Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Zu den Fakten gehört, dass die Zahl der Krankenhausfälle und die Zahl der betreuungsbedürftigen über 60-Jährigen in Suchtberatungsstellen mit der Diagnose psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol ansteigen, wobei die Zahl der Krankenhausfälle deutlich höher liegt.

Mit steigendem Lebensalter nimmt die Alkoholverträglichkeit ab und die Wahrscheinlichkeit der Medikamenteneinnahme steigt. Hinzu kommt, dass der Konsum unterschiedlicher, auch verordneter Medikamente zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann, und dies nicht nur im Zusammenhang mit gleichzeitigem Alkoholgenuss. Gerade im Monitoring der Medikamentenvergabe liegt Potenzial für eine Verringerung unerwünschter Begleiterscheinungen.

Auch die Landesstelle für Suchtfragen im Land Sachsen- Anhalt beschreibt für uns deutlich, dass Handlungsbedarf bei der Zielgruppe der Menschen ab dem 55. Lebensjahr besteht. Allerdings ist deren Fokus in erster Linie auf die Arbeit der Akteurinnen und Akteure der unterschiedlichen Professionen vor Ort gerichtet. Die Politik muss andere Aufgaben für sich ableiten.

Gerade in einer Kooperation von Suchthilfe, Altenhilfe und Altenpflege kann in den jeweiligen Zusammenhängen vor Ort das notwendige Fachwissen zu Suchtfragen in die Altenhilfe und Altenpflege sowie in die Suchthilfe für Menschen in höherem Lebensalter einfließen. Insbesondere die Erfahrungen aus den Modellprojekten der Bundesregierung, auf die sich die Rednerinnen bereits vor einem Jahr berufen haben, aber auch die Gespräche mit Mitarbeiterinnen der unterschiedlichen Professionen zeigen, dass ein Schwerpunkt die frühzeitige Identifizierung von Suchtproblemen bei älteren Menschen und dem folgend die zeitnahe Einleitung entsprechender Hilfen darstellt.

Dazu müssen die jeweiligen Mitarbeiter sensibilisiert sein. Sie müssen das Problem erkennen und die älteren Menschen in der Auseinandersetzung mit ihrem Suchtproblem auch ermutigen können. Zwingend ist die Aus- und Weiterbildung der unterschiedlichen Berufsgruppen stärker auf dieses Thema auszurichten.

Es reicht unserer Meinung nach eben nicht, allein Vertrauen in die Mitarbeit unseres Ministers in der Unterarbeitsgruppe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufzubringen, die sich mit zukünftigen Ausbildungsfragen im Gesundheitsbereich beschäftigt. Wir hätten gern konkrete Forderungen für das Agieren formuliert, zum Beispiel die interdisziplinären Fortbildungsmodule in Alten- und Suchthilfe zu verankern.

Eine weitere Aufgabe der Politik ist es unserer Meinung nach, die Unklarheiten bei den Zuständigkeiten im Versorgungssystem und die daraus resultierenden Mängel bei der Prävention und den therapeutischen Angeboten zu beseitigen. Nur so ist eine flächendeckende Vernetzung zwischen den Hilfesystemen überhaupt erst möglich. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Zoschke. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Schwenke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordneten! Es ist heute ziemlich genau ein Jahr her, dass wir zu diesem Antrag hier im Hohen Hause erstmals diskutiert haben. Schon damals konnte man den Wortbeiträgen der Koalitionsfraktionen - für unsere Fraktion sprach damals Frau Gorr - und den Ausführungen des Ministers entnehmen, dass der Antrag in seinen Forderungen eigentlich nicht nötig ist, weil das Problem, soweit man es so nennen kann, in all seinen Fassetten in Sachsen-Anhalt bekannt ist und wir diesbezüglich gut aufgestellt sind. Das heißt, es sind ausreichend Angebote zu dem Thema in Sachsen-Anhalt vorhanden. Details kann man dem Protokoll der Landtagssitzung vom 14. November 2013 entnehmen. Ich möchte das jetzt nicht alles wiederholen.

Wir hatten uns damals trotzdem für eine Überweisung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales entschieden, um zu sehen, ob über die vorhandenen Angebote hinaus noch weitergehender Handlungsbedarf besteht. Die Berichterstattung und die Diskussion im Ausschuss, diverse Recherchen unserer zuständigen Arbeitsgruppe und auch von mir persönlich geführte Gespräche mit in diesem Bereich auf unterschiedlichen Ebenen tätigen Akteuren haben aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gebracht, aus denen sich für uns ein größerer Aktionismus herleiten lassen würde.

Im Gegenteil; ich wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass unsere glücklicherweise mehrheitlich immer älter werdenden älteren Mitbürger, die außerdem mehrheitlich an Körper und Geist gesund älter werden, im Regelfall in der Lage sind, selbstbestimmt über ihr Leben und über ihre Gewohnheiten zu entscheiden, und dass sich die Politik so weit wie möglich heraushalten sollte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es jetzt ein wenig phrasenhaft klingt, möchte ich sagen: Wenn sich unsere Senioren beim geselligen Zusammensein am Nachmittag oder am Abend vielleicht einmal ein Gläschen Schnaps, Wein oder Bier gönnen oder wenn die Oma abends neben ihrer Katze auf der Couch vor dem Fernseher sitzt und ein Likörchen oder ein Glas Sekt trinkt, dann gönne ich es diesen Menschen von ganzem Herzen.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Zoschke, DIE LINKE: Wir auch! Das ist nicht das Pro- blem!)

Nicht wenige meiner fachkundigen Gesprächspartner meinten sogar, das wäre therapeutisch

wichtig. Das ist normalerweise noch keine Sucht. Wirkliche Problemfälle - ich sagte es einleitend -, so sie doch auftreten, werden von unserem vorhandenen System erfasst. Wir müssen also das Rad nicht neu erfinden. Deshalb wird meine Fraktion den Ursprungsantrag ablehnen und der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses folgen. Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Kollege Schwenke. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben vorhin bei der Beratung zur Parlamentsreform von unterschiedlichen Rednern aus unterschiedlichen Fraktionen immer wieder gehört, es sei eine Sternstunde, dass sich das Parlament mehrheitlich auf einen solchen in der Tat wegweisenden Beschluss geeinigt habe.

Dann kann ich nur anmerken, dass wir bei der nun vorliegenden Beschlussempfehlung - das fällt den in dem Fachausschuss nicht vertretenen Kolleginnen und Kollegen möglicherweise nicht auf - an einem Tiefpunkt des Parlamentarismus angelangt sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte das gern begründen. Im Ausschuss waren sich alle Fraktionen, alle Fachpolitiker einschließlich des Ministers respektive der Staatssekretärin einig. Frau Staatsekretärin Naumann hat zweimal berichtet. Es wurde festgestellt, dass alle die Verantwortung sehen. Insofern finde ich das, was Kollege Schwenke hier vorgetragen hat, enttäuschend; denn es widerspricht dem, was wir im Ausschuss gehört haben.

Im Ausschuss ist auch dargelegt worden, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Frau Marlene Mortler, ihres Zeichens CSU-Abgeordnete, als sie die acht Modellprojekte am 31. Oktober 2014 abschließend vorgestellt hat, genau das bestätigt hat, was unserem Antrag vorangestellt ist, nämlich dass wir das Problem stärker in den Fokus nehmen müssen und dass insbesondere Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum in stärkerem Maße ein Problem im Bereich der Seniorinnen und Senioren sind.

Bei der Berichterstattung ist angesprochen worden, dass wir angeboten hatten, Punkt 4 des Antrages herauszunehmen und für erledigt zu erklären, weil im Laufe dieses Jahres dargestellt wurde,

dass insbesondere über die Landesstelle für Suchtgefahren und im Rahmen des GesundheitsZiele-Prozesses bereits einiges gelaufen ist. Nichtsdestotrotz ist hinsichtlich der anderen in dem Antrag enthaltenen Punkte noch etwas zu tun.

Ich hätte es großartig gefunden, wenn wir uns als Souverän, als Gesetzgeber heute dazu hätten hinreißen lassen können zu sagen, uns ist dieses Thema wichtig, wir wollen uns für die Bevölkerung erkennbar zu der Bedeutung des Themas bekennen und uns eigenständig neben der Landesregierung dieses Ziel auf die Fahne schreiben.

Hinzu käme, dass dies eine Würdigung derjenigen wäre, die in dem Feld tätig sind, etwa die Landesstelle für Suchtfragen und die Beratungsstellen, um nur einige zu nennen. Es wäre ein Zeichen von Anerkennung und Unterstützung für diese Einrichtungen.

Ich kann mir das ablehnende Votum der Koalitionsfraktionen nur damit erklären - damit schließe ich mich Frau Zoschke an -, dass gegenüber dem, was Frau Staatssekretärin zu dem, was ohnehin schon passiert, dargestellt hat, vielleicht doch Vorbehalte bestehen. Möglicherweise übt man eine falsch verstandene Rücksichtnahme. Vielleicht bringt auch die eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die angeblich schon tätig ist, doch nicht das Gewünschte und ist nur eine Alibiveranstaltung. Ich habe keine Ahnung.

Wenn das alles wirklich so gut wäre, könnte man doch ohne Probleme unserem Antrag zustimmen. Insofern finde ich es aus fachlicher Sicht sehr enttäuschend und hoffe, dass das nicht regelmäßiger Standard in diesem Hohen Hause wird. Wir werden an unserem Antrag festhalten respektive die Beschlussempfehlung ablehnen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Lüddemann. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau

Dr. Späthe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie Sie der Beschlussempfehlung und auch der Berichterstattung entnehmen können, sind der vorliegende Antrag und der Änderungsantrag im Ausschuss abgelehnt worden, und das nicht, weil wir der Auffassung wären, dass dieses Thema keine Beachtung verdient, sondern weil es bereits eine breite Beachtung erfährt.

(Beifall bei der SPD)

Ich stehe nach wie vor zu meinen Ausführungen von vor einem Jahr, bei denen ich das schon einmal dargelegt habe. Wir haben uns im Ausschuss

dennoch berichten lassen, wie mit der Problematik im Land umgegangen wird. Die bearbeitete Bandbreite erfasst alle Formen des Suchtverhaltens im Alter, also auch die der Medikamentenabhängigkeit oder den gesundheitlich gefährlichen Alkoholkonsum.

Ein Beispiel: Im Rahmen des Gesundheitsziels Senkung des Anteils der Raucherinnen und Raucher sowie der alkoholbedingten Schäden hat sich die in diesem Bereich tätige Arbeitsgruppe auch in diesem Jahr bereits mit Menschen im höheren Lebensalter und mit der besonderen Problematik beschäftigt. Auch die Multimedikation und deren Kontrolle wurden thematisiert. Dieses Problem wurde insbesondere in den Fokus der Hausärzte gerückt.

Auch von der Besuchskommission des Landespsychiatrieausschusses, der ich angehöre, wird bei den Besuchen in den Einrichtungen durch die uns begleitenden Ärzte immer wieder nach der Medikation gefragt.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Es geht aber nicht nur um Altenheime!)

Ich möchte den Bericht, der dem Ausschuss erstattet wurde, nicht wiederholen. Man kann das in der Niederschrift über die Sitzung am 5. November 2014 nachlesen.

Am Donnerstag vergangener Woche, am 6. November 2014, fand in Halle die diesjährige Landespflegekonferenz statt. Dort treffen sich die Pflegeprofis aus den stationären und ambulanten Pflegediensten sowie aus Kliniken und Einrichtungen des Landes. Ich habe wie im vergangenen Jahr auch in diesem Jahr die Gelegenheit genutzt, wiederum nach den bestehenden Beziehungen zwischen den Pflegediensten der Regionen und den Suchtberatungsangeboten im weitesten Sinne zu fragen. Es läuft gut. Man kennt sich, berät sich auf kurzem Wege miteinander, trifft sich auf Fach- und Weiterbildungsveranstaltungen, wie zum Beispiel in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Halle/Saalekreis.

Ich weiß, dass es bei diesem Thema wie bei allen Themen regionale Unterschiede gibt. Es gibt Landkreise, in denen es gut läuft, und andere, in denen es weniger gut läuft, in denen die Angebote entweder nicht angenommen werden oder noch gar nicht geschaffen worden sind. Die Voraussetzungen dafür sind aber geschaffen. Die Landesstelle Sucht ist unterwegs und auch der Arbeitskreis „Legale Suchtmittel“. Es gibt Weiterbildungsangebote der Ärztekammer, der Krankenkassen und der Verbände. Dem gilt meine ausdrückliche Anerkennung.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Landtagsbeschluss dazu ist nicht notwendig. Deshalb bitte ich Sie, der Beschlussemp

fehlung des Ausschusses zu folgen. - Danke schön.

Danke sehr, Frau Kollegin Dr. Späthe. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 6/3575. Es geht um die Annahme oder Ablehnung der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Zweite Beratung

Finanzierungsbasis Kinder- und Jugendförderung verbreitern

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2619

Beschlussempfehlung Ausschuss für Arbeit und Soziales - Drs. 6/3576