Eine Generalüberwachung mit Regelanfrage beim Verfassungsschutz wird durch eine solche Regelung nicht begründet. Eine solche wird es mit uns auch nicht geben.
Selbstverständlich müssen präventive Projekte im Umgang mit dem Rechtsextremismus weiter gestärkt werden. Wir unterstützen ausdrücklich das engagierte Vorgehen des Innenministers gegen rechtsextreme Strömungen und Gewalt sowie gegen Unterwanderung und fordern diese Unterstützung parteiübergreifend von allen demokratischen Kräften unseres Landes ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Extremisten sind erklärte Feinde der Demokratie und dürfen im öffentlichen Dienst, in kommunalen Vereinen und Verbänden keine Chance erhalten. Eine wehrhafte Demokratie darf es nicht zulassen, dass sich Extremisten in der Mitte unserer Gesellschaft breitmachen.
Wir können es nicht hinnehmen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Krauschwitz NPD-Parteitage besucht und in seiner Internetpräsenz dem Grundgesetz die Gültigkeit abspricht. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Strukturprinzipien des Grundgesetzes sind für uns nicht disponibel. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. Möchten Sie Fragen beantworten? - Derzeit gibt es zwei Fragesteller. Als Erster spricht der Abgeordnete Herr Höhn.
Herr Abgeordneter Kolze, zunächst nehme ich nach Ihrer Rede zur Kenntnis, dass Sie offensichtlich sehr weit in der Detailvorbereitung eines solchen Erlasses - oder wie man das auch immer bezeichnen möchte - sind. Ich will durchaus zugestehen, dass ich über diese Euphorie in Ihrer Stimme, was die Detailfreude betrifft, erschrocken bin.
Ich will Ihnen eine Frage stellen. Sie haben unter anderem darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Bewerberinnen und Bewerber gefragt
werden, ob sie die Asylpolitik der Bundesregierung tragen. Ich persönlich kritisiere die Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland spätestens seit dem Asylkompromiss in den 90er-Jahren. Bin ich damit ein Verfassungsfeind oder bin ich es nicht?
Wir sind am Anfang der Diskussion über dieses Thema. Ich habe beispielhaft erwähnt, dass dies eine Frage ist, die gestellt werden könnte. Sie muss es nicht sein, sie kann es aber sein.
Ich halte sie aber letztlich durchaus für geeignet, den Hintergrund eines Menschen zu ergründen, der sich zukünftig politischen Aufgaben stellen möchte.
Die Worte vernehm’ ich wohl: Den Hintergrund eines Menschen zu ergründen. - Genau darum geht es. Ich glaube, damit bewegen wir uns im kritischen Bereich.
Im Übrigen können Sie mir nachher außerhalb des Plenums noch die Frage beantworten, ob ich auch ein Verfassungsfeind bin; denn auch ich sehe den Asylkompromiss von 1993 sehr kritisch.
Eine andere Frage. Sie haben das gestufte Verfahren beschrieben. Sie haben wie der Minister beschrieben, dass es nicht um eine Regelanfrage geht. Insofern ist das eine Schadensbegrenzung an dieser Stelle. Aber der Verfassungsschutz kommt am Ende trotzdem in eine spannende Rolle; denn um dessen Einschätzung geht es.
Nun ist es so, dass der Verfassungsschutz in einem solchen Verfahren eine Einschätzung trifft, die jedenfalls für den Moment faktisch nicht weiter überprüfbar ist, die jedoch dafür sorgt, dass es unmittelbar eine Rechtsfolge für denjenigen gibt, der sich um ein politisches Amt, um ein Wahlamt, als Wahlbeamter beispielsweise, bewirbt. Am Ende könnte möglicherweise die Situation entstehen, dass das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz
nicht mehr zu ziehen ist, weil der Verfassungsschutz dem Wahlausschuss sagt, der Bewerber ist aus unserer Sicht als verfassungsfeindlich einzuschätzen, und der Wahlausschuss eine Entscheidung trifft. Er wird vermutlich sagen - ich habe diese Annahme -: Wir folgen der Einschätzung des Verfassungsschutzes.
Die Wahl findet statt. Dann haben wir das Problem, dass eine gerichtliche Überprüfung des Ganzen, zumal auf einer Faktengrundlage, die gesichert ist - denn wir haben es mit einem Geheimdienst zu tun -, nur sehr schwer möglich, wenn überhaupt noch durchführbar ist.
Wir haben dafür in anderen Bundesländern Beispiele, wo Institutionen im Verfassungsschutzbericht aufgetaucht sind, die nur nach sehr langen verwaltungsrechtlichen Klagewegen wieder herausgekommen sind und oft Erfolg mit ihren Klagen hatten.
Ich frage Sie deshalb: Wie wollen Sie das Grundrecht auf einen effektiven Rechtsschutz in einem solchen Verfahren sichern?
Lieber Kollege Striegel, zunächst gehe ich davon aus, dass die Beamten des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt wie alle anderen Beamten unseres Landes auch nach dem Grundsatz „Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes“ handeln und sehr sorgfältig mit diesem Thema umgehen.
Darüber hinaus zeichnet es unseren Rechtsstaat aus, dass jede Entscheidung, die von einer Behörde getroffen wird, auch gerichtlich überprüfbar ist.
Daher kann ich Ihre Befürchtungen, Herr Striegel, nicht teilen. Dass derjenige, den eine solche Entscheidung trifft, das gewohnheitsmäßig völlig anders sehen wird, ist etwas, was der demokratisch wehrhafte Rechtsstaat schlichtweg hinnehmen muss. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte bis eben noch die vage Hoffnung, dass das, was der Innenminister in seinem Interview gesagt hat, von ihm nur so dahingesagt wurde, ohne dass das bisher untersetzt ist. Aber nach dem Redebeitrag von Herrn Kolze muss ich mit Erschrecken feststellen, dass es schon sehr konkrete Vorstellungen gibt, die einem das Grausen bringen können.
Ich habe mich bei den Reden des Innenministers und des Vertreters der CDU-Fraktion gefragt, wie ernst sie es mit ihrer Aussage meinen, dass man parteiübergreifend, mit allen demokratischen Parteien gegen die NPD und den Rechtsextremismus vorgehen soll.
Wenn ich die Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der Partei DIE LINKE in den kommunalen Vertretungen lese, dann stelle ich fest, dass diese eine andere Sprache sprechen. Darin steht unter drittens:
„Die CDU sollte keine förmlichen Bündnisse mit der Partei DIE LINKE oder ihr ideologisch nahestehenden Organisationen zur Bekämpfung der NPD eingehen. Diese helfen eher der NPD bei der gewollten Polarisierung.“
Meine Damen und Herren! Bundesweit beteuern die Innenminister der Länder, ein NPD- Verbotsverfahren nun aber ernsthaft in Angriff nehmen zu wollen. Aber die Realität spricht eine andere Sprache, sodass wir an dieser Stelle ganz deutlich sagen: DIE LINKE nimmt ihnen die Ernsthaftigkeit dieser Absichtserklärung nicht mehr ab.
Wer auf der einen Seite immer wieder beteuert, wie wichtig ein Verbot dieser menschenverachtenden Partei ist, aber auf der anderen Seite nicht im Entferntesten bereit ist, die elementaren Voraussetzungen für ein solches Verfahren zu schaffen, dem muss unweigerlich unterstellt werden, dass das alles nur Lippenbekenntnisse sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden für ein Verbotsverfahren gesetzt. Eine der Voraussetzungen ist, dass alle V-Leute aus der Szene abgezogen werden. Das aber haben die Innenminister mit Mehrheit abgelehnt, wohl wissend, dass damit ein Verbotsverfahren von vornherein wieder zum Scheitern verurteilt ist. Wir halten solch ein Vorgehen für unredlich und unehrlich.
Nun lässt Herr Innenminister Stahlknecht in seinem Haus prüfen - wir haben eben gehört, dass die Prüfung schon sehr weit fortgeschritten ist -, inwieweit ein Radikalenerlass neu aufgelegt werden könnte. Wir hatten eigentlich angenommen, dass diese Zeiten längst der Vergangenheit angehören.
Bevor ich zur rechtlichen Einordnung eines solchen Vorgehens komme, muss ich auf die Historie eingehen. Am 28. Januar 1972 fassten die Ministerpräsidenten der Länder einen Beschluss, wonach die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeind
lichen Organisation ein Grund für die Nichteinstellung oder die Entlassung aus dem öffentlichen Dienst war.
Formal sollte dieser Erlass für Rechts- und Linksextremisten gelten. Von vornherein war aber allen Beteiligten klar, dass dieser Erlass in erster Linie für Mitglieder der DKP gedacht war, aber auch für Menschen, die sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten, in der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner oder in der Vereinigung demokratischer Juristen engagierten.
Für Mitglieder rechtsextremistischer Parteien und Organisationen spielte der Erlass so gut wie keine Rolle. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, wie in der alten BRD mit Nazigrößen umgegangen wurde. Denn viele von ihnen bekleideten jahrelang bis zu ihrer Pensionierung hohe Posten im öffentlichen Dienst. An dieser Stelle hätte der Radikalenerlass gestört.