Protokoll der Sitzung vom 07.07.2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst noch einmal von der Intention unseres Antrags vom 4. Mai 2011 ausgehen, der in der Sitzung des Landtages am 13. Mai 2011 in der ersten Lesung erörtert wurde.

Im ersten Punkt ging es uns um die Überführung des Moratoriums in eine dauerhafte Stilllegung der sieben Atommeiler. Das ist jetzt mit dem Atomgesetz auf den Weg gebracht worden. Es sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass diese nicht wieder angefahren werden. Für den Rest gibt es Stilllegungstermine. Wir können sagen, dass dieser Punkt damit zu einem gewissen Maße erfüllt worden ist.

Im zweiten Punkt ging es um die Beteiligung Sachsen-Anhalts an den Klagen. Ein Teil der Grundlage der Klage ist jetzt sicherlich nicht mehr vorhanden; denn die avisierten Verlängerungen sind nicht in das Atomgesetz aufgenommen worden.

Im dritten Punkt ging es um die Dauerhaftigkeit und um die Unumkehrbarkeit dieser Lösung. Diesbezüglich sind nach wie vor Defizite vorhanden; denn diesem Punkt konnten Sie sich bisher nicht anschließen.

Damit bin ich auch bei der Beschlussempfehlung, die hier formuliert worden ist. Ich möchte allerdings mit dem beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie beginnen.

Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Verschiedenste Vereine, Verbände, das Umweltbundesamt, die Ethik-Kommission und auch die GRÜNEN haben klar gesagt, dass es frühere Termine für den Ausstieg gibt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man hier von einem beschleunigten Ausstieg reden kann. Es ist ganz klar - so steht es auch im Gesetz -, dass dieser Ausstiegstermin nicht an technischen oder auch an Sicherheitsfragen orientiert ist, sondern dass er im Prinzip ausschließlich auf den Interessen der Atomkonzerne basiert. Ich finde, dass man das nicht mit einem „beschleunigten Ausstieg“ gleichsetzen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum zweiten Punkt, der Frage des Ausstieges, der dauerhaft gestaltet werden soll. Hier wird formuliert: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist damit Realität. - Er ist mitnichten Realität. Es sind bisher durch das Gesetz bestenfalls Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass wir in den Ausstieg einsteigen können.

Während der Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages haben mehrere Redner festgestellt, dass erhebliche Zweifel an der Gerichtsfestigkeit dieses Gesetzes bestehen und dass es nicht gesichert ist, dass dieser Atomausstieg wirklich hält, wenn es zu Klagen der großen Energiekonzerne kommt.

Wie die Ministerin eben sagte, hat sich unsere Landesregierung im Bundesrat dem Antrag angeschlossen, nach dem eine Unumkehrbarkeit des Ausstieges vereinbart werden sollte. Allerdings finde ich die Frage der Unumkehrbarkeit nicht einmal in der Beschlussempfehlung wieder. Muss ich dar

aus schlussfolgern, dass Ihnen das hier nichts wert ist?

(Herr Harms, CDU: Hoi, hoi!)

Es wird immer damit argumentiert, dass der zwischen allen Parteien erzielte Konsens jetzt so tragfähig ist, dass es niemals dazu kommt, dass man sich von diesem Konsens über den Atomausstieg verabschiedet. Ich glaube, dass wir diese Illusion schon einmal hatten. Wir haben schon einmal den Ausstieg aus dem Ausstieg erlebt. Ich sehe diese Gefahr weiterhin bestehen; denn bis zum angeblich sicheren Ausstieg vergehen noch gut zehn Jahre. Fukushima ist dann sehr weit weg. Es ist schon jetzt aus der öffentlichen Wahrnehmung im Wesentlichen verschwunden.

Der Atomausstieg wird auch nicht konfliktlos sein. Es wird Schwierigkeiten und Probleme geben. Angstkampagnen, dass wir diesen Ausstieg nicht schaffen könnten, dass es zu Problemen im Bereich der Preisentwicklung kommt, dass es zu Stromausfällen kommt und dass es in den Häusern kalt wird, werden jetzt schon gefahren. Sie können sich sicher sein, dass diese Kampagnen zunehmen werden.

Aus diesem Grunde halten wir es für erforderlich, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern und damit die größtmögliche Hürde für ein Rollback aufzubauen. Daher werden wir der heute vorliegenden Beschlussempfehlung nicht zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Hunger. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über einen Antrag, der von den rasanten politischen Entwicklungen in Berlin schon wieder überholt wurde. Am vergangenen Donnerstag hat der Deutsche Bundestag mit einer überwältigenden Mehrheit den stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen - wieder einmal, muss man leider hinzufügen.

Deutschland ist nun wieder auf dem energiepolitischen Stand des Jahres 2000 angekommen; denn bereits vor elf Jahren hat der Bundestag schon einmal den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Demnach sollten nach 20 Jahren alle deutschen Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet werden.

Aber noch vor einem knappen Dreivierteljahr beschloss die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atommeiler und rückte damit den Atomausstieg in weite Ferne. Ein Großteil der deutschen Atomkraftwerke - selbst ältere, risi

kobehaftete Meiler - sollte demnach 14 Jahre länger laufen.

Der Köthener Karneval hielt mit der Parodie „Wenn der Meiler aber nun ein Loch hat, liebe Angela“ nicht nur der Bundesregierung den Spiegel vor. Als diese Mahnung so schnell und tatsächlich wenige Tage später Wirklichkeit wurde, ließ das nicht nur manchem Finanzvorstand der Atomkonzerne trotz unglaublicher Gewinnerwartungen das Lachen im Halse stecken bleiben.

Das schreckliche Beben in Japan im März dieses Jahres hat dann bei der Bundesregierung zu der Einsicht geführt, dass die Nutzung der Atomenergie eine Sackgasse ist. Nachdem das Kraftwerk in Fukushima erst vom Beben erschüttert und dann von einem Tsunami überrollt wurde, sind einige der Reaktorblöcke buchstäblich in die Luft geflogen. Via Fernsehsatellit wurde die Menschheit Augenzeuge des unkalkulierbaren Risikos, das mit der Nutzung der Kernenergie einhergeht. Die Folgen dieses Unglücks sind auch heute noch nicht wirklich abzuschätzen.

Nach dieser schrecklichen Katastrophe sind in Deutschland und auch hier in Sachsen-Anhalt Tausende Menschen auf die Straße gegangen und haben Druck auf die Bundesregierung in Berlin gemacht. Nun hat diese Bundesregierung in Rekordzeit, wie ich finde, eine rasante Kehrtwende in ihrer Energiepolitik vollzogen.

Dass wir in Deutschland endlich wieder so weit sind, ist gut so. Ich begrüße es außerordentlich, dass über alle Parteigrenzen hinsichtlich der Notwendigkeit des Atomausstieges und der Einleitung der Energiewende Einigkeit herrscht. Schade ist es nur, dass erst die Katastrophe von Fukushima zu diesem Umdenken geführt hat. Berechtigterweise gibt es nach wie vor umfassende Kritik an der Ausgestaltung der Energiewende. Dass sie allerdings notwendig ist, bestreitet sicherlich niemand mehr.

Ich muss es aber noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Wir hätten den endgültigen Atomausstieg schon früher haben können. Dass wir ihn jetzt im Jahr 2022 tatsächlich haben werden, ist dennoch gut. Damit sind vor allem für Sachsen-Anhalt durch den Ausbau der erneuerbaren Energien Chancen verbunden. Die Bundesregierung plant, den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kontinuierlich zu erhöhen und bis zum Jahr 2020 auf mindestens 35 %, bis zum Jahr 2030 auf mindestens 50 %, bis zum Jahr 2040 auf mindestens 65 % und bis zum Jahr 2050 auf mindestens 80 % zu steigern.

Deutschland soll dann zu dem gemacht werden, was Sachsen-Anhalt heute schon ist, das Land der erneuerbaren Energien; denn da ist unser Bundesland tatsächlich früher aufgestanden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Frederking.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novelle zum Atomgesetz wurde in der letzten Woche im Bundestag beschlossen. Das ist ein wichtiger Schritt zum endgültigen Atomausstieg. Es ist gut, dass acht Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet werden. Es ist gut, dass die am Netz verbleibenden neun Atomkraftwerke feste Abschaltdaten bekommen, und es ist gut, dass die Laufzeitverlängerung, die die schwarz-gelbe Bundesregierung erst vor wenigen Monaten durchgesetzt hatte, zurückgenommen wurde. Das sind richtige Schritte, und die begrüßen wir.

Allerdings ist es bedauerlich, dass erst die Katastrophe von Fukushima kommen musste, damit die Bundesregierung zu einer Kehrtwende in der Atompolitik bereit war. Sachargumente und Risikowarnungen wurden von CDU und FDP über Jahrzehnte hinweg nicht ernst genommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen haben sie immer wieder das ideologische Glaubensbekenntnis von der Brückentechnologie aufgesagt. Doch eine Ideologie, die Argumente außen vor lässt, darf politische Entscheidungen nicht bestimmen.

Erst jetzt haben sich die CDU und die FDP der Position der Anti-Atombewegung angenähert und sich dem breiten gesellschaftlichen Konsens für eine Beendigung der Atomnutzung angeschlossen. Dass es zu diesem gesellschaftlichen Konsens gekommen ist, ist ein Erfolg der Anti-Atombewegung und auch der GRÜNEN.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Atomausstieg von Frau Merkel reicht uns nicht. Es gibt zu viele offene Punkte. Diese werden wir aufzeigen und auf Verbesserungen drängen. Wenn Lücken nicht beseitigt werden können, werden wir GRÜNEN alles daransetzen, dass Atomkraftwerke auch vor den im Gesetz festgeschriebenen Daten abgeschaltet werden. Wir werden nicht tatenlos bis zum Jahr 2022 warten.

Bei einem Atomkraftwerk ist Laufzeit immer Gefahrzeit. Deshalb werden wir uns die Sicherheit anschauen und hierbei sehr hohe Standards anlegen. Dazu gehört auch, dass das kerntechnische Regelwerk endlich in Kraft gesetzt wird und für alle Atomkraftwerke Notstromversorgungen sichergestellt werden, die von den Stromnetzen unabhängig sind. Die Risikovorsorge muss sich an den Stand von Wissenschaft und Technik anpassen, und Sicherheit ist nicht verhandelbar.

Die vorliegende Beschlussempfehlung sieht eine Begrüßung der Initiativen der Bundesregierung vor. Bei aller Anerkennung richtiger Maßnahmen können wir diese positive Einschätzung nicht teilen und nicht mittragen. Bei dem, was im Bundestag beschlossen wurde, gehen wir nicht davon aus, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung eine echte Energiewende will.

Auch von der Landesregierung haben wir nicht gehört, dass sie sich auf der Bundesebene für ambitionierte Maßnahmen eingesetzt hätte, die auf eine zukünftige vollständige Versorgung durch erneuerbare Energien bei einer gleichzeitigen Senkung des Energieverbrauchs zielen.

Zu der erwähnten Gebäudesanierung. Die für die Gebäudesanierung vorgesehenen Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden € sind zu gering, um eine Sanierungsquote von 2 % zu erreichen. Stattdessen müsste das effektive KfW-Gebäudesanierungsprogramm sukzessiv auf jährlich 5 Milliarden € erhöht und verstetigt werden.

Auch die von der Bundesregierung erstrebten Steuererleichterungen sind sehr fragwürdig. Sie gehen auch zulasten von Kommunen und Ländern. Da muss noch nachgearbeitet werden.

Wir wollen Atomausstieg und Klimaschutz. Deshalb muss der Energieverbrauch in Gebäuden durch die Steigerung der Energieeffizienz rasch und nachhaltig gesenkt werden. Hierbei müssen wir vorankommen.

Zu dem erwähnten Ausbau der Netze. Eine länderübergreifende Planung ist sinnvoll, um schnell zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Es ist allerdings geboten, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur informiert werden, sondern tatsächlich einbezogen werden.

Es wäre auch wichtig, bezüglich der Leitungen Rahmenbedingungen zu schaffen, um sicherzustellen, dass die Hochspannungsleitungen der 110-kVSpannungsebene grundsätzlich unterirdisch verlegt werden.

Aus Berlin und auch aus Sachsen-Anhalt hört man nunmehr, dass man auf Kohlekraftwerke setzen will. Da kann man den Klimaschutz natürlich vergessen. Es macht auch überhaupt keinen Sinn, jetzt noch klimaschädliche Anlagen mit einer Leistung von 10 Gigawatt zu bauen. Man muss bedenken, dass schon einige Anlagen in Bau sind und kurzfristig realisiert werden. Insofern ist es gut, dass die Bundesnetzagentur nunmehr die Potenziale fossiler Kraftwerke erfasst.

Richtige Schritte sind getan worden, aber notwendige Schritte fehlen noch. Deshalb möchten wir an dieser Stelle nicht in das Loblied auf die Energiewende der jetzigen Bundesregierung einstimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dieser Debatte hat der Begriff „Konsens“ eine völlig neue Bedeutung bekommen. Jawohl, in Berlin ist in der Tat in großer Einmütigkeit der Atomausstieg beschlossen worden. Ich gestehe an dieser Stelle offen und ehrlich ein: Ich hätte vor einem Jahr nicht daran geglaubt, dass unsere schwarz-gelbe Regierung diesen Beschluss fasst.

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Wir auch nicht! - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Jawohl, wir stehen dazu. Wir akzeptieren ihn.