Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Herr Herbst, Sie haben Recht: Natürlich hat sich die SPD immer dafür eingesetzt, dass diese doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland zugelassen und dass das Optionsrecht vollkommen abgeschafft wird. Dazu stehen wir weiterhin. Aber - an der Stelle folgt immer das Wort „aber“ - es ist so, dass Gesetze in einer Koalition, wenn man nicht die absolute Mehrheit hat, immer ein Kompromiss sind und dass dieses Gesetz ein Beispiel dafür ist, dass Politik immer die Kunst des Machbaren ist.

Ich denke, dass wir trotzdem mit diesem Gesetz wiederum einen weiten Schritt in eine gute Richtung gemacht haben. Für uns ist das Glas halb voll und nicht halb leer. Wir haben mit der Gesetzesänderung einen großen Schritt in Richtung der doppelten Staatsbürgerschaft gemacht. Sie haben selbst gesagt bzw. der Berichterstatter hat davon gesprochen, dass man es mit diesem Gesetz geschafft hat, dass sich 90 % der bisher Optionspflichtigen nicht mehr entscheiden müssen. Es wurde deutlich, dass es für 90 % der Betroffenen jetzt eine entsprechende Möglichkeit gibt.

In dem Beratungsgang im Bundestag und natürlich auch im Bundesrat sind Verbesserungen und Veränderungen vorgenommen werden. Durch Härtefallklauseln wird die Einzelfallgerechtigkeit in besonderen Fällen gewährleistet. Auch die SPD-Fraktion im Landtag begrüßt vor allen Dingen die Entschließung, die mit der Entscheidung im Bundesrat noch mit beschlossen worden ist.

Hier möchte ich vor allen Dingen auf die Punkte 4 bis 6 der Entschließung des Bundesrates hinweisen. In dieser Entschließung heißt es, dass der Bundesrat feststellt, dass sich mit dem vorliegenden Gesetz allerdings die Widersprüche innerhalb der Staatsangehörigkeit verstärken, weil man die Öffnung beispielsweise nicht im Einbürgerungs

recht nachvollziehen kann. Das hat der Bundesrat mit der Entschließung so beschlossen. Und der Bundesrat bedauert es, dass es im Bundestag eben nicht zu einer umfassenden gesetzlichen Regelung gekommen ist, die die Abschaffung des Optionsverfahrens beinhaltet.

Der Bundesrat hält weiterhin an seinen Zielen fest. Es gibt einen Gesetzentwurf vom 5. Juli 2013, der auf eine komplette Abschaffung des Optionszwanges zielt. Wir hätten uns an der Stelle mehr gewünscht. Aber wie gesagt, Politik ist die Kunst des Machbaren. Und das Glas ist an der Stelle halb voll. - Vielen Dank.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Danke, Frau Kollegin Schindler. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Abgeordnete Frau Quade. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ich habe in den vergangenen Debatten, die um ähnliche Thematiken kreisten, mehrfach auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der Zielstellung eines Antrages und der dann tatsächlich im Innenausschuss erarbeiteten Beschlussempfehlung hingewiesen. Auch in diesem Fall ist diese Kritik aus meiner Sicht mehr als angebracht. Wieder haben wir es eher - der Kollege Herbst sagte es - mit einem Sachstandsbericht als mit einem politischen Beschluss zu tun. Aber auch das ist eine politische Aussage.

Der Antrag, der zu Beginn des Jahres in das Hohe Haus eingebracht wurde, thematisierte die Lücke und die Schwachstellen, die die auf der Bundesebene auf der Basis des Koalitionsvertrages der CDU und der SPD getroffene Neuregelung zum Optionszwang aufweist. Sie hebt den Optionszwang nur für in Deutschland geborene Kinder auf. Sie macht einen ununterbrochenen Aufenthalt zur Voraussetzung. Sie schafft Ungerechtigkeiten zwischen den Generationen. Sie schafft neue bürokratischen Hürden.

Der Antrag forderte deshalb sehr zu Recht eine Behebung genau dieser Fehler und die Unterstützung der Bundesratsinitiative der Länder Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die darauf abzielte, den Optionszwang nicht nur für diejenigen aufzuheben, die in die bisherigen Kategorien passen, sondern diesen Zwang für alle von der Optionspflicht Betroffenen vollständig abzuschaffen.

Die jetzt vorliegende Beschlussempfehlung trägt wie üblich den Titel des Ursprungsantrags „Optionszwang vollständig abschaffen“. Sie hat aber ansonsten damit absolut nichts gemeinsam. Im

Gegenteil: Der Text der Beschlussempfehlung konterkariert ihren Titel.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Herbst, GRÜ- NE: Es ist nicht einmal ein Antragstext!)

- Es ist nicht einmal ein Antragstext. Das ist richtig.

Meine Fraktion wird die Beschlussempfehlung deshalb wie auch im Innenausschuss ablehnen.

Ich sage es erneut: Das Prozedere, einen Antrag, bei dem sich die Koalition nicht einig wird, in den Ausschuss zu überweisen, um dann einen Sachstandsbericht zur gegenwärtigen Gesetzeslage zum Gegenstand einer politischen Beschlussfassung zu machen, hat nur funktional etwas mit einem Kompromiss zu tun.

Wenn Sie keine gemeinsamen Positionen finden und sich letztlich die CDU im koalitionsinternen Streit bei den Fragen der Asyl- und Integrationspolitik immer durchsetzt, dann können Sie die entsprechenden Anträge auch gleich ablehnen. Das wäre in der Sache genauso ärgerlich, aber zumindest ehrlicher. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Oh! bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Quade. - Der Kollege Kolze spricht jetzt für die CDU. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 3. Juli 2014 wurde im Bundestag die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts bezüglich der sogenannten Optionspflicht in Umsetzung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrages auf der Bundesebene beschlossen.

Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren worden sind, werden zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen von der sogenannten Optionspflicht befreit. In bestimmten Fällen wird damit die Mehrstaatlichkeit akzeptiert.

Die Befreiung von der Optionspflicht betrifft in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, die eine andere Staatsangehörigkeit als die eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzen. Wer sich seit acht Jahren gewöhnlich im Inland aufgehalten hat, sechs Jahre lang im Inland eine Schule besucht hat oder über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, der gilt als im Inland aufgewachsen, meine Damen und Herren.

Um für Einzelfallgerechtigkeit in besonders gelagerten Fällen sorgen zu können, ist im Gesetz darüber hinaus eine Härtefallklausel vorgesehen

worden. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf in der Sitzung am 19. September 2014 zugestimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Neuregelung im Staatsangehörigkeitsrecht entfällt für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern die sogenannte Optionspflicht. Bisher müssen sie sich bis zum vollendeten 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden.

Die gesetzliche Neuregelung auf der Bundesebene berücksichtigt die Lebensumstände vieler optionspflichtiger junger Menschen und betont zugleich den besonderen Wert, den die deutsche Staatsangehörigkeit für das Zusammenleben hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während der abschließenden Beratung im Innenausschuss wurde mehrfach kritisiert, dass die Koalitionsfraktionen mit der gemeinsamen Beschlussempfehlung nur das nachvollzogen haben, was Gegenstand der gesetzlichen Neuregelung auf der Bundesebene ist.

Ich kann hierauf nur wie folgt erwidern: Der Koalitionsvertrag ist die Grundlage der gesetzlichen Neuregelung. Der Koalitionsvertrag ist für die CDU und für die SPD in Bund und Ländern verbindlich.

Wer in diesem Hohen Hause Bundespolitik zum Thema macht, der sollte von den Koalitionsfraktionen nicht erwarten, dass wir losgelöst vom politischen „Restgeschehen“ in der Bundesrepublik Deutschland das Rad neu erfinden.

(Beifall bei der CDU - Herr Kurze, CDU: Richtig!)

Ich habe es in der ersten Beratung bereits gesagt und sage es auch heute erneut: Ich sehe hierbei keine besondere Betroffenheit Sachsen-Anhalts.

Im Jahr 2012 gab es in Sachsen-Anhalt einen deutschen Staatsbürger, der gemäß der alten gesetzlichen Regelung optionspflichtig war und der durch die Behörden auf seine Optionspflicht und deren Folgen hingewiesen wurde. Der Betroffene besaß neben der deutschen auch die polnische und die pakistanische Staatsangehörigkeit.

Tun wir also nicht so, als ob in Sachsen-Anhalt massenhaft junge Menschen eine schwere Gewissensentscheidung treffen müssten. Damit wird die Realität in unserem Land nicht skizziert.

Abschließend bitte ich Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Damit ist die Debatte beendet. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. In der Drs. 6/3479 liegt die Beschluss

empfehlung vor. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, so wach und munter. Wer stimmt dagegen? - Das ist sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Der Innenminister auch?

(Heiterkeit bei der CDU)

- Nein. Ich muss mal wieder andersherum abstimmen lassen, das macht munter. Die Stimmungslage und die Abstimmungslage bei diesem ernsten Thema sind klar: Der Beschlussempfehlung wurde mehrheitlich zugestimmt. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 11 abgearbeitet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Beratung

Verfolgte Minderheiten im Irak und Syrien schützen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3490

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3514

Einbringerin ist Frau Quade. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kobane ist in den letzten Wochen zum Schlagwort und Sinnbild geworden, zum Schlagwort und Sinnbild der von den Terrormilizen des „Islamischen Staates“ ausgehenden Bedrohung und Verfolgung Angehöriger von Minderheiten und aller, die sich nicht den Regeln eines sogenannten Gottesstaates unterwerfen wollen.

Die Stadt an der syrisch-türkischen Grenze ist Hauptstadt der gleichnamigen Region und des gleichnamigen Bezirks. Ein großer Teil ihrer Einwohnerinnen und Einwohner sind Kurden.

Seit dem Vormarsch des IS in Syrien und im Irak ist Kobane zum letzten Zufluchtsort vieler Verfolgter geworden. Die Parole „Kobane darf nicht fallen“ ist daher nicht nur die Forderung von Kurdinnen und Kurden weltweit - übrigens auch in Deutschland -, die Verteidigung Kobanes scheint für viele Menschen auch zum wirkungsstarken Symbol geworden zu sein für den Kampf gegen den IS und die Verteidigung säkularer und demokratischer Werte gegenüber einem System, das mit großer Brutalität gegen vermeintliche und tatsächliche Gegner vorgeht. Etliche, auch sehr unterschiedliche Aufrufe nach internationaler Hilfe zeigen dies sehr deutlich.

Die Terrororganisation IS hat seit Beginn des Jahres unzählige Menschen getötet, gefoltert und gequält. Der IS ist dabei keineswegs eine neue oder

aus dem Nichts entstandene Organisation. Im Gegenteil: Sie hat mehrere Vorläufer. Ihr Entstehen wurde durch die seit Jahren andauernde Erschütterung der gesamten Region, durch Kriege und kriegsähnliche Zustände massiv begünstigt und teilweise auch erst ermöglicht.