Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Gegen den Gesetzentwurf des Innenministers de Maizière - Sie haben das zitiert - gibt es nun die Initiative des Bundesrats. Sie wissen auch, dass in unserem Land die gleiche Koalition wie im Bund besteht und keine Koalition wie in den Bundesländern, die diese Initiative in den Bundesrat einbringen, nämlich Rheinland-Pfalz, NRW und Schleswig-Holstein.

Deshalb wird es Sie nicht verwundern, dass wir Ihren Antrag in den Ausschuss überweisen wollen, um weiterhin darüber zu diskutieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Kollegin Schindler. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Quade.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als sich im Jahr 1999 die rot-grüne Bundesregierung aufmachte, das Staatsangehörigkeitsrecht grundlegend zu modernisieren und zu einer prinzipiellen Akzeptanz von Mehrstaatigkeit, gesellschaftlich wie rechtlich, zu kommen, traf dies auf den erbitterten Widerstand und eine mittlerweile im negativen Sinne legendäre Kampagne von CDU und CSU.

Im Bundesrat - der Kollege Herbst hat dies gesagt - konnte dieser Ansatz der Akzeptanz der Mehrstaatigkeit nicht gehalten werden. Im Ergebnis eines Kompromisses schufen SPD, GRÜNE und FDP den sogenannten Optionszwang, der in Deutschland geborenen Kinder zwar die Möglich

keit der Doppelpässigkeit gibt, sie aber zu einer Entscheidung bis zum 23. Lebensjahr für eine der beiden Staatsbürgerschaften zwingt.

Die Optionspflicht ist ein bürokratisches Monster. Sie ist rechtlich mehr als umstritten, da sie den vom Grundgesetz aus wirklich gutem und nicht nur historischem Grund verbotenen Entzug der Staatsbürgerschaft ermöglicht. Sie führt zu enormen Ungerechtigkeiten. Sie zwingt junge Menschen zu einer prinzipiell unnötigen Entscheidung. Sie konterkariert Integration und zeigt, wo die tatsächlichen Integrationsverweigerer sitzen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vor allem aber führt die Optionspflicht zu Staatbürgern zweiter Klasse, die dann eben doch keine richtigen Deutschen sind und sein sollen. Insbesondere ist sie eine Diskriminierung türkischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, weil die Optionspflicht interessanterweise trotz der prinzipiellen Bedenken, die immer vorgetragen werden, für Bürgerinnen und Bürger der EU und der Schweiz, die auch eine deutsche Staatsbürgerschaft haben wollen, nicht gilt. In diesen Fällen greifen die grundsätzlichen Bedenken also nicht.

DIE LINKE hält diesen grundsätzlichen Ansatz im Staatsbürgerschaftsrecht, der eher auf Ausgrenzung als auf Offenheit, eher auf Blutslinien als auf die Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit, lieber auf juristische Traditionslinien der Vergangenheit als auf Kosmopolitismus und, um es nicht ganz so abstrakt zu machen, schlichtweg auf gesellschaftliche Realität setzt, für falsch.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Den Optionszwang abzuschaffen ist deshalb ein richtiger Schritt. Er ist notwendig und er ist auch überfällig. Meine Partei hat den Optionszwang von Anfang an scharf kritisiert Meine Fraktion wird dem hier vorliegenden Antrag deshalb selbstverständlich zustimmen und ihn unterstützen.

Angesichts der in der Vergangenheit sehr warmen Worte der Landesregierung und auch des Innenministers zur Entwicklung einer Willkommenskultur und zum postulierten eigenen Interesse an Integrationsmöglichkeiten ging ich im Grunde genommen voller Hoffnung davon aus, dass die Koalitionsfraktionen dem Antrag zustimmen könnten, zumal es durchaus eine formulierte Position im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene gibt - das haben Sie alle vorgetragen -, auf der dieselben Koalitionsverhältnisse wie in Sachsen-Anhalt herrschen.

Wir haben heute gehört, wie die Koalition das hier handhaben will. Wir haben damit auch wieder gehört, wie es um die Willkommenskultur in SachsenAnhalt tatsächlich bestellt ist.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Leim- bach, CDU: Oh!)

Ich will für meine Fraktion deutlich sagen, dass die Abschaffung der Optionspflicht nur ein notwendiges Element auf dem Weg zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht ist.

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag auf der Bundesebene zeigt sich aber auch, dass dieses Element eines der dringendsten ist und dass diese Bundesratsinitiative sehr notwendig ist. Denn anders als angekündigt geht es eben nicht um eine vollständige Abschaffung der Optionspflicht, sondern um eine erneute Knüpfung an bestimmte Bedingungen. Nachdem jetzt ein neuer Schritt gegangen werden soll, soll der ununterbrochene Aufenthalt in Deutschland nicht mehr für zwölf Jahre nachgewiesen werden, sondern für acht Jahre.

Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, werden wir sehen, wie konkret die weiteren Hürden sein werden. Für uns steht fest, dass neue Hürden eingezogen werden, ob es nun zwölf oder acht Jahre sind. Es wird erneut ein bürokratischer Aufwand geschaffen. Es wird eine erneute Benachteiligung bereits Benachteiligter geschaffen.

Auch deshalb ist diese Bundesratsinitiative der im Antrag genannten Länder richtig und notwendig. Auch ich werbe für die Unterstützung dieses Antrages. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Kollegin Quade. - Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2012 gab es in Sachsen-Anhalt einen deutschen Staatsbürger, der gemäß geltenden gesetzlichen Regelungen optionspflichtig war und der durch die Behörden auf seine Optionspflicht und deren Folgen hingewiesen wurde. - So viel zu dem Thema gesellschaftliche Realität, liebe Kollegin Quade.

Der Betroffene besaß neben der deutschen auch die polnische und die pakistanische Staatsangehörigkeit. Nunmehr verfügt er nur noch über die deutsche Staatsangehörigkeit und die polnische Staatsangehörigkeit. Die Daten sind bekannt. Also tun Sie bitte nicht so, als ob in Sachsen-Anhalt massenhaft junge Menschen eine schwere Gewissensentscheidung treffen müssen. Sie skizzieren nicht die Realität im Land.

Aber das ist das Problem, wenn man Debatten, die zugegebenermaßen für andere Bundesländer eine größere Relevanz haben, nicht auf die Verhältnisse des eigenen Bundeslandes abstimmt. Es ist manchmal besser, die großen Debatten der Bun

despolitik dort zu führen, wo sie hingehören, nämlich im Deutschen Bundestag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bisherige Optionsmodell ermöglicht es jungen Migranten, die Entscheidung über die Staatsangehörigkeit bis zum 23. Lebensjahr zu treffen. Die BAMF-Einbürgerungsstudie zeigt, dass sich 90 % der Betroffenen für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden. Angesichts solcher Werte ist der Vorwurf, es müsse eine unzumutbare Gewissensentscheidung getroffen werden, nicht nachvollziehbar.

Knapp 90 % der Optionspflichtigen entscheiden sich für den deutschen Pass, weil sie hier ihren Lebensmittelpunkt haben, weil sie die Rechte eines deutschen Staatsangehörigen behalten wollen, weil sie auch die Vorteile nutzen wollen, zum Beispiel als EU-Bürger zu reisen, zu leben und zu arbeiten. Viele entscheiden sich aus vollem Herzen und aus voller Überzeugung für die deutsche Staatsangehörigkeit und vergessen trotzdem nicht ihre kulturellen Wurzeln.

Eines sage ich sehr deutlich: Eine zweite Sprache zu sprechen, sich im Land der Vorfahren zurechtzufinden, verwandtschaftliche Beziehungen zu pflegen und die dortige Kultur zu erleben und zu erfahren, all das hat grundsätzlich nichts mit mehreren Staatsbürgerschaften auf dem Papier zu tun. Die Wurzeln der Heimat werden immer im Herzen behalten, unabhängig von einem Personalausweis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war daher der Wille der Union, an der bestehenden Regelung festzuhalten. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der CDU und der SPD in Berlin ist nun vereinbart worden, dass für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern in Zukunft der Optionszwang entfallen wird und dass die Mehrstaatlichkeit akzeptiert wird. Im Übrigen soll es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht bleiben. Diesen Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft tragen wir mit.

Auf der Bundesebene hat Bundesinnenminister de Maizière gemäß dieser Vorgabe einen Referentenentwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Es wird eine weitere Tür geöffnet. Junge Betroffene müssen sich nicht zwingend zwischen zwei Staatsbürgerschaften entscheiden, wenn sie hier geboren und aufgewachsen sind.

Wer in Deutschland einen Schulabschluss erworben hat oder bis zum 23. Lebensjahr mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt hat, davon vier Jahre im Alter zwischen zehn bis 16, soll von der Optionspflicht befreit werden. Mehr als 90 % der heutigen Optionspflichtigen würden diese Kriterien erfüllen und sie bekämen somit die doppelte Staatsangehörigkeit. Vorgesehen ist übrigens auch, dass diejenigen, die aufgrund der Ausübung

der Option den deutschen Pass verloren haben, diesen wiedererlangen können.

Warten Sie erst einmal die Beratungen zum Gesetzentwurf ab und zerreden Sie ihn nicht mit einer Scheindebatte. Die Koalitionsvereinbarung wird mit Leben erfüllt, unabhängig davon, ob wir uns heute in diesem Hohen Hause mit dem Thema beschäftigen oder nicht. Eines sage ich aber auch sehr deutlich: Die Kriterien „hier geboren“ und „hier aufgewachsen“ sind essenziell und davon wird die CDU nicht abrücken.

Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Antrages in den Innenausschuss zur weiteren Beratung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Kolze, es gibt eine Frage der Abgeordneten Quade. Möchten Sie diese beantworten? - Kollegin Quade, bitte.

Herr Kollege Kolze, es ist tatsächlich eine Kleinigkeit und nur für das Protokoll. Geben Sie mir Recht, dass die Entscheidung über die Positionierung der Bundesländer im Bundesrat sehr wohl eine Angelegenheit der Länder ist und dass der Landtag gut beraten ist, sich damit zu befassen, weil es schlichtweg seine Aufgabe ist?

Natürlich ist das so.

Wir fahren fort; weitere Nachfragen gibt es nicht. - Als nächster Redner spricht noch einmal Herr Herbst.

Danke, Herr Präsident. - Ich mache es kurz, aber mir ist es wichtig, noch Folgendes zu sagen: Frau Schindler, ich finde es gut, dass Sie die Salamitaktik zugegeben haben. Es gehört auch etwas dazu, sich dazu zu bekennen. Wobei ich bezüglich der Ausschussüberweisung schon sagen muss, dass wir hierüber gern mitdiskutieren. Aber ich habe so meine Befürchtungen hinsichtlich des Ausgangs. „Salami hauchfein“ nennt man das, glaube ich.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Herr Minister, von Ihnen hätte ich mehr erwartet. In der Vergangenheit haben Sie für dieses Thema Interesse gezeigt und haben dieses im Landtag auch mehrfach platziert. Mir fehlt aber trotzdem die Leidenschaft, die das Ganze unterfüttert. Ich glaube,

es ist wichtig, dieses Thema auch ein Stück weit zu einer Herzensangelegenheit zu machen.

Wenn ich über eine Willkommenskultur spreche, dann ist das nicht nur ein technokratischer Begriff. Man muss auch alles dafür tun, damit es nicht zu einem technokratischen Begriff wird. Man muss das Willkommen zu einer Herzensangelegenheit machen und mit Leidenschaft unterfüttern, sonst kann man ein solches Projekt in das Reich des Schattenboxens verbannen.

Diesbezüglich würde ich mir doch sehr wünschen, dass wir das Gesamtprojekt „Willkommenskultur und Einwanderungsland Sachsen-Anhalt“, hinter dem, glaube ich, der größte Teil der Mitglieder dieses Hohen Hauses steht, in Zukunft gemeinsam mit Initiativen weiter voranbringen, zu denen man sich hier inhaltlich äußert, zu denen man fundiert Stellung nimmt und bei denen man nicht ständig den Eindruck bekommt, dass nur alte Grabenkämpfe ausgefochten werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Herbst. - Damit schließen wir die Aussprache zum Tagesordnungspunkt ab und treten in das Abstimmungsverfahren ein. Es wurde die Überweisung in den Innenausschuss beantragt. Ein weiterer Ausschuss wurde nicht genannt.

Wer den vorliegenden Antrag in den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Möchte jemand dagegen stimmen? - Das ist nicht der Fall. Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig in den Innenausschuss überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 20 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

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