Protokoll der Sitzung vom 22.03.2013

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1923

Der Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Köck.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Allmählich wird es zu einem schlechten Brauch, unbequeme Anträge der Opposition via Alternativantrag zu beerdigen. Was bleibt, ist die Genugtuung der regierungstragenden Fraktionen, die Opposition wieder einmal zum Jagen getragen zu haben. Der vorliegende Alternativantrag zur Metropolregion verdient allerdings die Bezeichnung „alternativ“ nicht einmal.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Er fällt weit hinter den Ursprungsantrag zurück. Lassen Sie mich das einmal mit Ferdinand Lassalle sagen:

„Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“

Die mit der Aufnahme des mitteldeutschen Raumes in den Kreis der Metropolregionen verbundenen Erwartungen können nach unserer Ansicht höchstens ansatzweise als erfüllt angesehen werden. Die sich im Jahr 2002 bietende große Chance, im Rahmen der von den drei CDU-Ministerpräsidenten Biedenkopf, Vogel und Böhmer ins Leben gerufenen Mitteldeutschland-Initiative die Metropolregion zu befördern, blieb ungenutzt.

Eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa zur Zukunft der Initiative Mitteldeutschland aus dem Jahr 2011 sprach jedenfalls für sich. Die damals Befragten zogen keinerlei Querbezug zur Metropolregion.

Nach unserer Ansicht ist diese Initiative weitgehend verpufft. Als entscheidender Hemmschuh hat sich sowohl für die Metropolregion als auch für die Mitteldeutschland-Initiative der Generalverdacht erwiesen, dass sie einer Länderfusion, sei diese auch fernste Zukunftsmusik, in die Hände arbeiten könnte. Hochnotpeinlich wird auch dem leisesten diesbezüglichen Verdacht vehement entgegengetreten, und - es ist paradox - Kooperation wird als das beste Instrument gegen eine Fusion angesehen.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist die Identifizierung mit der Metropolregion selbst in den Kommunalverwaltungen außerordentlich schwierig. Sie

ist in Leipzig und in Chemnitz noch am größten. Wenn Sie auf der Homepage dieser beiden Städte nach dem Stichwort Metropolregion suchen, finden Sie etwas mehr als 100 Einträge. An dritter Stelle folgt die Stadt Halle mit 20 Einträgen und bei Dessau sind es ganze zwei Einträge.

Die Außenwirkung der Metropolregion Mitteldeutschland beruht zu einem beträchtlichen Teil auch auf den angebotenen Leistungen solch dynamischer Mittelzentren wie Freiberg, Riesa, Eisenach und Merseburg oder auch des Saalekreises. Diese gehören aber zu den Zwischenräumen zwischen den beteiligten Städten und nicht zur eigentlichen Metropolregion.

Dieses Dilemma wird im Wissenschaftsatlas besonders deutlich. Darin „schmückt“ sich die Metropolregion mit Hochschulangeboten der Städte Freiberg, Ilmenau, Mittweida, Nordhausen und Plauen und vereinnahmt selbst kleinste Forschungskapazitäten in Hermsdorf oder Rudolstadt.

Von den in den anderen Metropolregionen entwickelten Governancestrukturen ist Mitteldeutschland noch meilenweit entfernt. Die Konferenz der Raumordnungsminister und das Bundesbauministerium verhalten sich bis heute außerordentlich nachsichtig und unterstützen den Entwicklungsprozess bisher mit wissenschaftlichem Know-how, insgesamt durch mehrere große Forschungsprojekte.

Im April 2005 machte die 32. Konferenz der Raumordnungsminister mit Nachdruck deutlich: Das Konzept der Metropolregion ist unter anderem für den Wirtschaftsraum Mitteldeutschland eine besondere Chance, sich im europäischen Wettbewerb zu positionieren.

Dazu sollten die Thüringer Städtereihe und die Oberzentren des Landes Sachsen-Anhalt in die Entwicklung der Metropolregion einbezogen werden. Doch mangelnde Masse konnte offensichtlich auch nicht durch die territoriale Ausweitung der Metropolregion kompensiert werden.

Stattdessen bildete sich mit dem „Forum Mitteldeutscher Städte“ im Jahr 2007 quasi bottom up eine Konkurrenzstruktur, die sich sogar der wohlwollenden Unterstützung eines Bundesbauministers namens Dr. Tiefensee erfreute. Paradoxerweise gehören diesem Forum nun auch fast alle Städte der Metropolregion an. Der Vorsitz beider Vereinigungen liegt gegenwärtig sogar in einer Hand: in der des Oberbürgermeisters der Stadt Jena.

Nachdem im vergangenen Jahr die Überführung des Städtenetzwerkes in einen Verein gescheitert ist, mehren sich die Anzeichen einer substanziellen Krise. Wie die Geschichte lehrt, schrumpft ein Imperium immer von der Peripherie nach innen.

Der Ausgangspunkt Ihres Alternativantrages, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht leider an der Wirk

lichkeit vorbei. Die heile Welt ist spätestens seit dem Januar 2013 vorbei, als sich die Stadt Erfurt ohne jegliches Mediengetöse offiziell aus der Metropolregion verabschiedet hat. Da waren es nur noch zehn.

Diese Entwicklung kann die Landespolitik nicht kalt lassen. Eine Implosion der Metropolregion hätte eine verheerende Außenwirkung bis nach Brüssel. Es stünde uns gut zu Gesicht, uns an der Metropolregion Rhein-Ruhr, die ähnliche Probleme hat, und an Fragen zu orientieren, die dort gestellt werden.

Die Machbarkeit einer Region hängt auch von der Bereitschaft ab, neue Formen und Strukturen der kommunalen, regionalen und länderübergreifenden Zusammenarbeit zu etablieren und einen indikativen Ansatz der Raumentwicklung durchzusetzen.

Patentlösungen gibt es allerdings nicht, da die Rahmenbedingungen und Herausforderungen in jeder Metropolregion anders gelagert sind. So fehlt der mitteldeutschen Metropolregion ein unangefochtenes urbanes Zentrum, wie es andere Metropolregionen haben. Hier bilden mehrere Oberzentren ein Netzwerk. Hinzu kommt die Drei-LänderKonstellation mit ihren differierenden gesetzlichen und förderpolitischen Rahmenbedingungen und Verwaltungsstrukturen.

Wenn wir es wirklich ernst meinen, kommen wir nicht umhin, von den drei Landtagen als einer gemeinsamen parlamentarischen Plattform aus zu agieren. Der Landtag ist Teil der Governancestruktur der Metropolregion. Er müsste es auf jeden Fall sein. Ergreifen wir also die Initiative, gehen wir auf unsere Kolleginnen und Kollegen in Sachsen und Thüringen zu!

Eine Voraussetzung dafür wäre allerdings die Umwandlung des Alternativantrages in einen Änderungsantrag. Dadurch wäre eine Überweisung beider Anträge in die Ausschüsse möglich. Damit könnten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der SPD, ein Zeichen für einen neuen, kooperativen Politikstil in der Metropolregion setzen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Dr. Köck, es gibt eine Frage des Kollegen Erdmenger. Möchten Sie diese beantworten?

Herr Kollege Erdmenger, bitte.

Herr Dr. Köck, vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich habe Ihrem Redebeitrag mit Interesse entnommen, dass - so ungefähr haben Sie es ausgeführt - eine Implosion der Metropolregion verheerende Auswirkungen hätte, vor allen Dingen als Zeichen in Richtung Brüssel. Ich frage mich nun: Wie meinen Sie das? Welche Auswirkungen meinen Sie konkret?

Das ist vor allen Dingen der Imageverlust. Es gibt nur elf ausgewiesene Metropolregionen in Deutschland. Die Metropolregion Mitteldeutschland gehört dazu. Sie ist zugegebenermaßen die schwächste. Wenn wir es nicht schaffen, dann sieht das alle Welt. In Brüssel sind die Metropolregionen durch einen Initiativkreis vertreten; aus diesem würden wir dann auch ausscheiden. Das ist ganz klar.

Danke schön. - Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht in Vertretung des Ministers Webel. Bitte sehr, Herr Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Metropolregion Mitteldeutschland hat sich als eine von elf europäischen Metropolregionen in Deutschland entwickelt und auch bewährt. Sie entspricht dem Beschluss der Konferenz der Minister für Raumordnung vom 30. Juni 2006.

Es gibt mittlerweile eine Evaluation dieser mitteldeutschen Metropolregion, in der die Stärken und Schwächen unter wissenschaftlicher Leitung analysiert worden sind. Das Ergebnis ist den Gremien auch mitgeteilt worden. Dort ist als Handlungsmaxime Nachfolgendes vorgeschlagen worden:

 die überregionale Partnerschaft als eingetragenen Verein zu führen,

 in dieser Konstellation bestimmte Ziele und Organisationsformen umzusetzen,

 Regeln zur Integration aller Teilräume und von Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in das operative Geschäft der Partnerschaft aufzustellen und umzusetzen und

 inhaltliche Schwerpunkte zu setzen und zum Beispiel das Thema familienfreundliche Metropolregion zu kommunizieren und zu thematisieren.

Meine Damen und Herren! Wie sich die Städte entscheiden, ob sie weiterhin der mitteldeutschen Metropolregion angehören wollen, bleibt bis zum nächsten gemeinsamen Ausschuss am 29. April

2013 bzw. bis zum Ende des Jahres 2013 abzuwarten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bergmann.

Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Das Thema Metropolregion Mitteldeutschland ist ein Thema, über das sehr schwer zu diskutieren ist. Sicherlich haben Sie von der LINKEN mit Ihrem Antrag den Finger in die Wunde gelegt. Man muss natürlich klar und deutlich erkennen, dass nicht alles 100-prozentig und so toll läuft, wie wir uns das vielleicht vorgestellt haben.

Allerdings haben wir Festlegungen im Landesentwicklungsplan getroffen; denn es ist nicht nur ein Versuch, sondern es war ein durchaus gewollter und guter Versuch, dieses Städtenetz kooperieren zu lassen. Sie wollten auch miteinander kooperieren.

Wir müssen natürlich konstatieren, dass es an einigen Punkten, gerade in den peripheren Räumen dieser Metropolregion, so etwas wie Abwanderungs- und Auflösungserscheinungen gibt. Das hat etwas mit der Stärke der jeweiligen Städte zu tun, die sich das auf eine gewisse Art und Weise erlauben können und die ihren Wert auch ganz anders einschätzen.

Einige haben vielleicht noch im Hinterkopf, dass Dresden problemlos sogar ohne den Welterbestatus der Unesco weiterleben konnte. Wer weiß, dass er genug in die Waagschale werfen kann, der ist auf eine interkommunale Kooperation eben nicht unbedingt angewiesen.

Trotz unseres Alternativantrags, den Sie von der Substanz her vielleicht nicht so gut finden, denke ich, müssen wir im Ausschuss darüber reden, wie man dort wieder Leben hineinbekommt. Vielleicht muss man auch mit den Städten reden, die es wirklich nötig haben.

Ich sehe durchaus den Raum Halle/Leipzig mit Chemnitz als Nukleus. Das war einmal der Ausgangspunkt der Idee dieser Metropolregion. Vielleicht sind es auch gerade die Gemeinden plus einige weitere, die dort zusammenarbeiten müssen.

Es sind nun auffälligerweise gerade die Landeshauptstädte wie Erfurt oder Dresden, die sagen: Wir sind nicht zwingend darauf angewiesen. Auch Magdeburg kann, glaube ich, eine ganze Menge in die Waagschale werfen und ist vielleicht auch nicht zwingend darauf angewiesen. Wir sehen also, dass wir ein strukturelles Problem haben, obwohl es einige gute Erfolge gibt.

Ich kann heute leider auch nichts anderes tun, als zu sagen: Stimmen Sie erst einmal unserem Alternativantrag zu. Herr Dr. Köck, ich halte auch nichts davon, dass wir all das, was in Ihrem Antrag steht, tun und durchführen. Denn wir müssten dann sehr viel tun, obwohl wir eigentlich eine Menge von denen erwarten müssten, die davon profitieren. Das sind vornehmlich die Kommunen, die selber in der Pflicht sind zu kooperieren, die in der Pflicht sind, das Ganze mit Leben zu erfüllen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)