Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

(Herr Herbst, GRÜNE: Warum?)

- Ich komme dann noch darauf zu sprechen.

Insoweit bin ich jetzt bei dem Änderungsantrag der Regierungskoalition, der nicht im Verhältnis 1 : 1 das umsetzt, was Ernst & Young in dem Gutachten aufgeschrieben hat. Das hat auch seine Gründe, weil - das ist in der Debatte jetzt schon mehrfach gesagt worden - die Vergleichsmaßstäbe nicht unbedingt passfähig waren.

Wir sind uns darin einig - das hat die Ministerin vorgetragen -, dass die Verträge über die Verpflegungsleistungen und die EDV-Systembetreuung gekündigt werden sollen. In dem Änderungsantrag ist aber festgehalten, zusätzlich auch den Vertrag über Reinigung, Entsorgung und Ausstattung fristgemäß zu kündigen sowie den Vertrag über Sicherheitshilfsdienste nur noch für den Bereich der Bewirtschaftung des Fuhrparkes fortzusetzen und im Übrigen zu kündigen. Warum? - Das steht in der Begründung; ich wiederhole es:

„Der Vertrag über Reinigung, Entsorgung und Ausstattung erweist sich als der kostenintensivste Vertrag. Die durchgeführte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigt, dass die erhofften Kosteneinsparungen durch eine Privatisierung nicht eingetreten sind. Die Aufgaben können in Analogie zu den übrigen staatlichen Anstalten in Eigenrealisierung wahrgenommen werden.“

Zu dem anderen, den Sicherheitsdiensten, heißt es:

„Auch der Vertrag über Sicherheitshilfsdienste ist für das Land unwirtschaftlich. Hinzu kommt, dass der PPP-Vertragspartner aufgrund der Änderung der Rahmenbedingungen seine vertraglich zu erfüllenden Aufgaben nicht vollständig erfüllen kann.“

Das sind Sätze, die zwar in der Begründung des Antrages stehen, aber aus der fachlichen Stellungnahme des MJ zu diesen Verträgen, die Bestandteil der Kabinettsvorlage war, übernommen worden sind.

Ich werde mich jetzt nicht auf eine rechtliche Diskussion darüber einlassen, ob eine Änderungskündigung aufgrund des konkreten Vertrages oder aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen möglich ist. Worin ich mir aber sicher bin, ist: Unabhängig davon, ob wir änderungskündigen, teilkündigen oder wie auch immer kündigen, wenn wir die Leistungen in Eigenrealisierung erbringen wollen, dann müssen wir nicht ausschreiben. Das ist nicht die Rechtsfolge einer Kündigung.

Deshalb der Punkt 2 in dem Änderungsantrag, dafür zu sorgen, dass wir bis zum 1. Mai 2014 die Voraussetzungen dafür schaffen, die Leistungen, die wir zurückholen wollen, dann auch selbst realisieren zu können.

Ich möchte auf einen letzten Aspekt, der die Verträge anbelangt, eingehen; der ist mir auch sehr wichtig. Das betrifft die beiden Verträge über die Sozialfürsorge und die Gesundheitsfürsorge, bei denen die Arbeit mit den Menschen gewissermaßen Vertragsbestandteil ist.

In diesem Fall ist es eben so, Herr Herbst. Wir würden in der Jahresscheibe - dafür gibt es überzeugende Argumente; ich kann sie nicht alle wiederholen - das Fachpersonal nicht innerhalb der Justizverwaltung bereitstellen können, um diese Aufgaben zu realisieren. Aber - das ist hierin auch formuliert - wir wollen ein begleitendes Qualitätsmanagement. Wir müssen ein Interesse daran haben, dass das funktioniert.

Resozialisierung - Herr Herbst, Sie haben es gesagt - ist das A und O im Justizvollzug. Wir müssen ein Interesse daran haben, dass das auch gelingt. Wenn es denn gelingt, dann ist das der beste

Schutz für die Allgemeinheit, und es ist im Übrigen auch der beste Weg, im Justizvollzug zu sparen.

Wenn es denn nicht gelingt, müssen wir rechtzeitig darauf vorbereitet sein, die Konsequenzen daraus zu ziehen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Insoweit werbe ich noch einmal für unseren Änderungsantrag und bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Dr. Brachmann. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau von Angern das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war interessant, heute zu erfahren, dass das Gutachten von Ernst & Young seit dem 28. Februar 2013 vorliegt. Es ist von meinen Vorrednern schon gesagt worden: Wir hatten seitdem zwei Sitzungen des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung, nämlich am 8. März 2013 und am 4. April 2013.

Ich kann meinen Vorrednern darin nur zustimmen: Spätestens am 5. April 2013 hätte uns mehr gesagt werden können als das, was uns gesagt worden ist. Denn das, was uns gesagt worden ist, bewegt mich weitaus mehr als die Tatsache, dass diese Ausschusssitzungen nicht genutzt worden sind. Uns ist von der Ministerin am 5. April 2013 gesagt worden, dass das Gutachten ergeben habe, dass grundsätzlich alles so bleiben kann, wie es ist.

Ich warte jetzt nicht darauf, dass man mich fragt, zu welchen Ergebnissen das Evaluationsgutachten gekommen ist. Ich möchte dies vielmehr noch einmal ganz deutlich vortragen. Zum Vertrag über Reinigung, Entsorgung und Ausstattung wurde gesagt: „kann grundsätzlich so bleiben, aber eine Überprüfung der Nachverhandlung ist geboten“. Zum Vertrag über die Verwaltungshilfsdienste gleicher Text: „Überprüfung der Nachverhandlung ist geboten“.

Der EDV-Systembetreuungsvertrag sollte grundsätzlich so weitergeführt werden. Verpflegungsleistungen sollen grundsätzlich nicht weitergeführt werden. Der Vertrag über die Gesundheitsfürsorge muss nachverhandelt werden. Der Vertrag über die Sicherheitsdienste muss nachverhandelt werden. Der Vertrag über die Sozialfürsorge muss ebenfalls nachverhandelt werden.

Ich schließe mich diesbezüglich meinem Kollegen Herrn Herbst an. Ich empfinde das ebenfalls als Missachtung des Parlaments, und ich be

dauere sehr, dass die Ministerin hierauf nicht reagiert hat.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Ich teile Ihre Auffassung, Frau Ministerin. Es ist sehr schade, dass das Gutachten keine Aussage dazu trifft, was die Leistungen in Eigenregie, sprich durch Personal des Landes Sachsen-Anhalt, eigentlich kosten würden. Wenn ich mir allerdings den Auftrag durchlese, der erst im Januar 2013 vom MF unterschrieben wurde, dann steht darin: Es geht um die Evaluierung des Betriebes der Justizvollzugsanstalt Burg Madel als PPPProjekt in der Betriebsphase sowie um die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit nach drei Jahren Betrieb.

Die Frage, die Sie gern beantwortet haben würden, finde ich hierin explizit nicht. Insofern darf man sich nicht wundern, dass sie nicht beantwortet worden ist. Es verwundert wiederum auch nicht, weil es kein Geheimnis ist, dass das Finanzministerium sehr wohl ein sehr großes Interesse daran hat, PPP-Projekte im Land Sachsen-Anhalt zu etablieren. Ich denke, das gilt nach wie vor auch für die Justizvollzugsanstalten.

Ich bedauere es sehr, dass Sie heute nicht bereit waren, noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen, dass Sie für ein weiteres PPP-Modell im Rahmen des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt nicht zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Vor dem Hintergrund des eben genannten Auftrages, der an Ernst & Young vergeben worden ist und an dessen Ende steht, dass PPP nach wie vor die wirtschaftlichste Variante für das Land Sachsen-Anhalt ist, zweifle ich diese Aussage ebenfalls an.

Meine Fraktion steht PPP-Modellen nach wie vor kritisch gegenüber. Das hat aber nicht nur etwas mit dem Thema Wirtschaftlichkeit zu tun. Frau Dr. Klein als Vorsitzende des Finanzausschusses hat natürlich vor allem das im Auge.

Ich als rechtspolitische Sprecherin sehe nach wie vor das Problem in der Abgrenzung zu hoheitlichen Aufgaben. Ich denke, wir müssen insbesondere bei dem Neubau der JVA Halle einmal schauen, wie viele Gefangene es in Halle sein werden, und darauf achten, dass wir in dem Punkt keine Abstriche zulassen.

Der Änderungsantrag von CDU und SPD wird heute von uns mitgetragen, Herr Herbst, nicht weil wir glücklich darüber sind, mit den Koalitionsfraktionen etwas ausgedealt haben, sondern weil ich in Ihrem Änderungsantrag, liebe Kolleginnen der SPD und

der CDU, grundsätzlich sehe, dass Sie das Problem ernst nehmen, und weil wir unseren Antrag in der heutigen Landtagssitzung vor dem Hintergrund gestellt haben, dass wir nichts kannten. Wir wussten zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht, was in dem Gutachten steht und was im Ergebnis empfohlen wird. Insofern hat sich unsere Position nach dem Aktenstudium tatsächlich ein Stück weit geändert.

Ich teile die Auffassung, dass es tatsächlich Probleme hinsichtlich des Vertrages zu den therapeutischen Leistungen geben wird, wenn wir diese selbst erbringen müssen.

Im Übrigen wundert es mich auch gar nicht, dass das Drohpotenzial von dem privaten Betreiber jetzt genutzt wird. Das ist unser neuralgischer Punkt. Meine Damen und Herren! Machen wir uns doch nichts vor: Die sitzen einfach am längeren Hebel. Denen ist bewusst, dass wir, das Land SachsenAnhalt, immer das Risiko bei PPP-Modellen tragen. Das zeigen sie auch; sie heben das Schild hoch. Das kann man nicht übersehen. Man muss sich doch genau diesen Problemen stellen. Auch deshalb müssen wir alle daran arbeiten, dass die JVA Halle nicht als PPP-Modell in Sachsen-Anhalt gebaut wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn im Zusammenhang mit der jetzt aufgemachten Abteilung der Sicherungsverwahrung in BurgMadel positiv dargestellt wurde, dass es vor allem so schnell ging, weil wir in diesem Fall einen PPPBetreiber haben, dann möchte ich einfach einmal einen Blick über die Landesgrenzen hinweg empfehlen.

Wir waren kürzlich in der JVA Werl. Dort geht man ganz entspannt mit dem Thema um. Sie bauen im Übrigen gerade in Eigenregie, auf Kosten des Landes, eine Sicherungsverwahrung für 160 Sicherungsuntergebrachte, die erst im Jahr 2016 eröffnet wird. Es ist vom OLG Hamm so abgesichert worden, dass es den rechtlichen Vorgaben entspricht.

Deshalb bin ich der Meinung, allein das als Argument anzuführen, dass das PPP-Modell ein Erfolgsmodell ist, reicht hinten und vorn nicht aus.

Wir werden dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD zustimmen. Wenn Herr Wunschinski seine Frage, die er Frau Dr. Klein stellen wollte, mir stellen möchte, dann hätte er dazu jetzt die Chance.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Herr Wunschinski möchte keine Frage stellen, aber Herr Bönisch und Frau Frederking möchten eine Frage stellen.

Frau von Angern, wie soll das Land aus Ihrer Sicht in Zukunft tätig werden? PPP wollen Sie nicht. Ich sehe, dass es wieder einmal ein Vehikel für Ihren Kreuzzug gegen PPP-Modelle im Allgemeinen ist.

Ich darf daran erinnern, dass es beispielsweise vor einigen Jahren ein Angebot eines Privaten zur Errichtung eines Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums in Halle mit einem Umfang von 44 Millionen € gab. Jetzt liegen wir im Eigenbau, in Eigenregie des Landes, ca. 50 % über diesem Angebot. Das ist noch schlechter als ein PPP-Modell. Das geht also auch nicht. Wie sollen wir dann in Zukunft überhaupt noch bauen?

Ich glaube, es ist nicht eine Frage des Prinzips, wie man damit umgeht, sondern es geht vielmehr darum, dass man vernünftige Verträge macht. Die Verträge in Burg waren eben schlecht, nicht PPP an sich ist schlecht. Verträge, die man im Rahmen eines solchen Geschäftes abwickelt, waren schlecht.

Sie sagen hier selbst, es wird nachverhandelt werden müssen, es wird verändert und vertraglich neu geregelt werden müssen. Hätte man es gleich richtig gemacht, hätte man möglicherweise PPP jetzt als Erfolgsmodell hinstellen können.

Ich will nur sagen, Sie sollten es bitte nicht missbrauchen als Symbol im Kreuzzug gegen PPP, den ich aus allen möglichen Verhältnissen schon lange kenne.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Herr Kollege Bönisch, mein fachpolitischer Kreuzzug gegen PPP bezieht sich ausdrücklich auf den Bereich des Justizvollzugs. Ich bin ausdrücklich der Auffassung, dass im Bereich des Justizvollzugs das Modell PPP gescheitert ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)