Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

Farbgläser wurden gegen die Fassade des auch von anderen Mietern genutzten Bürohauses geworfen. Auf dem Gehweg wurde der Schriftzug „Feuer und Farbe der Repression“ - Herr Schröder zitierte ihn bereits - aufgebracht.

Auch hierzu war nur wenige Tage später ein Bekennerschreiben im Internet zu finden. Dieses Mal war die Verurteilung eines Antifaschisten aus Burg zu zwei Jahren Haft auf Bewährung Motiv des Handelns. Das Urteil wurde als - ich zitiere - „nur eine von etlichen Repressionsmaßnahmen gegen AntifaschistInnen aus Burg“ dargestellt. Die CDUGeschäftsstelle wurde gezielt ausgewählt, da die - ich zitiere - „Kriminalisierung und Zerschlagung linker Strukturen eine gezielte Kampagne des Innenministeriums zu sein scheint, allen voran Innenminister Stahlknecht“.

Das war der zweite Angriff auf das Gebäude innerhalb von nur zwei Monaten. So warfen am 18. Juni 2013 während der Versammlung anlässlich der Bombardierung der Stadt Magdeburg im Zweiten Weltkrieg etwa 20 schwarz gekleidete und vermummte Personen rund 30 Pflastersteine gegen die Fassade.

Die bisherigen polizeilichen Ermittlungen kommen zu dem Resultat, dass es sich in beiden Fällen um gezielt vorbereitete Aktionen der linksextremistischen Szene gehandelt hat. Die Handlungen waren keine Spontanaktionen oder einfache Sachbeschädigungen, sondern das Tatobjekt wurde gezielt und bewusst ausgewählt und die verwendeten Tatmittel zudem aufwendig vorbereitet. In beiden Fällen sind die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Das Phänomen linksextremistischer Straftaten ist bundesweit zu beobachten. Zumeist sind es Parteibüros, Jobcenter, Gerichtsgebäude, Firmenfahrzeuge, die mit Steinen oder Farbbeuteln beworfen oder sogar in Brand gesetzt werden. In einigen Fällen war es nur dem schnellen Handeln der Feuerwehr oder der Polizei zu verdanken, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind.

Es geht in der heutigen Debatte ganz eindeutig um die Distanzierung von jeder - Herr Gallert, ich betone: jeder - Form von Gewalt zur Durchsetzung politischer Meinungen oder Ansichten. Steine, Farbbeutelwürfe oder Brandanschläge dürfen in einer Demokratie keine Mittel zur Durchset

zung von Interessen- und Willensbekundungen sein.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der LINKEN)

Die Auseinandersetzung mit einem Thema bedeutet dabei nicht, dass man sich nicht auch mit anderen wichtigen Themen befassen kann.

Auf die heutige Debatte bezogen heißt das, dass es wichtig ist, auch andere Formen des politischen Extremismus sowie der politisch motivierten Kriminalität zu beleuchten. Das haben wir in diesem Hohen Hause, insbesondere was den Rechtsextremismus angeht, mehrfach gemeinsam getan. Das gemeinsame Wollen beim Bekämpfen dieser Extremismusform verbindet uns und das ist auch gut so.

Allerdings haben uns die Vorfälle der jüngsten Vergangenheit, bundesweit und leider auch in Sachsen-Anhalt, dazu veranlasst, heute einmal nicht den Rechtsextremismus, sondern den Linksextremismus in den Mittelpunkt zu rücken und darzulegen, dass auch dort schwere Straftaten begangen werden.

Hinzu kommt, dass das Niveau der linksextremistischen Gewalt in Deutschland über die letzten Jahre hinweg stetig angestiegen ist und in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht eine besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden darstellt. Besonders beunruhigend ist dabei die Feststellung, dass vor allem die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegenüber Personen und auch Polizistinnen und Polizisten nicht nur in SachsenAnhalt, sondern in der gesamten Bundesrepublik sinkt.

Dieser Entwicklung sehen wir mit großer Sorge im Hinblick auf eine Verharmlosung entgegen, weil es eben nicht darum gehen kann, Gewalt zu verharmlosen oder sie zu tabuisieren. Es muss im Selbstverständnis jeder demokratischen Partei liegen, sich ebenso klar und deutlich, wie wir das beim Rechtsextremismus gemeinsam tun, auch von linker Gewalt zu distanzieren.

Dabei geht es mir, der ich hier als Minister rede, nicht um die Frage von Parteiprogrammen, sondern es geht um das Bekenntnis, dass wir uns als Demokraten in einem demokratischen Staat von jeder Form von Gewalt, sei sie linksextrem oder rechtsextrem, distanzieren.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, von Frau Bull, DIE LINKE, von Herrn Gallert, DIE LINKE, und von der Regierungsbank)

Linksextremisten zielen ganz eindeutig auf die Beseitigung unserer demokratischen Grundordnung ab. Bedeutsame Aktionsfälle der linksextremistischen Szene sind insbesondere: Antirepression, Antimilitarismus, Antifaschismus, Antirassismus und Antikapitalismus.

Ende des Jahres 2012 lag das entsprechende Personenpotenzial - so will ich es einmal nennen - bundesweit bei ca. 30 000 Personen, in SachsenAnhalt bei ungefähr 520 Personen. Die Zahl wurde eben schon erörtert.

Gefährlich für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind im besonderen Maße die etwa 7 000 gewaltbereiten Linksextremisten. Diesen rechnen wir in Sachsen-Anhalt etwa 230 Personen zu.

Das gewaltbereite linksextremistische Spektrum wird in der öffentlichen Wahrnehmung vorwiegend durch die autonome Szene geprägt. Autonome lehnen im Kern jene Form gesellschaftlicher und staatlicher Normen ab. Sie beabsichtigen die Überwindung des herrschenden Systems und sehen Gewalt ganz selbstverständlich als ein legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen an.

Die Anwendung von Gewalt, auch gegen Personen, halten Autonome zum Erreichen ihrer Ziele für erforderlich. In Einzelfällen, insbesondere bei Konfrontationshandlungen, links, rechts und gegen Polizeibeamte, ist die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt deutlich herabgesetzt und bedauerlicherweise zum Teil überhaupt nicht mehr vorhanden.

Mit ihren Handlungen hoffen diese Personen auf eine öffentliche Wahrnehmung der eigenen politischen Vorstellungen, insbesondere in den Medien. Zunehmend richten sich die Aktionen gegen Vertreter des Staates, im eigenen Sprachgebrauch: gegen den Repressionsapparat. So hat es heute Morgen wieder einen Farbanschlag auf eine unserer Polizeidienststellen gegeben, auf der dann stand: „Repression“. Auch dieses ist wohl eindeutig diesem Spektrum zuzuordnen.

Genau hier - so habe ich es verstanden - setzt die heutige Aktuelle Debatte an: linksextremistische Bestrebungen und insbesondere gewaltbereite Linksextremisten eben nicht aus dem Auge zu verlieren oder sie zu verharmlosen, sondern diese genau wie alle anderen extremistischen Bestrebungen gesamtgesellschaftlich zu ächten.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU, von Herrn Wunschinski, CDU, und von Herrn Thomas, CDU)

Wir haben gemeinsam immer gesagt, wir wollen nicht auf dem rechten Auge blind werden, aber wir wollen es eben auch nicht auf dem linken Auge.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Linksextremismus betrachtet den demokratischen Rechtsstaat als seinen Feind. Vor diesem Hintergrund sind dann auch seine bevorzugten Ziele zu verstehen. Ich sagte es bereits, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Einrichtungen des Staates, der Sicherheits- und Ordnungsbehörden.

Die Befassung mit diesem Thema bedeutet auch nicht, andere extremistische Bestrebungen in diesem Land - auch das will ich wiederholen - nicht mit der gleichen Intensität zu bekämpfen.

Die Notwendigkeit der Aktuellen Debatte wird aus meiner Sicht auch daran deutlich, dass in Deutschland mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Gewaltstraftaten durch linke Straftäter verübt wird. In Sachsen-Anhalt betrug der Anteil linksmotivierter Gewaltdelikte an allen politisch motivierten Gewaltdelikten im Jahr 2013 45 %.

Damit bestätigt sich auch in Sachsen-Anhalt der Trend, dass sich diese Zahl über die vergangenen Jahre hinweg immer mehr der Zahl rechtsmotivierter Gewaltdelikte, die gerade einmal 6 % mehr darstellen, annähert. Im Jahr 2009 betrug das Verhältnis rechter zu linken Gewalttaten noch 55 % Rechtsextremismus und 39 % Linksextremismus. Wir sind jetzt auf einem Weg, wo sie sich das Feld nahezu teilen.

Auch bei den erwähnten Konfrontationsdelikten, Straftaten mit politischer Motivation gegen den direkten politischen Gegner oder Staat und/oder Polizei, sind Gewaltdelikte überproportional vertreten. Hier registrierte die Polizei im Jahr 2013 in jedem zweiten Fall von Straftaten bei solchen Tatdelikten eine linke Motivation - in jedem zweiten Fall.

An der Gesamtzahl der in unserem Land polizeilich registrierten Straftaten mit politischer Motivation hatten im Jahr 2013 die rechtsmotivierten Delikte einen Anteil von knapp 73 %. Hierbei muss man jedoch sehen, dass ca. 71 % davon so genannte Propagandadelikte, Zeigen des Hitlergrußes, Hakenkreuzschmierereien oder das Abspielen rechtsextremistischer Tonträger, sind. Linksextreme Propagandadelikte sind nicht strafbewehrt.

Betrachtet man daher die Gesamtzahl der Delikte ohne diese für den Phänomenbereich rechts typischen Propagandastraftaten, stellt sich ein fast ausgeglichenes Bild dar: 390 Straftaten politisch motiviert rechts stehen 320 Straftaten politisch motiviert links gegenüber. Das sind vergleichbare Zahlen; denn Propagandadelikte können eben nicht zum Vergleich herangezogen werden, weil es linke Propagandadelikte, die strafbewehrt sind, nicht gibt.

Auf der bundesweiten Gremienebene wird seit Jahren das Ansteigen der politisch motivierten Kriminalität links - und hierbei insbesondere der Gewaltdelikte - mit Sorge zur Kenntnis genommen. Seit dem Jahr 2010 gibt es eine zwischen den Polizeien der Länder und den Verfassungsschutzbehörden abgestimmte Gesamtkonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten Gewaltkriminalität links bzw. des gewaltorientierten Linksextremismus.

Zusammenfassend meine ich, dass die dargestellten Zahlen und insoweit eben auch die bundesweite Befassung mit dem Linksextremismus die Notwendigkeit zeigen, dass wir jetzt anfangen sollten, uns mit der gleichen Intensität, mit der wir uns gegen Rechtsextremismus gewendet haben, auch gegen diese Form von Extremismus zu wenden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, von Frau Nie- städt, SPD, und von Herrn Born, SPD)

Danke schön, Herr Minister. Es gibt eine Reihe von Anfragen. - Als Erster fragt Herr Gallert.

Bitte.

Herr Stahlknecht, ich war etwas irritiert, weil Sie ausdrücklich mich ansprachen, als Sie den Satz aussprachen, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist. Jetzt weiß ich, dass der Kollege Schröder eine umfangreiche Zitatensammlung hat, möglicherweise auch Sie im Innenministerium.

(Zustimmung von Herrn Striegel, CDU)

Dazu würde mich interessieren, ob Sie irgendein Zitat oder eine Äußerung von mir finden, wo ich das in irgendeiner Art und Weise in Zweifel ziehe.

Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, Herr Gallert.

Sie sprachen mich mit dem Satz ausdrücklich an.

Ich bin ein netter Mensch und da habe ich Sie einfach einmal angesprochen. Ich habe nur den Fragen sehr ausdrücklich zugehört, die Sie, Herr Gallert, in dem Dialog mit Herrn Schröder geführt haben.

Ich habe Ihnen eben nur gesagt, da ich Ihren Enthusiasmus gegen Rechtsextremismus kenne, dass es nicht darum geht, das eine gegen das andere aufzurechnen, sondern darum, beides zu addieren.

Ich habe mir erlaubt, das in Ihre Richtung anzusprechen. Das müssen Sie nicht persönlich nehmen in der Weise, dass Sie, Herr Gallert, glau

ben, ich unterstelle Ihnen, Sie würden Straftaten begehen. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen.

Nun ja. Danke.

Dann seien Sie doch beruhigt.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Eine weitere Frage? - Kollegin Tiedge.

Herr Minister, eingedenk der verbrecherischen Geschichte von 1933 bis 1945 frage ich Sie, was am Antirassismus und am Antifaschismus gefährlich ist.