Herr Gebhardt, es ist tatsächlich so, dass ich an dieser Stelle ausdrücklich gesagt habe, dass es die Auffassung der SPD ist. Ich werde, egal mit wem ich politisch diskutiere, immer dafür werben. Ich ahne aber, dass es auf der einen Seite vielleicht mehr, auf der anderen Seite vielleicht weniger Zuspruch für diese Idee geben wird. Dabei bin ich Realistin.
Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Solange sich unsere zoologischen Vergleiche auf Sachverhalte beziehen und nicht auf Personen, ist es auch völlig in Ordnung.
Gehen wir weiter. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Lippmann. - Natürlich erst, nachdem der Tisch desinfiziert worden ist. Bitte, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Pandemie, wie wir sie alle erstmalig - und vermutlich hoffen alle, für ihr Leben jedenfalls letztmalig - erleben, hat viele Schattenseiten. Sie deckt Defizite auf, die schon lange vorher entstanden sind, und sie bringt neue krisenhafte Entwicklungen hervor. Es gibt eben nicht nur eine Coronakrise, es gibt derer viele.
Der Ministerpräsident hat uns bei der Ankündigung seiner Regierungserklärung aber etwas im Unklaren darüber gelassen, aus welcher dieser Krisen er dem Land einen Weg in die Zukunft weisen will. Den Sachsen-Anhalt-Plan kannten wir ja nun schon länger und seine Umsetzung in der letzten Eindämmungsverordnung auch, sodass darüber, was der Titel andeuten wollte, in der Regierungserklärung von ihm eigentlich nicht mehr viel und schon gar nichts Neues zu erfahren war.
Worüber muss gesprochen werden, wenn es um die Coronafolgen und Wege aus der Krise geht? - Die Maßnahmen der Bundes- und der Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie haben in zweifacher Weise massiv in unseren gewohnten Alltag eingegriffen: Die physischen Kontakte wurden über längere Zeit so rigoros begrenzt, dass praktisch alle Strukturen unseres sozialen
und kulturellen, aber auch unseres demokratischen Zusammenlebens auf Eis gelegt wurden, weil Menschen nicht mehr zusammenkommen konnten.
Dann wurden Produktion und Konsum und die damit verbundenen Geldflüsse in vielen Branchen stark eingeschränkt oder ganz unterbrochen. Es wurde schnell klar, dass sich hieraus eine Wirtschaftskrise ergeben würde, und um diese hat sich dann ja auch vom ersten Tag an fast ausschließlich alles gedreht, so wie auch heute in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten.
Dabei ist es unbestritten, dass sich die Politik natürlich auch mit den wirtschaftlichen Folgen der staatlichen Eingriffe auseinandersetzen muss. Nun sind Wirtschaftskrisen aber nichts Neues im Kapitalismus, nur der Anlass ist diesmal etwas ungewohnt.
Der Wirtschaft wurde und wird schon immer mit Steuergeld ausgeholfen, wenn es einmal eng wurde oder eng wird. Dafür sind die Mechanismen durchaus erprobt. Das sieht man an den schnellen und umfangreichen Hilfsprogrammen der Bundesregierung, aber auch der EU und nicht zuletzt des Landes selbst.
Wie immer, wenn durch politische Entscheidungen große Geldmengen verteilt werden, versuchen Lobbygruppen ein möglichst großes Stück vom Kuchen abzubekommen, und zwar teilweise unabhängig davon, wie intensiv sie von den Folgen tatsächlich betroffen sind.
Wie viel Geld erforderlich ist und wer es bekommen muss, darum wurde und wird wie immer gestritten und gekämpft. Dennoch ist diesmal am Ende einiges ganz gut gelungen und man konnte sogar den einen oder anderen Lerneffekt bei der CDU feststellen.
wie die stärkere Beteiligung des Bundes etwa an den Belastungen aus den DDR-Zusatzrenten oder an den Kosten der Unterkunft.
Ich bin davon überzeugt, dass sich die Wirtschaft am Ende viel schneller erholt, als dies jetzt prognostiziert wird. Es ist ja in der Krise nichts kaputt gegangen, sondern nur unterbrochen worden.
Wenn die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden können und wieder Geld fließt, springt der Motor auch wieder an.
Die wirtschaftlichen Schäden können weitgehend mit Geld behoben werden, und dass es an Geld nicht mangelt, sollte inzwischen klar geworden sein.
Schauen Sie sich die Entwicklung an der Börse an; diese kennt inzwischen keine Krisenfolgen mehr. Der DAX hat längst wieder den Stand von vor der Krise erreicht. Wir werden bald erleben, dass es ein nächstes Allzeithoch an der Börse geben wird.
Die wirklichen Krisen aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die uns beschäftigen müssen, sind die, von denen die Mehrzahl der Menschen im sozialen und kulturellen Bereich betroffen sind und die tiefer gehen und länger anhalten werden.
Am deutlichsten sichtbar ist die Krise des Gesundheitssystems, die seit mehr als einem Jahrzehnt herbeiregiert wurde und die sich jetzt in der Pandemie brutal gerächt hat.
Die Angst vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems und dem Mangel an Intensivbetten und Beatmungsplätzen war der zentrale Grund für den radikalen Lockdown mit all seinen Folgen. Jetzt fahren die Krankenhäuser aufgrund ausfallender Behandlungen große Defizite ein.
Was war und ist hierzu der Plan der Landesregierung? Was wird aus dem Investitionsprogramm in Höhe von 700 Millionen €, das von der Sozialministerin gefordert wurde? Wie soll SachsenAnhalt aus dieser Krise herauskommen? - Dazu hat uns der Ministerpräsident kein einziges Wort gesagt.
Immerhin: Der jetzige Koalitionspartner SPD hält an seinen Forderungen fest und hat sie hier betont. Die Hoffnung bleibt, dass es irgendwann auch bei der CDU ankommt, dass in den Krankenhäusern so nicht mehr weiter gewirtschaftet werden kann.
Als Nächstes fällt die Krise im Bildungssystem in den Blick. Anders als es der Ministerpräsident hier ausgemalt hat, ist mit großer Ernüchterung festzustellen, dass wegen fehlender Lehrkräfte und ohne die erforderliche digitale Infrastruktur für die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler kein vernünftiges Homeschooling möglich war. Die Bildungsgerechtigkeit ist in diesem Schulhalbjahr noch mehr als je zuvor auf der Strecke geblieben.
Gibt es hierfür einen Plan, um diese Defizite zu erfassen und dem Abhängen der benachteiligten Schülerinnen und Schüler gezielt entgegenzu
wirken? Gibt es einen Weg, massenhafte Klassenwiederholungen und steigende Zahlen von Schulabbrechern ohne Schulabschluss in den kommenden Schuljahren zu vermeiden?
Sollen Nachhilfe und zusätzliche Unterstützung organisiert und auch finanziert werden? Und nicht zuletzt: Wie sollen der angekündigte Regelbetrieb in den Schulen und die Einhaltung der Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen unter einen Hut gebracht werden? - Ich habe davon nichts in der Erklärung des Ministerpräsidenten gehört, aber immerhin heute eine Andeutung des Bildungsministers in der Zeitung gelesen. Wir werden sehen, wie das neue Schuljahr beginnen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erfahren müssen, wie fragil und krisenanfällig die Kulturszene im Land ist. Nur mit Mühe ist es gelungen, so viel Unterstützung zu mobilisieren, dass die schlimmsten Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Existenzen gemildert werden können.
Es gab und gibt zu wenig Kontinuität und Verlässlichkeit in der Finanzierung des Kulturbetriebes. Wir erinnern uns an die umkämpften Theaterverträge oder an die unzureichende Finanzierung unserer Musikschulen, von der Förderung soziokultureller Einrichtungen gar nicht zu reden.
Aufgrund der engen Spielräume in den Haushalten von Land und Kommunen hängt vor allem die Kultur immer an einem seidenen Faden. In Krisenzeiten droht er schnell zu zerreißen. Wie sieht der Pan der Landesregierung für die Zukunft des Kulturbereiches aus?
Die Haushalte der Kommunen und die dort zu erwartenden Steuerausfälle wurden durch den Ministerpräsidenten immerhin kurz angerissen. Es sollen zumindest die durch Corona bedingten Mindereinnahmen von Bund und Land ausgeglichen werden. Damit wird aber keineswegs die Krise der kommunalen Haushalte gelöst.
Dauer. Das sind alles nur kleine Pflaster auf den kommunalen Wunden, und sie verhindern auch nur, dass die Probleme im Moment noch größer werden.
Doch die bevorstehenden Auseinandersetzungen über die Konsolidierung der kommunalen Haushalte sind schon heute mit den Händen zu greifen; denn es gibt eben weiterhin keine Korrekturen an der zu niedrigen Grundfinanzierung der Kommunen.
Durch falsche Weichenstellungen und unfaire Verteilungsmechanismen wurden und werden viele Kommunen seit Jahren in die Verschuldung und in zermürbende Konsolidierungsprogramme hineinregiert.