Protokoll der Sitzung vom 30.09.2016

Mit anderen Worten: Sehen Sie, wie gerade in Ihrem Vorwurf an die christlichen Abgeordneten und die Abgeordneten, die der CDU angehören, tatsächlich eine Begründung, dass man als Christ diese Lebensweise ablehnen muss? Oder passt es einfach nur in Ihr Weltbild, um allen zu erklären, dass Sie das christliche Abendland bis zur letzten Patrone verteidigen? - Das würde mich wirklich interessieren.

Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Die katholische Kirche von heute hat mit der Iglesia catolica, von der bei Augustinus die Rede ist, fast gar nichts mehr zu tun. Ich bin kein großer Fan des aktuellen Papstes; seinen Vorgänger fand ich besser.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das wun- dert mich nicht!)

Robert Spaemann hat übrigens genau diesen Brief - ich glaube, er heißt Amoris Laetitia -, also diese Lehrmeinung scharf kritisiert und dem Papst vorgeworfen, dass er damit von der katholischen Lehre abweicht. Ich habe mich nicht im Detail damit beschäftigt, aber es klingt für mich sehr nachvollziehbar.

Herr Scheurell, bitte.

Sehr geehrter Herr Dr. Tillschneider, Sie haben gesagt, Sie seien absolut tolerant. Wenn Sie das sind, dann müssten Sie Ihren Antrag eigentlich zurückziehen.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich sage Ihnen auch, warum. Die Frau Ministerin hat vorhin gesagt, dass erst alles für die Umsetzung erarbeitet werde. Wenn Sie tolerant sind und

die AfD ein offenes Menschenbild verfolgt, was uns von dem Fraktionsvorsitzenden ja gesagt wurde - -

Zu meiner Frage: Werden Sie als Fraktion jemanden entsenden, der dieses Programm mit Leben erfüllt? Denn es wird ja erst erarbeitet.

(André Poggenburg, AfD: Ja, gern!)

Es ist ein Aktionsprogramm. Es wird erarbeitet und es soll mit Leben erfüllt werden.

Noch eines dazu. Sie appellierten an die Christen. Es wäre unchristlich, Menschen ob ihrer sexuellen Ausrichtung im gesellschaftlichen Leben in irgendeiner Art und Weise zu diskriminieren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jeder hat das gleiche Recht in dieser Gesellschaft. Ich lasse mir nicht sagen, dass ich als Katholik irgendwie ein Außenseiter bin oder eine Protestantin eine Außenseiterin ist. Wir sind zahlenmäßig natürlich eine Minderheit in unserem Land.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Das ist so, ja. - Wissen Sie, ich in persona bin an mehreren Stellen eine Minderheit und, Herr Dr. Tillschneider, Sie auch.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Zustim- mung bei der CDU - Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Tillschneider, möchten Sie darauf antworten?

Vielleicht kann ich kurz antworten, ja. - Bevor Sie dann abgeschweift sind, war, glaube ich, die Frage nach der Toleranz, und dass wir sozusagen diesem Aktionsplan eigentlich zustimmen müssten, wenn wir tolerant wären. Das war Ihre Frage.

Dazu sage ich: Nein. Der wird hier nämlich schon die ganze Zeit verharmlost. Wenn man ihn ganz liest - und ich habe ihn ganz gelesen -, dann entdeckt man eine Fülle von Maßnahmen, die wir einfach nicht billigen können. Zum Beispiel wird dort kritisiert, dass im Adoptionsverfahren heterosexuelle Ehepaare bevorzugt werden.

(Olaf Meister, GRÜNE: Sie sind doch tole- rant!)

Das heißt, es wird bemängelt, dass die Waisenkinder, die zur Adoption freigegebenen Kinder, nur an normale Ehepaare vergeben werden, dass nicht auch andere berücksichtigt werden. Das wird bemängelt, und das heißt, das müssen wir ändern. - Dazu sage ich ganz klar: Nein.

Denn eines der wirklich stärksten Argumente dafür, dass auch eingetragene Lebenspartnerschaften adoptieren dürfen, ist: Angeblich ist es besser für ein Kind, wenn es bei zwei Schwulen aufwächst oder bei zwei Lesben als im Heim. Das gebe ich auch zu; das mag ja sein. Besser als allein, dann lieber so betreut. Aber wenn es ein Überangebot an adoptionswilligen normalen Ehepaaren gibt, dann sind die Kinder auf diese Ehepaare zu verteilen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Was sind normale Ehepaare? - Swen Knöchel, DIE LINKE: Was ist normal?)

Denn meine Auffassung in der Beziehung ist: Jedes Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter, aber Erwachsene haben kein Recht auf Kinder. Das ist zum Beispiel ein knallharter Punkt und davon steckt der voll.

Ich bin auch dagegen, das auf den Kita-Koffer zu verengen. Dieser Aktionsplan entfaltet eine Fülle von Maßnahmen, er nennt sie auch gesamtgesellschaftlich, sodass wir das aus dieser Perspektive diskutieren müssen.

Herr Stahlknecht, stellen Sie Ihre Frage, bitte.

Es wird eine Intervention, aber darauf kann er gern antworten. - Sie haben vorgetragen, indem Sie aus der Naturbetrachtung zitiert haben, und haben dann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, den Bogen geschlagen zwischen normgerechtem Verhalten und nicht normgerechtem Verhalten. Ich habe das so verstanden - ich glaube, das war auch Ihre Intention -, dass das normgerechte Verhalten in der Natur erforderlich ist, dass Natur sich weiterentwickeln kann und dass das nicht normgerechte Verhalten dazu nicht beiträgt. Das war das, was ich verstanden habe.

So ungefähr, ja.

Wissen Sie, das halte ich für eine sehr, sehr grenzwertige Argumentation.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen das auch deshalb, weil Sie es vielleicht gar nicht so gemeint haben.

(Henrik Lange, DIE LINKE: Nein, das hat er so gemeint!)

- Vielleicht. - Aber der Schritt von der Überlegung zu Leben erster und Leben zweiter Klasse hin zu der Frage, was ist wert und was ist möglicherweise auch unwert, ist dann nicht mehr ganz so weit.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich als Privatperson und als Christ habe einen Menschen noch nie danach beurteilt und meine Sympathien und gelegentlich auch einmal Antipathien - das geht uns allen so - davon abhängig gemacht, ob einer sich normgerecht oder nicht normgerecht verhält. Entscheidend ist, egal in welcher Ausprägung, der Mensch als Teil unserer Schöpfung. Das ist für mich entscheidend.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich muss sagen: bis zwei Minuten. Die sind jetzt um.

Ich komme jetzt zum letzten Satz, Frau Kollegin, den gestatten Sie mir. - Wir hatten einmal eine Zäsur in unserer Geschichte, aufgrund derer wir uns sehr lange mit uns selbst beschäftigen mussten und unsere eigene Kultur dabei vergessen haben. Ich möchte nicht, dass wir der Versuchung erliegen, dass sich Gleiches, wenn auch nur ansatzweise, noch einmal wiederholt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Tillschneider, das war eine Intervention. Sie müssen nicht darauf antworten, Sie können aber erwidern.

Ich will nur kurz kommentieren, dass ich die assoziative Fantasie des Herrn Ministers bewundere.

(Beifall bei der AfD)

Herr Poggenburg.

Ich möchte in Form einer Kurzintervention etwas klarstellen. Natürlich waren die Ausführungen des Herrn Dr. Tillschneider nicht dahin gehend zu

verstehen, dass eine Wertung des Lebens in mehr oder weniger wertes Leben stattfindet.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Oh!)

Um Gottes willen!

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Warum erzählt er es dann?)