Protokoll der Sitzung vom 09.09.2011

Das Problem, vor dem wir stehen, ist etwas anderes. Die EU-Mittel müssen im Normalfall mit 25 % nationalen Mitteln kofinanziert werden. Es geht auch aus der Kabinettsvorlage eindeutig hervor. Dieses Programm Stark III erfordert deswegen 50 % und nicht 25 % Kofinanzierung, weil damit die Kofinanzierungsanteile des Landes in anderen ELER-Projekten substituiert werden sollen, und zwar mit der Begründung, dass das Land die

Schuldenbremse einhalten will. Damit sollen die Kommunen jetzt motiviert werden, überdimensioniert kozufinanzieren, um das Land faktisch von der Kofinanzierung freizustellen. Da sage ich jetzt noch einmal - -

(Minister Herr Bullerjahn: Wo haben Sie das her?)

- Tja, Jens Bullerjahn, wir haben es erkannt. Andere inzwischen auch. - Das ist das Problem und das ist das, was wir kritisieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das war noch einmal ein Informationszugewinn für uns alle, keine Frage. - Es gibt noch eine Frage von Herrn Abgeordneten Dr. Köck.

Herr Barth, eine ketzerische Frage: Was hätten Sie denn gemacht, wenn wir den Antrag auf die Aktuelle Debatte nicht gestellt hätten?

(Herrn Gallert, DIE LINKE: Heute nicht ge- redet!)

Dazu muss ich sagen: Wir hätten genauso reagiert, wie ich das heute getan habe, weil wir zeitgleich die konkrete Information bekommen haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und Frau Brakebusch, CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Barth. - Wir fahren fort in der Debatte. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat zunächst Frau Kollegin Latta das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte zeigt: Das Parlament muss über die Vergabepraxis der EUFördermittel informiert werden. Die Neujustierung der Förderrichtlinien - das zeigt der heutige Tag - ist unabdingbar, da wir sehen, dass sie bisher nicht ausreichend und bedarfsgerecht ausgestaltet sind.

Ich frage Sie, Herr Minister: Wenn die ELER-Fördergelder in der Höhe von ca. 84 Millionen € jetzt umgeschichtet werden, was passiert dann mit den ELER-Projekten, die der Herr Kollege Tschiche angesprochen hatte

(Zurufe: Czeke! - Herr Gallert, DIE LINKE: Herr Tschiche ist nicht da! Da sind ein paar Jahrzehnte dazwischen! - Heiterkeit)

- Herr Kollege Czeke -, bei denen jetzt kein Mittelabfluss stattgefunden hat? Das sind die Projekte - ich erinnere daran - Umweltbildung, Natura 2000/ Forst oder die Förderung von Umweltmaßnahmen. Diese Punkte hatte ich schon in meiner Rede vor der Sommerpause aufgegriffen und explizit auf die Projekte hingewiesen, weil sie in der Diskussion zuerst keine Erwähnung fanden und jetzt dankenswerterweise auch noch einmal von den Herren Kollegen aufgegriffen worden sind.

Die Frage ist doch: Was passiert mit diesen Projekten, wenn die Mittel jetzt umgeschichtet werden? Können wir daraus schließen, dass diese Projekte bis 2013 nicht mehr in die Planung hineinfallen, sodass das Geld dort überhaupt nicht mehr abfließen kann? Oder bedeutet das, wie ich das auf die Nachfrage von Herrn Erdmenger verstanden hatte, dass der Bedarf an diesen Projekten bisher noch gar nicht gegeben war, dass die Projekte an sich gar nicht aufgelegt worden sind?

Das bedeutet, dass gerade bei dem Bereich Umweltbildung die Mittel zwar zur Verfügung stehen, dass aber die Förderrichtlinien es nicht zulassen, diese Mittel abzurufen. Das bedeutet doch für die Jahre ab 2014, dass an den jeweiligen Stellschrauben gedreht werden muss, nämlich dass die Fördermitteljustierung neu ausgerichtet werden muss, damit diese Mittel abgerufen werden können.

Ein Problem - darauf hatte ich schon vor der Sommerpause hingewiesen - ist meiner Meinung nach und auch nach Meinung derer, die teilweise in den Begleitausschüssen sitzen, dass die Personaldeckelung, wie sie momentan erfolgt, nicht mehr erfolgen sollte, damit ein Mittelabfluss stattfinden kann. Bei dem Programm Natura 2000/Forst kann man eindeutig sehen, dass im Ministerium schon im Vorfeld, als die Managementpläne erstellt worden sind, die jeweilige Bedarfsorientierung nicht klar war und dass dadurch die Mittel auch nicht abgerufen werden konnten bzw. die Managementpläne nicht am Bedarf orientiert sind.

Die Förderperiode vor 2009 hat doch gezeigt, dass Bedarf vorhanden ist. Dann kann ich mich doch an diesem Bedarf auch für die nachfolgende Förderperiode orientieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Zu dem Programm Natura 2000/Forst ist auch meine Frage: Was passiert mit diesem Projekt? Ist es überhaupt noch möglich, bis 2013 diese Mittel abzurufen?

Hinsichtlich der Kofinanzierung durch Kommunen ist mir aufgefallen, dass Sie argumentiert haben, das Land brauche einen gewissen Vorlauf für die Planung. Dazu sage ich Ihnen: Die Kommunen brauchen diesen Vorlauf für die Planung ebenfalls. Wenn sie früher in die Programmjustierung einbezogen werden und die Bedarfe abgefragt werden,

dann ist es den Kommunen auch möglich, im Vorfeld zu planen und dementsprechend auch das Geld dafür zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist auch zu hinterfragen, warum aus Brüssel die Kritik kommt, Sachsen-Anhalt habe die Förderrichtlinie nicht attraktiv und bedarfsgerecht ausgestaltet. Ich denke, die Menschen müssen früher einbezogen werden, die Begleitausschüsse müssen früher in den Prozess integriert werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Latta. - Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Schulz.

Der Finanzminister schaut mich wieder so ängstlich an. Aber keine Angst, Herr Bullerjahn. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann - das muss ich offen und ehrlich gestehen - die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. Wir haben Anfang Juli im Parlament ausführlich und intensiv über den Stand der Umsetzung in unseren EU-Programmen gesprochen. Wir haben dabei festgestellt, dass Mängel vorhanden sind und dass diese Mängel schnellstmöglich abgestellt werden müssen, damit wir sämtliche EU-Fördermittel abrufen können, die uns zur Verfügung stehen. Wir haben uns - so habe ich die Debatte damals verstanden - fraktionsübergreifend dafür ausgesprochen, dass schnellstens reagiert werden muss.

Ich möchte ganz kurz noch einmal eine Äußerung des Kollegen Czeke aus der damaligen Sitzung zitieren. Herr Czeke sagte:

„Wir erhoffen uns dennoch von der Landesregierung, dass sie die Handlungsempfehlung des Berichtes ernst nimmt und vor allem in den Bereichen des ESF und des ELER anfängt, an einer besseren Umsetzung der Ziele des operationellen Programms und des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum zu arbeiten.“

Herr Czeke, das hat die Landesregierung gemacht. Was wollen wir denn noch mehr als Parlament?

(Zustimmung bei der CDU)

Die Landesregierung hat unsere Kritik aufgenommen, hat über den Sommer gearbeitet und in den entsprechenden Gremien der Regierung die Programmumsteuerung vorgenommen. Auch im Begleitausschuss ist diese Beratung erfolgt und - der

Minister hat es gerade gesagt - gestern erfolgte die Zustimmung.

Es war unser Wille, dass umgesteuert wird und dass vor allem schnellstens umgesteuert wird. Wir wussten, dass umgesteuert wird und dass die Beratungen laufen. Es ist dann auch unsere Pflicht als Parlament, nachzufragen und uns - notfalls in Sondersitzungen - berichten zu lassen. Von daher ist die Kritik, die in die Richtung der Landesregierung erhoben worden ist, überzogen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass Umplanungen in solchen Größenordnungen - 10 % des gesamten Budgets - vorgenommen werden. Das hatten wir auch im Land Sachsen-Anhalt schon mehrmals, das haben auch andere Bundesländer gemacht, weil man, wie der Minister zu Recht angeführt hat, zu Beginn einer Förderphase nie genau weiß, welche Ereignisse zustande kommen und ob noch umgeplant werden muss. Die EUKommission kann unser Vorgehen nachvollziehen. Auch das ist schon berichtet worden.

Lassen Sie mich jetzt noch einige Worte zu den Umschichtungen selbst sagen. Sie kennen mich. Sie wissen, dass ich ein Kommunaler bin. Ich bin seit 1999 in der Kommunalpolitik verankert. Ich komme aus einem der ländlichsten Wahlkreise und sage Ihnen ganz ehrlich: Ich begrüße diese Umschichtung in diesen Bereichen.

Zu den 34 Millionen €; die jetzt dem Stark-III-Programm für Schulbau- und Kita-Sanierung zugesteuert werden sollen: Ich bin heilfroh darüber - das sage ich Ihnen ganz ehrlich -, dass wir aus dem Programm ELER Mittel in das Stark-III-Programm packen können. Denn ich habe die Befürchtung, dass bei uns auf den Dörfern und auf dem Land gar nichts mehr ankommt, wenn das Programm Stark III zum Schulbau und zur Kindertagesstättensanierung nur aus den anderen Fördertöpfen - ESF oder EFRE - gefüttert wird.

(Beifall bei der CDU)

Von daher freue ich mich, dass auch das Programm ELER seinen Beitrag dazu leistet, weil ich damit gewiss sein kann, dass in meinem Wahlkreis davon einige Kindertagesstätten und Schulen profitieren werden. - Danke schön!

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Minis- ter Herrn Bullerjahn)

- Das steht jetzt im Protokoll.- Dann noch zu der Kritik zu dem Programm Stark III. Ich kenne die Finanzsituation der Kommunen zur Genüge. Aber die Kritik, die Sie an Stark III haben, ist fehl am Platze. Wenn Sie über Stark III beraten wollen, müssen Sie sich an den Finanzminister wenden. Vom Finanzministerium wird dieses Programm

aufgelegt. Diskutieren Sie bitte mit dem Finanzminister über das Finanzprogramm Stark III.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Wir wenden uns an die Landesregierung! Die spricht mit ei- ner Stimme!)

- Ja, ja, Herr Gallert. - Ich freue mich, dass wir es schaffen, für die Schulbau- und Kindertagesstättensanierung Mittel in Größenordnungen freizuschaufeln, weil nicht nur auf den Dörfern, sondern auch in den Städten noch erhöhter Bedarf vorhanden ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Ebenso begrüße ich, dass wir im Bereich Dorferneuerung/Dorfentwicklung 10 Millionen € mehr zur Verfügung haben. Auch das Leader-Programm, das, wenn Sie die Debatte noch im Ohr haben, zur Halbzeitevaluierung in allen Berichten und Analysen besonders gelobt worden ist, wird mit 14 Millionen € gestärkt. Dass wir für die Erschließung des ländlichen Raumes mit Internet noch einmal 5 Millionen € frei machen können, um zusätzliche Investitionen vorzunehmen, findet meine ungeteilte Zustimmung.

Zu den Kürzungen an sich. Wenn etwas umgeschichtet wird, wird natürlich irgendwo etwas draufgepackt und an anderen Stellen gekürzt. Aber ich sehe nicht, dass diese Kürzungen politischer Natur sind, weil man da politisch gegensteuern will. Es ist so, wie der Minister gesagt hat: Die Gelder kommen aus Maßnahmen, die nicht umgesetzt werden, bei denen kein Abfluss vorhanden war oder bei denen kein Bedarf vorhanden war. Auch das haben wir in der Debatte im Juli festgestellt, dass es viele Programme gibt, die am Bedarf vorbei geplant worden sind. Von daher ist es richtig, dass wir diesbezüglich umsteuern und die Gelder nicht verfallen lassen.

Meine Damen und Herren! Alles in allem sehe ich, dass durch diese Umsteuerung die Lebensqualität im ländlichen Raum weiter gesteigert werden kann. Wir können damit wichtige Haltefaktoren umsetzen. Wir kennen alle die demografischen Probleme, die wir in unseren dünn besiedelten Regionen haben. Von daher ist es richtig, dass wir nicht nur debattieren und tolle Beschlüsse fassen, sondern dass wir auch handeln und Finanzmittel frei machen, um den demografischen Problemen im Land entgegenwirken zu können.

Wichtig ist - das vielleicht abschließend -, dass wir alle EU-Mittel, die wir haben können, zu 100 % binden können und dass wir die ELER-Mittel auch dahin fließen lassen, wo sie hingehören, nämlich in den ländlichen Raum. Wir haben bei der Debatte im Juli auch vom Umsetzungsgrad des ESF gehört, der vor einem Jahr bei ca. 15 %, also noch ein Stück niedriger, lag. Von daher erhoffe ich mir, dass auch diesbezüglich Umschichtungen erfolgen