Protokoll der Sitzung vom 08.05.2020

immer richtig und gut ist, ist eine andere Frage. Ob dabei irgendwelche Beteiligungsrechte verletzt worden, kann ich durch eine Ferndiagnose nicht bestätigen, weil ich den Einzelfall nicht kenne.

Auch die Sitzungsleitung bei Präsenzveranstaltungen, bei denen möglicherweise einigen Teilnehmern das Wort entzogen worden ist, muss vor Ort geprüft werden, weil ich auch hierzu die Einzelfälle nicht kenne.

Unser Ziel muss es jetzt perspektivisch sein - wir lockern alles, Frau Grimm-Benne ist anwesend und schüttelt schon gelegentlich innerlich mit dem Kopf, wenn sie hört, was wir uns jetzt gegenseitig in der hohen Eiligkeit und unter Druck zumuten -, dass künftig auch wieder Sitzungen der Kommunalparlamente stattfinden können.

Ich hoffe nur, dass wir bei allen Lockerungsübungen, die wir jetzt durchführen, keine zweite Welle bekommen werden und am Ende alle gesund bleiben; denn wir haben im Augenblick in erster Linie eine hohe Verantwortung für die Gesundheit unserer Mitmenschen, bei der manches dann auch mal etwas zurücktritt.

Nun kommt Frau Buchheim an die Reihe.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

- Nein, Herr Roi. Ich habe drei Fragen von Ihnen zugelassen, die doppelt so lange gedauert haben wie vorgesehen. Jetzt ist es mal gut. - Frau Buchheim, bitte.

Vielen Dank. - Herr Minister, würden Sie den Kommunen raten, Beschlüsse, die nach der Erlasslage gefasst worden sind, in den nächsten Präsenzsitzungen zu bestätigen und, wenn ja, warum?

Meine zweite Frage: Würden Sie den Erlass mit Datum vom 23. März so noch einmal herausgeben?

Zu Ihrer ersten Frage: Wenn man das hinterher noch bestätigen kann, dann kann das nicht schaden. Alles, was nicht schadet, kann man machen.

Ich würde den Erlass, den meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeitet haben, mit dem Wissen von damals mit Sicherheit noch einmal genauso billigen.

Ich habe die Hoffnung - das liegt aber in den Händen des Hohen Hauses -, mit der Kommunalverfassung eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die es uns in solchen Fällen ermöglicht, vernünftig zu

agieren. Ich rate Ihnen an, dies zu tun; denn dann kommen wir nicht in die Verdrückung.

Danke. Ich sehe keine weiteren offenen Fragen oder Interventionen mehr. Deswegen können wir jetzt in der Dreiminutendebatte fortfahren. Bevor wir das allerdings tun und Frau Schindler ans Rednerpult tritt, wird der Tisch desinfiziert; denn sonst wird die Quarantänegruppe zu groß. - Frau Schindler, Sie haben nun das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, mir wird niemand absprechen, dass ich die kommunale Selbstverwaltung auch hier am Pult schon sehr oft verteidigt habe, aber auch dafür spreche, dass die Kommunen gerade dann gehalten sind, nach Recht und Gesetz zu handeln.

Wir haben in dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen natürlich auch darauf hingewiesen, dass mit dieser Ausnahmeregelung versucht worden ist, der besonderen Situation der Pandemie, die in unserem Land herrscht, Rechnung zu tragen.

Das Grundprinzip der Öffentlichkeit ist auch für mich ein hohes Gut. Meine Kollegen aus der Fraktion können bestätigen, dass wir uns in unserer Fraktionssitzung darüber verständigt haben, wie das vor Ort gehandhabt wird. Zudem haben wir uns darüber ausgetauscht, wie dieser Erlass vom 23. März vor Ort gelebt wird.

Wir haben im Land unterschiedliche Situationen. Ich kann aus meiner kommunalen Tätigkeit heraus sagen, dass wir das in Wanzleben sehr restriktiv gehandhabt haben. Die vorbereitenden Beschlüsse sind in einem Umlaufverfahren gefasst worden. Gestern Abend fand die Stadtratssitzung in öffentlicher Sitzung als Präsenzsitzung unter Einhaltung der Abstände statt. Das ist alles möglich gewesen.

Natürlich ist dieser Erlass nur der Ausnahmesituationen im Zusammenhang mit dieser Pandemie geschuldet gewesen. Ich denke, wir sind gehalten, jetzt die Erfahrungen zu sammeln und Regelungen in unser Kommunalverfassungsgesetz aufzunehmen, um solche Ausnahmeregelungen auch in der Zukunft zuzulassen; denn das, was durch die Digitalisierung und die Inanspruchnahme der Digitalisierung dargestellt worden ist, bietet den Kommunalvertretungen die Möglichkeit, ihre Beratungen auch unter besonderen Bedingungen durchzuführen.

Die Klarstellung der Erlasslage, die am 29. April erfolgt ist, habe auch ich ausdrücklich begrüßt, weil erst dadurch deutlich geworden ist, dass die Durchführung von Präsenzsitzungen zu keiner

Zeit verboten gewesen ist, natürlich unter Einhaltung der Vorschriften, die in der Zeit der Pandemie gelten. Präsenzsitzungen sind nicht verboten gewesen, aber viele haben diese Möglichkeit sehr eingeschränkt gesehen und haben deshalb dieses Instrument gewählt.

Dies betrifft nicht nur die Frage der Öffentlichkeit; denn die Beratung in einer Präsenzsitzung, also der Meinungsaustausch zwischen den Vertretern, ist etwas ganz anderes als eine beschränkte Meinungsbildung per Umlaufbeschluss.

Daraus haben wir die Schlussfolgerung gezogen, dass wir neue Rechtsgrundlagen schaffen sollten. Ich denke, das ist ein guter Rat für die Zukunft. - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich sehe keinen Interventions- und keinen Fragewunsch. Deswegen können wir, nachdem der Tisch desinfiziert worden ist, in der Debatte fortfahren. Nun spricht der Abg. Herr Roi für die Fraktion der AfD. - Herr Roi, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Vielen Dank. - Wir haben heute schon den ganzen Tag lang über Corona und seine Folgen diskutiert. In dieser Debatte geht es um die Folgen für die Kommunalpolitik.

Wir als AfD-Fraktion sind der Meinung, dass das Coronavirus nicht zum Demokratieabbau in den Kommunen führen darf. Die Coronaverordnung der Landesregierung vom März, um die es hier geht, darf nicht weiter zum Vorwand in den Kommunen dienen für den Ausschluss der Öffentlichkeit in den Kommunen und damit zum Entzug an der Mitwirkung der Bürger, um vielleicht auch strittige und zweifelhafte Entscheidungen durchzuboxen. Denn das ist in einigen Gemeinden sauer aufgestoßen und angekommen.

Und wenn zum Beispiel Ortschaftsräte nicht mehr tagen, die zu bestimmten Verfahren - wenn Sachen verkauft werden sollen oder geplant werden - nicht mehr gehört werden, dann fühlen sich Ortschaftsräte natürlich außen vor und nicht beteiligt. Das ist schwierig, weil dann die Transparenz der Gemeinde in der Fläche nicht mehr hergestellt werden kann. Aus dem Grund darf Corona aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass Transparenz auf kommunaler Ebene ausgeschaltet wird und verfassungsrechtlich geschützte Werte angegriffen werden.

Im Antrag ist deshalb festgehalten worden, dass das Öffentlichkeitsprinzip verfassungsrechtlich geschützt ist. Wir erleben aber in vielen Kommunen, wie Demokratierechte infrage gestellt werden, in

dem Sitzungen abgesagt werden, und das immer noch. Es gab ein zweifelhaftes Umlaufverfahren - ich habe in der Frage gerade ein konkretes Beispiel gegenüber dem Innenminister genannt - im AZV Köthen. Für die Abgabe der Stellungnahme waren nicht einmal zwei Stunden Zeit vorgegeben. Die Frage ist nicht beantwortet worden, wie es mit den Fristen ist. Gibt es eine Mindestfrist? Das war meine Frage. Gibt es eine Mindestfrist für Umlaufverfahren? - Vielleicht kann der Minister das noch beantworten.

Ich bin der Meinung, man kann nicht so ein Umlaufverfahren machen und sagen, bis 14 Uhr melde dich mal. Und dann, wie Frau Buchheim schon sagte, muss es aber trotzdem noch einmal bestätigt werden. Das versteht niemand. Immer wieder beruft man sich dann eben auf die Verordnung. Die Verordnung hat für viel Verunsicherung gesorgt, weil man sich immer wieder darauf beruft. Herr Minister Stahlknecht, ich fordere Sie deshalb dazu auf, solche Vorgänge noch einmal zu überprüfen und abzustellen und auch für Klarheit zu sorgen, was es mit Umlaufbeschlüssen auf sich hat.

Ich habe es schon gesagt: Zahlreiche Sitzungen auf kommunaler Ebene fallen aus, während Läden wieder öffnen, was ich ausdrücklich begrüße. Beratende Ausschüsse aber werden immer noch nicht einberufen, Ortschaftsräte tagen immer noch nicht. Das ist ein nicht mehr länger zu akzeptierender Umstand. Denn, wie gesagt, die Lockerungen sind so langsam auch in der Wirtschaft in Kraft getreten.

Der vorliegende Antrag ist ein zu unterstützendes Anliegen. Wir lesen übrigens auch Anträge anderer Fraktionen, Herr Lippmann. Allerdings schreiben Sie im zweiten Punkt von Hinweisen, die Landesregierung solle Hinweise geben.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Wir beschließen ja hier konkret.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Mir fehlen die konkreten Hinweise, die die Landesregierung geben soll. Es wurde gerade gesagt: Barrierefreiheit, was ist mit Fragestellungen, was ist mit den Umlaufbeschlüssen? - Diese Sachen hätten Sie in Ihren Antrag hineinformulieren können, um einmal etwas Konkretes vorzulegen. Denn der Erlass ist ja offensichtlich nicht konkret genug.

Aus dem Grund muss man auch die Landesregierung noch einmal dazu auffordern, insoweit für Klarheit zu sorgen, denn wir brauchen einen klaren Rechtsrahmen. Wir müssen verhindern, dass der Demokratieabbau in den Kommunen dadurch zustande kommt, dass Hauptverwaltungsbeamte die Verordnung ausnutzen, um bestimmte Dinge durchzusetzen.

Herr Roi, letzter Satz.

Der letzte Satz ist, dass die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut ist, aber wir müssen für einen klaren Rechtsrahmen sorgen.

Zu dem Änderungsantrag kann ich jetzt leider nichts mehr sagen. Vielleicht werden dies noch andere Redner tun.

Tut, mir leid, Herr Roi. Letzter Satz war letzter Satz. - Danke. Damit sind wir am Ende des Debattenbeitrages angelangt. Ich habe keine Wortmeldungen dazu gesehen. Jetzt wird der Tisch wieder desinfiziert und der Kollege Meister kann sich langsam seelisch und moralisch darauf einstellen, nach vorne zu kommen.

Zwischendurch noch eine Bemerkung: Die Frau Präsidentin hatte das gestern bereits gesagt: Der größere Sitzabstand führt dazu, dass die Unterhaltungen auf den Bänken trotz eines größeren Abstandes immer noch leise zu führen versucht werden, was aber an der Entfernung scheitert. Deswegen werden sie dann lauter geführt. Das macht aber keinen Sinn mehr, zumindest dann nicht, wenn hier vorn jemand steht und redet. Deswegen bitte ich noch einmal darum, den Geräuschpegel besser zu kontrollieren. Danke. - Herr Meister, nun haben Sie das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kritik am Runderlass des Innenministeriums ist durchaus vielstimmig. Auch ich habe im Rahmen des Kommunalmandats in Magdeburg die Schrecken des Umlaufverfahrens erlitten. Trotzdem, meine ich, ist die Kritik der Antragstellerin zwar nachvollziehbar, wird aber der aktuellen Situation nicht gerecht.

(Beifall)

Das Innenministerium hatte kurz nach Beginn der Krise eine schier nicht lösbare Aufgabe. Ziel war es, die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern, obwohl die Basis der Arbeit, nämlich die Präsenzsitzungen, infrage standen. Dabei galten drei Prämissen:

Erstens. Es muss ganz schnell gehen.

Zweitens. Die für selbstverständlich angenommene Grundlage der Arbeit, nämlich die Fähigkeit der Akteure, sich zu treffen, sollte ersetzt werden.

Drittens. Dieser tief gehende Eingriff durfte nicht mit einer Gesetzesänderung bewerkstelligt werden, da dafür weder Zeit noch Gelegenheit war.

Die Handlungsfähigkeit des Landtages sah ja auch nicht sonderlich gut aus. Wir können uns hier an die Diskussionen über das Notparlament erinnern.

Einen rechtssicheren Weg zu finden, ohne Gesetzesänderung zentrale Teile des Gesetzes gegen die ursprüngliche Absicht des Gesetzes anzuwenden, ist geradezu eine verwegene Aufgabe. Legt man juristische Maßstäbe aus Nichtkrisenzeiten an, muss das scheitern.