Protokoll der Sitzung vom 12.07.2013

Ich möchte mich, ohne einen Namen zu nennen, auf einen Bürgermeister in Querfurt beziehen, der während seiner Amtszeit immer wieder für den Stadtrat kandidiert hat, obwohl er als hauptamtlicher kommunaler Wahlbeamter natürlich im Amt bleiben wollte.

Ich kannte die Regelung in Brandenburg noch nicht, auf die Herr Striegel hingewiesen hat. Ich bin der Meinung, dass wir uns dies nach der Überweisung des Antrages ansehen können. Dann werden wir feststellen, ob wir nicht doch vielleicht zu einer Bündelung der Wahltermine unter Vermeidung solcher Scheinkandidaturen kommen können. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Rothe, zu Ihrer ersten Frage: Ja, ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich kann noch ganz gut zuhören.

Zu dem, was Sie danach sagten: Selbstverständlich werden wir uns im Innenausschuss auch mit dem auseinandersetzen, was der Kollege Striegel hier vorgetragen hat. Es würde mich umso mehr freuen, wenn wir im Ergebnis zu einer Vereinheitlichung der Wahltermine kommen könnten. Das haben Sie aber, zuletzt auch bei unserer Klausur in Wanzleben, strikt abgelehnt.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun spricht der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe doch noch einmal um das Wort gebeten, weil ich das aufnehmen will, was Sie gesagt haben, Herr Striegel. Herr Rothe, Sie haben darauf abgestellt.

Ich halte das, auf was Sie intendieren, für richtig, weil viele eine solche Kandidatur nur vorgeben, um möglichst viele Stimmen zu bekommen, bereits in

dem Wissen, dass sie dieses Amt niemals eintreten werden.

(Herr Erben, SPD: Stimmt genau!)

Daher halte ich das, was Sie für geeignet halten, für eine gute Idee.

Herr Rothe, ich habe Sie jetzt sogar so verstanden, dass Sie sagen: Wenn wir das hinbekommen, dann machen wir das andere auch noch.

Wenn Sie das schaffen, bin ich Ihnen dankbar. Dann lassen Sie es uns mit dem GBD beraten. Ich habe nur die Sorge, dass wir das aus Gründen unserer Verfassung nicht werden machen können.

Vor diesem Hintergrund will ich etwas Essig in den Wein gießen, weil wir von Verfassungs wegen niemand von einer Wahl ausschließen können. Das müssen wir dann gemeinsam bereden. Ich bin ans Mikrofon gegangen, damit Sie auch die Auffassung des Ministers dazu kennen.

Ich finde die Botschaft und den Ansatz gut. Lassen Sie uns gemeinsam mit dem GBD nach einer Lösung suchen! Ansonsten, denke ich, gibt es unterschiedliche Ideen und Vorstellungen, wie man Wahlen optimieren oder konzentrieren kann. Das gehört in so einem Parlament gelegentlich auch dazu.

Da wir als Koalition gut miteinander arbeiten - das sage ich jetzt einmal in Richtung der Antragsteller -, funktioniert die Zusammenarbeit auch an der Stelle, wo man in Nuancen manchmal eine andere Auffassung hat. Auch das gehört einfach dazu. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Nunmehr spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Dr. Thiel.

(Zuruf von Minister Herrn Stahlknecht)

Das macht nichts, Herr Minister Stahlknecht. Ihr Dazwischendrängeln eröffnet allen die Gelegenheit, noch einmal zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Es ist ein positives Zeichen, dass der Antrag in den Ausschuss geht. Ich habe auch alle Redner so verstanden, dass das Anliegen dort noch einmal ernsthaft geprüft werden müsse. Ich will nur darauf verweisen, dass das zeitliche Problem dahintersteht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Stadtrat von Dessau hat gestern einen Beschluss dazu gefasst, wann die Oberbürgermeisterwahl in Dessau stattzufinden habe - auch mit dem zweiten Wahltermin. Allerdings - das muss

man hier öffentlich kundtun - weiß der Stadtrat, dass es diesbezüglich möglicherweise noch eine Veränderung geben kann.

Wir sind als Gesetzgeber gefordert - darin gebe ich Ihnen, Herr Minister Stahlknecht, Recht -, gewissermaßen bestimmte Zwischenräume zu überbrücken. Das muss der Gesetzgeber tun.

Auf der anderen Seite war Ihr Argument - das nehme ich auch sehr ernst -: Niemand darf von Wahlen ausgeschlossen werden.

Aber wenn es die Möglichkeit gibt, dass am gleichen Tage der Landrat, der Oberbürgermeister, der Gemeinderat und der Kreistag gewählt werden, dann schließen sich von vornherein bestimmte Spielchen eigentlich aus. Das ist doch der Vorteil, wenn Sie zu einer entsprechenden Lösung kommen, die das vereinheitlicht.

Ich möchte an die Kollegen von der SPD den folgenden dringenden Appell richten: Sie sollten darauf verzichten, aus wahltaktischen Überlegungen für sieben Landräte diesen gemeinsamen Wahltermin zu blockieren. Das wäre ein richtiger Weg.

Ich hoffe, dass der Innenausschuss in seiner nächsten Sitzung dafür die Weichen stellt und dass wir vielleicht schon im September mögliche gesetzliche Regelungen auf den Weg bringen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke, Herr Kollege Dr. Thiel. - Nachdem die Landesregierung das Wort ergriffen hat, könnte jede Fraktion noch einmal einen Beitrag bringen, wenn sie möchte. Aber sie muss nicht. - Es möchte niemand. Damit schließen wir die Aussprache zu dem Antrag ab.

Ich lasse abstimmen. Es wurde beantragt, den vorliegenden Antrag in den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist Zustimmung aus allen Fraktionen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist der Antrag in den Innenausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 30 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Beratung

Alphabetisierung in Sachsen-Anhalt fördern

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2250

Für die Einbringer erteile ich Herrn Abgeordneten Wanzek das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie einmal mit Kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern über die Thematik Analphabetismus ins Gespräch kommen, dann werden Sie feststellen, dass viele dieses Problem in Entwicklungsländern verorten. Ich habe einmal diesen Versuch gemacht und kann daher diese Erfahrung nur bestätigen.

Wenn dann doch jemand aus Ihrem Umfeld feststellt, dass auch in Deutschland oder sogar in Sachsen-Anhalt Analphabeten existieren könnten, dann werden diese schnell der sozialen Unterschicht zugeschrieben. Vermutet wird, dass hauptsächlich Schulabbrecher und ungelernte Arbeitslose betroffen wären.

(Unruhe)

Wenn ich dann meine Gesprächspartner gebeten habe, einmal zu schätzen, wie viele funktionale Analphabeten in Deutschland existieren könnten, dann lag die Zahl weit unter den 7,5 Millionen Menschen, welche die entsprechenden Untersuchungen der leo.-Level-One-Studie aus dem Jahr 2010, auf die ich später noch eingehen werde, als funktionale Analphabeten ausweist.

(Unruhe)

Noch viel erstaunlicher ist, dass von unserer erwerbstätigen Bevölkerung rund 12,4 % zu den funktionalen Analphabeten zu zählen sind.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch um ein bisschen Konzentration bitten, damit man sich dem Thema widmen kann, das jetzt auf der Tagesordnung steht.

Danke schön. - Oder anders ausgedrückt: Knapp 57 % der funktionalen Analphabeten sind in einfachen Berufsfeldern tätig.

Wenn man einmal hochrechnet, wie viele Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt von funktionalem Analphabetismus betroffen sein könnten, dann gehen wir von 200 000, manche sogar von 350 000 Menschen aus. Aber auf jeden Fall sind es gut 10 % unserer Bevölkerung.

Diese Zahlen sind ein erschreckender Befund und decken sich überhaupt nicht mit den subjektiven Wahrnehmungen von uns allen hier und außerhalb des Landtages. Das ist schon unser erstes Problem: Funktionaler Analphabetismus wird als Randphänomen wahrgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für eine aktive gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe sind Lesen, Schreiben sowie Rechnen notwendige Fertigkeiten, die jeder braucht. Viel mehr noch: Im 21. Jahrhundert, im sogenannten Informationszeitalter, sind Lesen und Schreiben Schlüsselkompetenzen oder, wie Kultusminister Dorgerloh bei einer Veranstaltung der LAEB im Jahr 2011 sagte, grundlegende Kulturtechniken. Sie gehören einfach zur Grundbildung, die jeder Menschen besitzen sollte.

Aber was sind denn funktionale Analphabeten? - Funktionale Analphabeten sind nicht in der Lage, die Schrift im Alltag so zu gebrauchen, wie es im sozialen Kontext als notwendig und selbstverständlich angesehen wird. Funktionale Analphabeten sind Menschen, die zwar Buchstaben erkennen können und durchaus auch in der Lage sind, ihren Namen und ein paar Wörter zu schreiben, die aber den Sinn eines etwas längeren Textes entweder gar nicht oder nicht schnell genug und nicht mühelos verstehen können, um daraus praktischen Nutzen zu ziehen. Eine starre Grenze zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen existiert dabei nicht.