Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Herr Abgeordneter Hövelmann, bitte.

Vielen Dank. - Herr Kollege Herbst, Sie haben in Ihrem Redebeitrag mehrfach deutlich und auch mit klaren Worten die Position der SPD kritisiert, dass wir unser Wahlprogramm während der Koalitionsverhandlungen in Berlin nicht komplett haben durchsetzen können. Deshalb habe ich zwei Fragen.

Stimmen Sie mir erstens darin zu, dass es einen Unterschied zwischen einem Wahlprogramm, das

eine Partei für sich und für ihre eigene politische Positionierung aufstellt, und einem Koalitionsvertrag gibt, den mehrere politische Parteien mit unterschiedlichen politischen Zielen miteinander aushandeln?

Stimmen Sie mir zweitens darin zu, dass Sie in den Ländern, in denen DIE GRÜNEN an Koalitionen beteiligt sind oder waren, Ihre jeweiligen Wahlprogramme auch nicht zu 100 % in Koalitionsverträgen haben umsetzen können?

Ich kombiniere die Antwort auf beide Fragen einmal und stimme sozusagen beiden Punkten zu. Es geht ja um den gleichen Sachverhalt. Natürlich ist das so, Herr Hövelmann. Wenn Sie mir genau zugehört haben, dann müssten Sie festgestellt haben, dass ich nicht kritisiert habe, dass die SPD nicht ultimativ alles umsetzen konnte, sondern ich habe insbesondere kritisiert - deswegen ist auch die große Enttäuschung vorhanden -, dass es hierbei um einen Punkt geht, der der SPD ausgesprochen wichtig war.

Die doppelte Staatsbürgerschaft und der Optionszwang sind nicht erst seit zwei, drei Jahren ein wichtiger Bestandteil der Integrationspolitik der SPD; vielmehr war das einer der Punkte, die ganz weit vorn immer mit ins Feld geführt worden sind. Er war vielleicht unter den ersten fünf Punkten; ich weiß es nicht. Man müsste sich das Wahlprogramm für die Bundestagswahl noch einmal anschauen. Aber eine solche Priorität hatte das für Sie. Ich und die vielen Hunderttausend Menschen, die in Deutschland davon betroffen sind, hätten es sich sicherlich gewünscht, dass sich die SPD an dieser Stelle einfach mehr verkämpft.

Zu den Expertenrunden. Wenn man sich mit den Leuten unterhält, die bei den Koalitionsverhandlungen mit dabei waren, dann mag man den Eindruck gewinnen, dass an der einen oder anderen Stelle doch sehr schnell aufgegeben wurde. Vielleicht - ich weiß es nicht - hätte man mehr herausholen können. Ich glaube, bei einem so wichtigen Thema wäre das angebracht gewesen.

(Zuruf von Herrn Erben, SPD)

- Es ist doch so.

Weitere Nachfragen gibt es nicht. Danke schön. - Wir fahren fort. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Herbst, Ihr Engagement

bei diesem Thema - wir sind dabei nicht weit auseinander - ehrt Sie. Ich habe eben nur so für mich gedacht: Die Rede, die Sie hier gehalten haben, hätten Sie eigentlich im Reichstag zu Berlin halten müssen, weil dort die Zuständigkeit für die Entscheidung über das zukünftige Gesetz liegt. Gleichwohl haben Sie versucht, uns aufzurütteln. Aber wir sind für das, was jetzt in einem Berliner Gesetzgebungsverfahren entschieden wird, nicht zuständig. Ich kann es deshalb kurz machen.

(Herr Herbst, GRÜNE: Bundesrat!)

- Selbstverständlich. Im Bundesrat wird es eine Vorlage geben. Da das ein abgestimmter Entwurf der regierungstragenden Koalition in Berlin ist, werden wir dem auch zustimmen.

Ich habe in meiner Regierungserklärung damals ausführlich auch zur Frage der Optionspflicht Stellung genommen. Ich bin der Auffassung, dass das Optionsverfahren unverzüglich abzuschaffen ist - das sage ich hier ganz deutlich -, weil dieses auch mehrere Auswirkungen hat.

Es geht hierbei um Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten, die unser Schulsystem, unser Bildungssystem durchlaufen und bei uns studieren, die sich zu diesem Zeitpunkt dann entscheiden müssen. Wenn sie sich gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden, dann gehen sie möglicherweise in ihr anderes Herkunftsland mit unserer Ausbildung zurück. Ich meine das jetzt gar nicht zynisch. Sie sind bestens qualifiziert. Wir verlieren dadurch auch gute Kräfte in unserem eigenen Land. Auch das spielt neben den rein menschlichen Integrationsfragen eine Rolle.

Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass hier nicht der Raum und Ort für eine Diskussion über die Frage ist, wie das auszugestalten ist. Der Aspekt, dass niemand völlig voraussetzungslos die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten soll, gehört zu den Punkten, über die beraten werden muss.

Es gibt - das läuft als Meldung über den Ticker bei dpa und „Focus“ - jetzt den Vorschlag, dass die Optionspflicht entfällt, wenn jemand eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt hat. Darüber wird sicherlich noch beraten werden. Ich lasse das, was in Berlin passiert, auf uns zukommen.

Wir haben die Entwicklung hinsichtlich der Optionsfälle in Sachsen-Anhalt immer sehr genau beobachtet, weil ich ein Gegner der Optionspflicht bin. Das haben wir nicht erst jetzt getan. Es ist bei uns allerdings auch einfacher als in anderen Ländern, da die Zahl der Optionspflichten bei uns deutlich geringer ist.

Damit kennen Sie meine Meinung und damit auch die der Landesregierung. Wir warten jetzt ab, was in Berlin passiert. Ich habe Ihnen auch Einschränkungen genannt, die ich nicht näher zu unterfüttern

habe, weil darüber derzeit in Berlin verhandelt wird. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Herbst.

Herr Minister, eine Nachfrage. Sie haben eingangs, als Sie über das Stimmverhalten im Bundesrat gesprochen haben, gesagt, dass Sie dem zustimmen werden. Was haben Sie genau damit gemeint? Welchem Dokument werden Sie zustimmen?

Es wird irgendwann in Berlin ein Gesetz geben müssen, mit dem die jetzige Rechtslage abgelöst wird. So sehe ich das jedenfalls. Wenn es sich dabei um ein im Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, dann wird bei uns im Kabinett das Abstimmungsverhalten festgelegt.

Ich habe das Ergebnis dieser Beratungen antizipiert, weil ich fest davon ausgehe, dass eine Regierungskoalition in Berlin, die die gleiche wie hier ist, von uns im Bundesrat die Zustimmung bekommt, wenn sie sich auf ein Verfahren geeinigt hat.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Egal was drin steht!)

- Herr Gallert, Sie würden das so machen, dass Sie zustimmen würden, egal was drin steht.

(Zuruf von der LINKEN)

- Nein, das habe ich nicht gesagt. Gehen Sie davon aus, dass wir hier im Kabinett auch eine sehr gute Facharbeit leisten. Dann brauchen wir Ihre Zwischenrufe jetzt an dieser Stelle nicht.

(Zuruf von der LINKEN: Och! - Unruhe)

Darf ich noch eine Nachfrage stellen? Würden Sie uns verraten, Herr Minister - -

(Zuruf von der LINKEN)

Herr Krause, Sie dürfen alles. Das haben Sie doch heute Morgen schon - - Ach nein, das war jemand anderes.

(Herr Lange, Die LINKE: Der ist nicht da!)

- Ja, das kam aus der Ecke.

(Unruhe)

Jetzt bin ich einmal an der Reihe. - Herr Minister, würden Sie uns vielleicht noch verraten, wie Sie sich bezüglich der von uns in dem Antrag erwähnten Bundesratsinitiative in den Ausschussverhandlungen im Bundesrat verhalten würden?

Ich meine, das Verfahren läuft und die Bundesratsinitiative befasst sich genau mit dem Ziel, das Sie artikuliert haben, nämlich den Optionszwang obsolet zu machen.

Im Augeblick gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen der Länder, auch die von Ihnen genannte. Derzeit findet das Abstimmungsverfahren in Berlin statt, das Sie erwähnt haben. All das findet in einer Entscheidungsfindung, die wir im Kabinett gemeinsam vornehmen, immer seinen Widerhall. Insofern lassen Sie uns das gut gegeneinander abwägen. Wir werden Sie dann über das Ergebnis informieren.

Wir fahren fort. Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird ein Thema aufgegriffen, von dem Sie genau wissen - das haben Sie in Ihrer Rede auch dargestellt -, dass die in den Koalitionen vertretenen Parteien im Bund und hier im Land dazu unterschiedliche Meinungen haben. Das haben Sie deutlich gesagt.

Um die doppelte Staatsbürgerschaft haben Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen wirklich zäh gerungen. Ich sage an dieser Stelle deutlich - Sie haben es in den Medien sicherlich mitverfolgt -, dass dies ein Punkt gewesen ist, an dem die Koalition im Bund hätte scheitern können; denn dies war ein sehr wichtiger Punkt. Man hat sich geeinigt. Man hat andere Kompromisse geschlossen, die auch für die SPD wichtig gewesen sind. Ich nenne nur das Thema Mindestlohn. Die Ergebnisse der Verhandlungen entsprechen manchmal eben nicht im Verhältnis 1 : 1 dem Parteiprogramm.

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist kein neues Thema. Es ist ein sehr umstrittenes Thema. Es ist auch ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. In der SPD sprechen wir uns schon lange und sehr offen für die doppelte Staatsbürgerschaft aus. Die

ses Thema ist politisch sehr umstritten und in manchem Wahlkampf auch schon politisch missbraucht worden.

Wir als SPD sprechen uns dafür aus, dass die doppelte Staatsbürgerschaft für alle in Deutschland geborenen Migranten ausgesprochen und zugelassen wird.

(Zustimmung von Herrn Barth, SPD)

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein wesentlicher Bestandteil eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts, welches die vielfältiger werdende Gesellschaft widerspiegelt und eine wirkliche Willkommenskultur, für die wir eintreten und für die wir kämpfen, darstellen würde.

Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist ein Kompromiss, und wir streiten weiter bis zu einer Einigung, wie sie nun erfolgt ist. Dieser Kompromiss ist trotzdem ein Teilerfolg. Natürlich ist es Salamitaktik, wie Sie es genannt haben. Aber es ist eine Salamischeibe im positiven Sinne und keine Verschlechterung der bisherigen Position.

Gegen den Gesetzentwurf des Innenministers de Maizière - Sie haben das zitiert - gibt es nun die Initiative des Bundesrats. Sie wissen auch, dass in unserem Land die gleiche Koalition wie im Bund besteht und keine Koalition wie in den Bundesländern, die diese Initiative in den Bundesrat einbringen, nämlich Rheinland-Pfalz, NRW und Schleswig-Holstein.