Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

Bevor Sie so klatschen: Wir waren nicht in der Universitätsklinik, wir befanden uns draußen.

(Zuruf)

Wir waren draußen.

(Zuruf)

- Nein, wir waren nicht in einem Zimmer.

(Zuruf)

- Nein. - Wenn Sie es richtig verfolgt haben, dann wissen Sie, dass der Ministerpräsident ein Handy dabei hatte. Auf dem Handydisplay war das Bild des französischen Patienten zu sehen, in das derjenige das sozusagen übersetzt bekommen hat. Wir haben überhaupt keinen Kontakt in der Universitätsklinik gehabt.

(Zuruf)

Wir haben extra dafür Sorge getragen. Gerade wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr und der Gefährdung dieser Patientinnen und Patienten

(Zuruf)

haben wir den französischen Patienten draußen verabschiedet. Das ist alles über Handys gelaufen. Der behandelnde Arzt hat über sein Handy

in das Zimmer kommuniziert. Darüber ist sozusagen das Bild nach draußen gegeben worden.

Also auch dafür haben wir Sorge getragen. Ich muss Ihnen sagen, ich werde sehr stark darauf achten, dass wir das auch tun. Außerdem hätten wir draußen noch nicht einmal Masken tragen müssen. Das wollte der Ministerpräsident aber ausdrücklich, um auch dort zu dokumentieren, dass man, wenn man nicht den entsprechenden Abstand wahren kann, eine Mund-NaseBedeckung trägt. Also, ich kann es nicht nachvollziehen.

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Ich sehe, dass jetzt noch eine Nachfrage besteht und sich fünf weitere Fragesteller gemeldet haben.

Ich frage das Plenum: Wollen wir die Befragung der Landesregierung ausweiten? Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen? - Wer ist dagegen? - Die Mehrheit ist dagegen.

(Zurufe)

Damit ist die Befragung der Landesregierung beendet. Es tut mir leid, dass die Fragesteller nicht mehr an die Reihe kommen.

(Zurufe)

Sie müssen die Mehrheit im Plenum akzeptieren. Deswegen frage ich. Sie müssen das so hinnehmen.

Wir kommen nunmehr zum nächsten Tagesordnungspunkt.

(Unruhe)

- Ich denke, wir sollten alle kurz durchatmen, damit wir ordentlich weiterarbeiten können.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung

Humanitäre Katastrophe abwenden - Gesundheitsschutz für alle

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/5999

Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen worden. Einbringerin wird die Abg. Frau Quade sein.

(Unruhe)

- Ich bitte noch einmal darum, den Geräuschpegel zu senken. Wir möchten hier vorn auch etwas verstehen. Wenn das querbeet geht, kann man dem Ablauf schlecht folgen. - Frau Quade, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Es ist ein eher ungewöhnliches Vorkommnis, dass eine Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE eine Rede mit einem Zitat eines CSUBundesministers eröffnet. Ich möchte das jedoch heute tun und zitiere Entwicklungsminister Gerd Müller aus der „Rheinischen Post“ von vor zwei Tagen mit den Worten:

„Wir müssen allen Menschen in den Lagern helfen. Ich empfinde es als Schande, welche Zustände mitten in Europa akzeptiert werden.“

(Beifall)

Der Minister hat dies mit Blick auf das Lager Moria auf der Insel Lesbos gesagt und er hat recht. Inzwischen müssen dort mehr als 20 000 Menschen leben, darunter gut 8 000 Kinder. Insgesamt befinden sich auf den griechischen Inseln inzwischen mehr als 42 000 Geflüchtete. Nach Angaben des UNHCR sind darunter mehr als 10 000 Kinder im schulpflichtigen Alter, von denen lediglich ein Anteil von 3 % die Schule besuchen kann. Sie sind unter Bedingungen untergebracht, die in Europa in Friedenszeiten undenkbar sein sollten. Nur sind sie genau das nicht; sie sind real und sie sind bedrohlich.

Inzwischen mehren sich die Berichte von Kindern, die verschwinden, von Kindern, die sich selbst verletzen, bis hin zu Suizidversuchen. Die Menschen sind in katastrophalen hygienischen Bedingungen festgehalten, sie werden krank, sie sind Gewalt ausgesetzt.

Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ spricht davon, in Teilen auf den griechischen Inseln so wie in einem Kriegsgebiet arbeiten zu müssen, weil die Lage dort der in einem Kriegsgebiet immer mehr ähnelt. Die meisten Hilfsorganisationen bezeichnen das Lager als „Hölle von Moria“ und fordern bereits seit Langem die Evakuierung der Lager. Im Fall von Moria wäre es die Evakuierung eines Lagers, in dem 17 000 Menschen mehr untergebracht sind, als ursprünglich gedacht, geplant und irgendwie verantwortbar.

Diese Zustände, meine Damen und Herren, waren schon bisher nicht haltbar. Sie waren schon bisher nicht mehr gedeckt durch europäisches Recht und völkerrechtliche Verträge. Sie waren schon bisher grausam und gefährlich für die Betroffenen.

(Beifall)

Doch mit der Coronapandemie hat sich diese Situation noch weiter verschärft, sind Leben und Gesundheit der Menschen in den Lagern akut in Gefahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Beginn der Maßnahmen gegen die Coronapandemie in der Bundesrepublik und im Land SachsenAnhalt verwenden nun auch solche Politikerinnen und Politiker das Wort „Solidarität“ ständig und jederzeit, zu deren Standardvokabular das Wort bisher nicht gehört hat.

Ich will es gleich vorwegsagen: Wir haben viel Solidarität in den letzten Wochen gesehen, und zwar Solidarität unter den Menschen, die akut von den Folgen der Coronapandemie betroffen sind und von deren Maßnahmen zur Eindämmung direkt und oftmals erheblich betroffen sind, die ihren Alltag ganz neu organisieren müssen.

Nun gibt es die ersten Lockerungen, weitere sind absehbar. Doch die Pandemie ist keineswegs vorbei und natürlich bleibt es dabei: Solidarität ist das Gebot der Stunde. Denn die Verordnungen zu lockern, löst keine Probleme, schon gar keine sozialen. Die Pandemie und die Folgen ihrer Eindämmung treffen die Menschen unterschiedlich hart; sie treffen jene, die wenig Vermögen und Verdienst haben, härter, jene, die jetzt ihre Arbeit und ihr Einkommen verlieren, die mit niedrigerem Lohn aus der Kurzarbeit etwa Kredite bedienen und über die Runden kommen müssen, Alleinerziehende und Familien, die Arbeit und Kinderbetreuung gleichzeitig stemmen müssen, alte und kranke Menschen, deren Leben und deren Bedingungen sich durch die Einsamkeit zusätzlich verschlechtern.

Geflüchtete, Menschen ohne Krankenversicherung und Gefangene, die faktisch isoliert sind, treffen sie besonders hart. Meine Fraktion ist überzeugt: Solidarität kennt keine Grenzen. Solidarität, die nicht Solidarität mit jenen in Not bedeutet, ist keine. Deswegen müssen wir uns besonders um die Menschen kümmern, deren Sorge es nicht ist, ob das nächste Spiel der ersten Fußballbundesliga stattfinden wird, sondern die, wie sie in den kommenden Wochen und Monaten gesund bleiben können,

(Beifall)

wie sie leben können. Auch darum legen wir heute nicht nur diesen Antrag vor.

In Moria und in den anderen Lagern auf den griechischen Inseln zeichnet sich seit Jahren eine humanitäre Katastrophe ab, die Griechenland allein nicht verhindern kann und die auch Leid und das Sterben von Menschen bedeutet. Dies ist ein Befund, der für die Politik der europäischen Regierungen mit Blick auf die Situation an den europäischen Außengrenzen seit Langem zutrifft - eine Politik, die inzwischen Tausende Menschen das Leben gekostet hat, obwohl sie durch Searchand-Rescue-Missionen hätten gerettet werden können.

Stattdessen setzen die Regierungen der europäischen Staaten insgesamt weiterhin auf Abschreckung, wie wir es zuletzt wieder an der griechisch-türkischen Grenze gesehen haben. Hierzu wird im Übrigen auch die Rolle der Bundespolizei durch den Bundestag noch aufzuklären sein.

Auch das sehen wir: Abschreckung bedeutet Tod und Elend, die niemanden aufhalten, sondern „nur“ Menschen die Gesundheit und oft ihr Leben kosten.

Die Bundesrepublik hat nach wochenlangen Verhandlungen nun 47 Kinder aufgenommen - 47 Kinder von mindestens 10 000 Kindern im schulpflichtigen Alter. Davon hat Sachsen-Anhalt zwei Kinder aufgenommen. Ja, der Innenminister dieses Landes fand eigentlich auch nur ein Kind zumutbar. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist beschämend!

(Beifall)