente einsammeln, und gegenüber sogenannten Aggregatoren, also Diensten, die das Internet durchsuchen und nach Art einer Suchmaschine ihre Treffer generieren bzw. dann Ergebnisse darstellen. Insofern handeln diese Abruf- und Vertriebsplattformen als eigenständige Dienstleister gegenüber interessierten Abnehmern.

Presseverleger können nach dem durch den Bundestag beschlossen Gesetz bislang nicht effizient gegen eine unautorisierte Verwendung ihrer Texte durch Harvester oder Aggregatoren vorgehen. Insoweit besteht Überprüfungsbedarf, ob die mit der Gesetzesänderung verfolgten Ziele tatsächlich vollumfänglich erreicht werden können. An dieser Stelle möchte ich auf den durch die Koalitionsfraktionen vorgelegten Alternativantrag verweisen.

Auch muss in eine derartige Überprüfung einbezogen werden, ob die vorliegende Änderung des Urheberrechts zu neuen Abmahnwellen, wie heute mehrfach behauptet wurde, führt bzw. sodann geführt hat. Hierzu darf es zumindest in einfach gela

gerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs nicht kommen. Gegebenenfalls sind entsprechende Maßnahmen, wie eine Begrenzung der Streit- bzw. Gegenstandswerte, die unter anderem zur Bemessung von Rechtsanwaltsgebühren herangezogen werden, zu veranlassen.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion darüber, wie man eine sinnvolle und angemessene Vergütung von redaktionellen Inhalten im Internet feststellt, den Leistungsschutz gewährleistet und dennoch dem Informationsbedürfnis der Nutzer gerecht wird, ist damit längst nicht abgeschlossen. Insofern soll die Landesregierung, wie in dem vorliegenden Alternativantrag gefordert, berichten.

Ich mache noch einige Anmerkungen. Herr Wagner, zu Ihren Attacken gegenüber der SPD. Bei längerer politischen Erfahrung

(Oh! bei der LINKEN)

hat man, so denke ich, auch die Erkenntnis gewinnen können, dass das, was in Parteiprogrammen formuliert wird, nicht immer mit der realen Politik, noch dazu, wenn man in Koalitionen verhaftet ist, einhergeht.

(Herr Striegel, GRÜNE: Verhaftet!)

Zur Beinfreiheit des Kanzlerkandidaten hat Minister Bullerjahn schon einiges gesagt.

Zum Abstimmungsverhalten morgen im Bundestag. Herr Herbst, es ist soeben eine Tickermeldung eingegangen. Morgen wird nicht der Vermittlungsausschuss angerufen, weil sich das Land Nordrhein-Westfalen dagegen sperrt. Nordrhein-Westfalen wird, so glaube ich, von Rot-Grün regiert.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Erben, SPD: Das zeigt, wie viel Sie zu sagen haben!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brachmann. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Striegel. Möchten Sie diese beantworten?

Wenn ich das kann, mache ich das gern. Ja.

(Minister Herr Stahlknecht: Keine Sorge!)

Herr Striegel, bitte.

Koalitionen sind bekanntlich keine Liebesheiraten. Das erfahren wir auch hier im Land immer wieder.

Ich denke, Sie haben die Presseberichte aus NRW vollständig gelesen und nicht nur die Überschriften. Sie haben vielleicht auch wahrgenommen,

dass sich die grüne Fraktion in NRW vehement für die Anrufung des Vermittlungsausschusses ausgesprochen hat und dass das vermutliche Ergebnis, nämlich die Enthaltung morgen im Bundesrat, möglicherweise Ausweis des Koalitionsvertrages ist, für den Fall, dass man sich nicht einigen kann.

Das Prozedere kennen Sie ja. Die SPD hat offenbar keine Lust, beim Leistungsschutzrecht klare Kante zu zeigen, so wie es ihr Spitzenkandidat vor wenigen Wochen noch getan hat. Das führt dann zu einer Enthaltung im Bundesrat.

Sie haben die Pressemittlung vollständig wiedergegeben. Für mich zählte das Ergebnis. Nach meinem Kenntnisstand haben sich die grünen Kabinettsmitglieder so verhalten, dass es zu diesem Ergebnis kam.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Ich rufe als letzten Debattenredner Herrn Wagner auf.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen, meine Herren! Was die Aufwendung an Redezeit bezüglich der Sache und der politischen Konstellation anbelangt, so habe ich in meinem ersten Teil sehr deutlich dargelegt, was das Leistungsschutzrecht ist.

Dass ich mich dann auch der SPD zugewandt habe, liegt in der Tat daran, dass sie das Zünglein an der Waage ist. Ich habe aber zuvor auch kurz auf die CDU abgehoben mit meiner Bitte, sie möge die Marktwirtschaft wiederentdecken. Das haben Sie hoffentlich auch mitbekommen.

(Minister Herr Bullerjahn: Da kümmere ich mich gar nicht drum!)

Herr Kurze hat mich in meinem Gefühl ein wenig bestärkt, dass die Debatte beim Leistungsschutzrecht innerhalb der CDU nicht immer wirklich so verstanden wurde, wie das Gesetz am Ende beschlossen worden ist. Wenn es wirklich darum ginge, Urheberinnen und Urheber zu schützen oder die Vergütung in der digitalen Welt zu verbessern, warum sagen Sie dann: „Die Suchmaschinen sind sowieso nicht drin, die Kurzzitate sind sowieso nicht drin und die Blogs sind sowieso nicht drin“, wenn das die Experten gar nicht so sehen?

Diesen Widerspruch haben Sie jetzt leider nicht aufgelöst. Er besteht nämlich darin, dass wir eine Zitatschranke haben, die lautet, dass man zitieren darf. Der Sinn muss dabei erkennbar sein. Je nachdem, wie lang der Ursprungstext ist, kann ein

Zitat durchaus länger sein, als hinterher vielleicht festgesetzt wird, was eine kleinste Textstelle ist. Das heißt, hier wird das Zitatrecht gegebenenfalls sogar untergraben. Inwiefern dann noch die Suchmaschinen mit drin sind, das ist nicht geklärt. Das ist sachlich falsch.

Ich sage einmal: Sie können uns, der LINKEN, unterstellen, dass wir urheberrechtliche Grundsätze im Netz nicht gelten lassen. Unterstellungen sind ja sowieso ein Alltagsgeschäft und gang und gäbe. Ich will nur darauf hinweisen: Ja, wir sind dagegen. Aber dann unterstellen Sie das bitte auch dem Deutschen Journalistenverband und auch der Jungen Union, zum Beispiel der Jungen Union Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die will nämlich offenbar genauso urheberrechtlich geschützte Werke im Netz ohne Urheberrecht.

Man muss vielleicht nur einmal erklären, wie dieses Leistungsschutzrecht genau funktionieren soll. Nun habe ich in der ganzen Debatte, die wirklich schon Monate alt ist, den mittlerweile, ich will sagen, berühmten Taxi-Vergleich nicht gebracht. Jetzt muss ich das aber wahrscheinlich doch noch tun.

Also: Angenommen, Sie fahren am Samstagabend in ein nettes Restaurant. Es ist ein bisschen weiter weg, Sie müssen ein Taxi nehmen. Sie sind darauf angewiesen, weil Sie einen schönen Abend haben wollen. Das Taxi fährt Sie in das Restaurant. Dann sagt der Restaurantbetreiber zum Taxifahrer: „Moment mal! Jetzt wollen wir eine kleine Gebühr dafür, dass du uns die Leute hierhergebracht hast. Denn schließlich erbringen doch wir die Dienstleistung. Wenn es uns nicht gäbe, dann wäre dein Gast niemals mit dem Taxi gefahren.“

Man muss sich das einmal vorstellen. Wenn man das in die analoge Welt überträgt, dann haben wir diesen Fall. Dann stellt sich die Frage, wie Sie wieder zurückkommen. Denn ob es sich der Taxifahrer leisten kann, noch eine Sondergebühr an dieses Restaurant zu zahlen, kann bezweifelt werden.

Einfach nur vor dem Hintergrund der Absurdität des Gedankengerüsts, welches hinter dem Leistungsschutzrecht steht, sollte dieser Vergleich hier heute noch einmal angebracht werden.

Dann wurde vorgetragen, die News-Aggregatoren machten durch die Leistungen von Dritten Kasse. Diese Dritten haben freiwillig journalistische Erzeugnisse veröffentlicht, und die News-Aggregatoren halten sich zu 100 % an das Urheberrecht. Dass das für die Verlage ein Problem ist, was die Monetarisierung anbelangt, ist klar. Aber hierbei gibt es keine Gesetzesverstöße.

Insofern verstehe ich nicht, inwiefern hier ein Zustand besteht, dass eine Fremdleistung vergütet

wird. Das ist schlichtweg falsch; denn es ist die eigene Leistung von News-Aggregatoren, die Nachrichten gerade so zusammenzutragen, dass ein entsprechendes Produkt, vom Geschäftsfeld her offenbar veritabel, neu entsteht.

Das ist kein Problem, auch kein Problem der Verwerter; denn zwischen den Netznutzern und den Anbietern besteht ein Komplementärverhältnis, auch bei Google, anderen Suchmaschinen oder News-Aggregatoren. Viele Presseerzeugnisse würden Sie doch im Netz heute gar nicht finden, wenn Sie nicht über Suchmaschinen gehen.

Um diesem Komplementärverhältnis Rechnung zu tragen: Gerade hier springt doch das Leistungsschutzrecht ein, indem gesagt wird: Gegebenenfalls, nämlich wenn die privatwirtschaftlichen Verträge im Anschluss dann nicht mehr zustande kommen, lesen wir nur noch Presseerzeugnisse von großen Verlagen über die Suchmaschinen. Das ist dann wieder eine Einschränkung der Informationsfreiheit.

Die SPD-Argumente hatte ich jetzt ungefähr so verstanden: Es ist im politischen Prozess völlig normal, dass man etwas aushandeln muss. Aber im Grunde genommen stimmen wir dem Prinzip zu, wir schneiden erst einmal ab und dann messen wir.

Genau das machen Sie, wenn Sie sagen: Wir sehen schon kritisch, dass gegebenenfalls eine neue Abmahnwelle entsteht. Wir wissen auch noch nicht, ob das überhaupt dem eigentlichen Anliegen der Verwertung für Verleger oder Urheber gerecht wird.