Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

Der mitberatende Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sah sich in seiner Sitzung tags darauf nicht in der Lage, eine Beschlussempfehlung an den federführenden Ausschuss zu erarbeiten, und verständigte sich darauf, am 27. November eine gemeinsame Sitzung mit dem Ausschuss für Inneres und Sport durchzuführen, um dem federführenden Ausschuss rechtzeitig vor seiner abschließenden Beratung eine Beschlussempfehlung zukommen zu lassen.

Der Ausschuss für Umwelt stimmte in der 44. Sitzung am 5. November der vorläufigen Beschlussempfehlung zu, bat die Landesregierung aber gleichzeitig, zu prüfen, ob eine klarstellende Formulierung zur Kostendegression im Abfallrecht möglich sei.

Der Ausschuss für Finanzen schließlich befasste sich in der 75. Sitzung am 12. November 2014 mit dem in Rede stehenden Gesetzentwurf und schloss sich der vorläufigen Beschlussempfehlung an. Unabhängig davon wurde das Ministerium der Finanzen gebeten, offen gebliebene Fragen schriftlich zu beantworten. Dies geschah dann auch mit Schreiben vom 24. November 2014.

Am 27. November 2014 fand dann - was nicht allzu häufig vorkommt - eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung statt. Alle bis dahin vorliegenden Änderungsanträge wurden in diese gemeinsame Beratung einbezogen. Es bestand Einigkeit, die Beratung auf der Grundlage der Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, die zusammen mit einer umfangreichen Stellungnahme vorlag, durchzuführen.

Ich erspare mir, auf den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE einzugehen. Er fand im Ausschuss keine Mehrheit und liegt Ihnen heute zur Plenarbefassung abermals vor.

Die Fraktionen der CDU und der SPD wollten mit ihrem Änderungsantrag erreichen, zusätzlich zu den im Gesetzentwurf vorgesehenen Bereichen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung auch für den Bereich der Abfallentsorgung die Möglichkeit der degressiven Gebührenbemessung gesetzlich zu eröffnen. Dieser Änderungsantrag wurde mehrheitlich beschlossen.

Ein weiterer Änderungsantrag wurde eingebracht, um eine Änderung des § 6 Abs. 6 Satz 1 zu erreichen, weil die rückwirkende Ersetzung einer unwirksamen Satzung immer möglich sein soll. Auch dieser Änderungsantrag wurde im Ausschuss beschlossen, in diesem Fall sogar einstimmig.

Im Ergebnis der Beratung verabschiedeten die Mitglieder des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen eine Beschlussempfehlung. Dieser schlossen sich die Mitglieder des Ausschusses für Inneres und Sport ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen an.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Beschlussempfehlung nicht mehr enthalten ist die noch im Gesetzentwurf der Landesregierung in Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb vorgesehene Regelung zur räumlichen Erweiterung bereits früher fertiggestellter leitungsgebundener Einrichtungen. Damit hatte die Landesregierung eine Forderung des Städte- und Gemeindebundes

aufgegriffen, die die Erschließung neuer Baugebiete erleichtern soll.

Der Sache nach geht es darum, für den Fall der räumlichen Erweiterung einer planmäßig fertiggestellten Einrichtung sicherzustellen, dass die im Bereich der räumlichen Erweiterung gelegenen Grundstücke keinen vollen Herstellungsbeitrag zu leisten haben. Sie sollen nur mit dem Aufwand belastet werden, der durch die Erweiterungsmaßnahme entsteht.

Der GBD hat angeregt, diese Regelung zu streichen, dazu aber ausgeführt, dass im Schrifttum zum Kommunalabgabenrecht Auffassungen vertreten werden, die eine solche Abweichung von der Globalkalkulation rechtfertigen. Es sei, so der GBD, den Aufgabenträgern in Sachsen-Anhalt schon nach geltender Rechtslage nicht verwehrt, die Fertigstellung einer Anlage festzustellen und bei räumlichen Erweiterungen Neuanschlussnehmer nur mit dem Aufwand zu belasten, der durch die Erweiterung verursacht wird. Vor diesem Hintergrund wurde von der Regelung im Ausschuss Abstand genommen.

Meine Damen und Herren! Die abschließende Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Inneres und Sport liegt Ihnen in Drs. 6/3639 vor. Ich bitte um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung, bedanke mich bei all denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass wir den Gesetzentwurf heute verabschieden können, und bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Stahlknecht das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Brachmann hat das schon sehr ausführlich vorgetragen. Insofern will ich mich nur auf das ganz Wesentliche konzentrieren. Ich will darauf hinweisen, dass der Anlass für die Novellierung unseres Kommunalabgabengesetzes ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März des Jahres 2013 ist.

Die Kernaussage dieses Beschlusses lautet zusammengefasst: Die Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich ist nur zeitlich begrenzt zulässig. Das Bundesverfassungsgericht stellt auf das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als das der Rechtssicherheit dienende Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit ab. Jemand muss wissen, wie lange er möglicherweise noch für Leistungen in Anspruch genommen werden

kann. Dieses Gebot verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.

Deshalb haben wir in § 13b des Gesetzentwurfs erstmalig die Einführung einer sogenannten Verjährungshöchstfrist vorgesehen. Darin wird in bestimmbarer Weise festgelegt, bis wann ein Abgabepflichtiger mit der Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich zu rechnen hat. Diese Frist beträgt zehn Jahre, beginnend mit dem Entstehen der Vorteilslage. Der Kollege Brachmann hat das vorgetragen.

Wir haben eine Übergangsregelung vorgesehen, nach der die Ausschlussfrist nicht vor dem 31. Dezember 2015 endet. Den Aufgabenträgern verbleibt also noch ein Zeitraum von ungefähr einem Jahr, um die Abgabenfestsetzung aus Vorteilslagen aus weiter zurückliegenden Jahren zu realisieren. Das ist zwar ambitioniert, aber aus meiner Sicht durchaus umsetzbar und schafft vielleicht auch den notwendigen Druck, um die Dinge abzuarbeiten, die in letzter Zeit vielleicht etwas geruhsamer bearbeitet worden sind, um das einmal so zu formulieren.

Ich will noch auf zwei Punkte eingehen. Wir haben auch die Möglichkeit einer degressiven Gebührenbemessung eingeräumt. Das betrifft die Abwasserentsorgung. Es besteht zwar jetzt schon eine Möglichkeit, aber die Voraussetzungen dafür waren sehr restriktiv gestaltet. Das ist jetzt etwas anders. Es betrifft die Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung.

Eine degressive Gebührenbemessung steht immer in Abhängigkeit von einer Kostendegression. Soweit sich die Kosten mit steigendem Gebrauch oder Verbrauch nicht verringern, ist eine Gebührendegression für Verbraucher unzulässig. Somit wird eine nicht vorteilsgerechte Begünstigung von Großabnehmern bzw. Einleitern zulasten der übrigen Benutzer ausgeschlossen. Das war uns wichtig.

Wir haben in § 6c noch eine Neufassung im Hinblick auf übergroße Grundstücke vorgesehen. Dies ist auch erfolgt unter Berücksichtigung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2010, wonach die Beschränkung der Billigkeitsregelung auf Grundstücke mit nicht mehr als fünf Wohneinheiten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt.

Last, but not least: Im Interesse der Gebührenzahler einerseits und zur Verbesserung kommunaler Refinanzierungsmöglichkeiten andererseits sind weiterhin zusätzliche Änderungen im Gebühren- und Beitragsrecht in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Wir haben auch im Hinblick auf das Abfallgesetz eine degressive Gebührenbemessung vorgenommen.

Ich denke, Ihnen liegt insgesamt ein sehr ausgewogener Gesetzentwurf vor. Das ist uns gemeinsam gelungen. Das Kommunalabgabengesetz ist ein äußerst schwieriges, streitbefangenes Gesetz.

Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen im Landtag danken, die daran gearbeitet haben, aber auch meinem Ministerium und dort in Person Herrn Immendorff, der dort oben sitzt, der das federführend bearbeitet hat. Herzlichen Dank. Ich denke, uns ist ein guter Wurf gelungen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn es heute Abend beschlossen werden würde. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Minister, der Herr Kollege Weihrich würde Sie gern etwas fragen. - Bitte schön, Herr Kollege Weihrich.

Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte gern nachfragen zu dem Punkt der Kostendegression bei Abfallgebühren. Das war auch Gegenstand einer etwas längeren Diskussion im Umweltausschuss. Im Rahmen dieser Diskussion hat vor allem der Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt darauf hingewiesen, dass die degressive Bemessung von Abfallgebühren mit dem Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht vereinbar sei, jedenfalls soweit es sich nur auf die Abfallmenge bezieht.

Ergebnis dieser Beratung im Umweltausschuss war, dass das Ministerium gebeten wurde zu prüfen, inwieweit man es splitten kann, dass man eine Degression der Gebühren beispielsweise für die Sammlung und für den Transport der Abfälle vorsehen kann, dass aber die Abfallmenge von einer Degression ausgeschlossen wird. Nun entnehme ich der Änderung der aktuellen Vorlage beim KAG keine Unterscheidung zwischen diesen beiden Punkten. Deswegen würde ich Sie fragen, ob Sie keinen Widerspruch zu § 6 Abs. 3 des Abfallgesetzes sehen, in dem es heißt:

„Mit dem Gebührenmaßstab sollen wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden.“

Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass dem im Abfallrecht verankerten Ziel der Abfallminderung - das haben Sie gerade zitiert - mit der von uns getroffenen Regelung nicht widersprochen wird.

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Die Landesregierung hat das Maß nicht erweitert. Für die Fraktion DIE LIN

KE hat Herr Grünert das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach nunmehr 21 Monaten liegt heute die Beschlussempfehlung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vor, 21 Monate nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013.

Lege ich die zeitliche Einordnung dieses für die Bürger wichtigen Gesetzentwurfes am heutigen Tag von 18.30 Uhr bis … zugrunde, dann muss ich konstatieren, der große Wurf scheint es nicht zu sein. Ansonsten hätte sich das in letzter Zeit arg gebeutelte Innenministerium schon längst mit Stolz an die Brust geklopft und hätte den Gesetzentwurf auf Punkt 1 der Tagesordnung gesetzt.

Herr Kolze, Sie haben durchaus Recht, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung darauf abheben, dass das Gesetz kommunal- und unternehmensfreundlich ist. Das ist es. Dem Grundsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013, für die Bürger dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit in Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips folgend eine höhere Transparenz und Rechtssicherheit zu bieten, wird die heute vorliegende Beschlussempfehlung aber nicht gerecht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Zumindest eines wurde erreicht: Nachdem Sie in der Aussprache zu Drs. 6/1999 am 26. April 2013 keinerlei Handlungsbedarf gesehen haben, wurden Veränderungen vorgenommen, die ein wenig suggerieren, dass dieser Grundsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird.

Nein, mit den von Ihnen unterbreiteten Regelungen, so auch mit der zehnjährigen Verfristung, haben Sie bewusst die Interessen der Bürger unter den Tisch fallen lassen. Die Verfristungsregelung nach der Abgabenordnung von vor vier Jahren würde sehr wohl im Interesse der Bürger sein und stellte auch keine unüberwindbare Hürde für die Verwaltungen dar. Deshalb beantragen wir mit unserem Änderungsantrag erneut, diese Regelung in das Gesetz aufzunehmen.

Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion sieht, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Reduzierung der Verbräuche die seit dem Jahr 1991 errichteten Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung nicht mehr betriebswirtschaftlich zu betreiben sind. Aus diesem Grund haben wir uns einer progressiven Gebührenstafflung im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen nicht verschlossen. Für uns ist jedoch der Nachweis der tatsächlichen Gebührensenkung das entscheidende Kriterium und der Abschluss einer

beiderseitigen Mehrkostenvereinbarung eine der wichtigen Voraussetzungen dafür. Vor dem Hintergrund, dass der Fixkostenanteil an den Gebühren bei mehr als 80 % liegt, erscheint jedoch die Gebührensenkung, die Sie suggerieren, eher unwahrscheinlich.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dass jedoch das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt entgegen seiner Ankündigung der degressiven Gebührenstaffelung beim Abfall das Wort redet, entbehrt aus unserer Sicht jeder Logik. Nach den Grundsätzen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes steht eigentlich das Gebot der Müllvermeidung im Mittelpunkt und dann der Müllreduzierung und -verwertung. Auch die angeblichen betriebswirtschaftlichen Vorteile bei der Abfallentsorgung großer Wohnsiedlungen gegenüber den ländlichen Gebieten sind nach den Grundsätzen des Kommunalabgabengesetzes nicht nachvollziehbar.

Meine Damen und Herren! Bereits seit dem Jahr 1991 war für die Erhebung von Gebühren und Beiträgen eine Satzung Voraussetzung. Durch das erste und zweite Heilungsgesetz wurde dieser Grundsatz für leitungsgebundene Einrichtungen verändert. Dies führte dazu, dass eine Beitragserhebung mit dem Anschluss, spätestens jedoch mit der rechtskräftigen Satzung möglich war. Das war eine Abkehr vom kommunalabgaberechtlichen Satzungsgebot, das in § 2 KAG LSA klare Bestimmungen, die einer Gebühren- und Beitragsfestsetzung zugrunde zu legen waren, vorschrieb. Aber es gibt eben kein Recht auf die Ungültigkeit einer Satzung seitens der Aufgabenträger. Die jetzt getroffene Regelung ist daher nur die halbe Wahrheit und wird von uns in unserem Änderungsantrag ergänzt.

Meine Damen und Herren! Nun zu einer Regelung, die erhebliche Auswirkungen auf die Zeitabläufe der Verwaltungsgerichte hätte. Stimmen Sie unserem Antrag auf die Wiedereinführung der Kostenfreiheit von Widerspruchsverfahren zu! Durch die Wiedereinführung der Kostenfreiheit würden viele Probleme im Vorverfahren aufzuklären sein, ohne dass bereits in ein Klageverfahren eingetreten werden muss.

Meine Damen und Herren! Ich werbe um Ihre Zustimmung zu dem veränderten Änderungsantrag in Drs. 6/3679 und beantrage namens meiner Fraktion die namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf.- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist es heute schon etwas später am Abend, aber ich finde den Zusammenhang zwischen dem gerade vorher beratenden FAG und dem Kommunalabgabengesetz genau richtig; denn es geht hierin auch um die kommunalen Finanzen bzw. um die Finanzen der Aufgabenträger.

Es geht darum, dass es einen Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen gibt, nämlich den Ausgaben für Investitionen, die in diesem Bereich getätigt werden, und den Einnahmen aus Gebühren und Beiträgen. Das ist wichtig. Es ist für die Aufgabenträger wichtig. Mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes, über die wir jetzt beschließen, schaffen wir wieder Rechtssicherheit auch auf diesem Gebiet.