Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Durch falsche Weichenstellungen und unfaire Verteilungsmechanismen wurden und werden viele Kommunen seit Jahren in die Verschuldung und in zermürbende Konsolidierungsprogramme hineinregiert.

(Beifall)

Ein radikaler Schuldenschnitt durch den Bund, wie er vorgeschlagen wurde, und die Ankündigung grundlegender Änderungen im FAG des Landes - das wären in dieser Ausnahmesituation die richtigen Maßnahmen gewesen. Dann hätten viele Kommunen nach Corona eine faire Chance für einen Neustart.

(Lebhafter Beifall)

Aber nicht überraschend gibt es auch dafür keinen Plan dieser Landesregierung. Stattdessen macht bei der CDU immer ein Satz die Runde, der auch heute schon eine Rolle gespielt hat, wenn es um die Finanzen geht; er durfte natürlich auch heute nicht fehlen: Die Drohung mit dem Konsolidierungsbedarf ab dem Jahr 2022, auf den man sich bereits jetzt vorbereiten müsse.

Aber selbst auf intensive Nachfrage hin vermeidet es auch der Ministerpräsident - er meidet es wie der Teufel das Weihwasser - wie schon sein Finanzminister oder andere heute Vormittag schon erwähnte CDU-Redner, etwas genauer darauf einzugehen, was denn damit gemeint ist.

Was soll denn dann wieder abgebaut werden? Welche sozialen Wohltaten werden Sie auf den Prüfstand stellen? Wer muss dann wieder den Gürtel enger schnallen? - Auch wenn Sie es hier nicht sagen, werden wir nicht aufhören, Sie danach zu fragen. Sie werden es den Menschen im Land sagen müssen, welche Einschnitte und Belastungen als Preis für die Coronahilfen auf sie zukommen werden, wenn Sie weiter die Regierung stellen sollten.

(Beifall)

Als vor reichlich zehn Wochen das 500-Millionen-€-Hilfspaket hier auf den Weg gebracht wurde, habe ich bereits eine Diskussion darüber angemahnt, wer am Ende die Zeche bezahlen muss.

Weil es damals angeblich dafür noch zu früh war, hatte Kollegin Pähle dafür geworben, diese Diskussion nach der Krise im Hohen Haus zu führen. Sie hat es, wie wir ja gehört haben, in ihrer - ich will es mal so sagen - zweiten Regierungserklärung am heutigen Tag hier auch getan, und zwar in einer Art und Weise, wie wir es unterstützen.

Die Nachfragen haben allerdings gezeigt, dass wir nicht nur Reden im Parlament brauchen, sondern dass wir Taten brauchen. Uns läuft die Zeit davon,

wobei die Schulden ein Stückchen warten können.

(Zustimmung)

Die CDU hat diese Frage für sich offenbar längst beantwortet. Für sie gilt business as usual, also wie bisher Schulden machen, wenn das Geld gebraucht wird, anschließend die Haushalte auf der Ausgabenseite abwürgen, den öffentlichen Dienst ausquetschen, die Infrastruktur weiter verkommen lassen und den Sozialstaat schleifen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesen Weg nicht mitgehen.

(Beifall)

Dabei muss klar sein, dass für DIE LINKE Schulden nicht per se ein Problem sind - auch diese Debatte hat in diesem Haus schon eine Rolle gespielt -, zumal dann nicht, wenn jetzt zweifellos schnell Geld mobilisiert werden muss.

Aber es ergibt keinen Sinn, das jetzt benötigte Geld den nächsten Haushalten zu entziehen und damit die Probleme in die Zukunft zu transferieren. Und wenn es noch eines Nachweises bedurft hätte, dann wird doch mit der Bewältigung der Coronafolgen mehr als deutlich, dass die Decke einfach überall zu kurz ist und dass sie vergrößert werden muss.

(Zustimmung)

Im Moment sind ja alle in Regierung und Koalition noch damit beschäftigt, sich beim Geldverteilen aus den verschiedenen Hilfsprogrammen kräftig auf die Schultern zu klopfen. Aber, Kolleginnen und Kollegen, es kommen die Tage der Wahrheit, spätestens mit den nächsten Steuerschätzungen. Wer in den nächsten Jahren hier regieren und noch ein Mindestmaß an Gestaltungsmöglichkeiten haben will, kommt um eine Steuerdebatte nicht herum, nach meiner Überzeugung auch die CDU nicht.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ach, Leute!)

Die Krisen, über die wir hier zu reden haben und für die wir einen Weg brauchen, sind Krisen politischer Entscheidungen vor der Pandemie, es sind Krisen, die die sozialen Schieflagen verstärken und Bildungsungerechtigkeit verfestigen, die den Staat finanziell weiter aushungern und die Grundfesten unserer Demokratie ins Wanken gebracht haben. Deshalb wachsen die Proteste und die Erwartungen der Menschen an andere Entscheidungen und an eine andere Politik.

(Beifall)

Im Moment spricht nicht viel dafür, dass aus diesen Krisen wirklich etwas gelernt wird. Vielmehr besteht derzeit die Gefahr, dass durch die Kriseneffekte neoliberale Politikmuster noch ein

mal einen Aufwind erfahren und alte Strukturen zementiert werden. Die wirklichen Krisen infolge der Coronapandemie hat unser Ministerpräsident nicht im Blick.

Und was von ihm auch wissentlich überspielt wird, ist die Krise in der Koalition und in der Landesregierung. Insofern will ich an dieser Stelle meiner Vorrednerin, der Fraktionsvorsitzenden Pähle, durchaus noch mal für ihre Regierungserklärung danken, zu der auch mein Vortrag insgesamt, denke ich, besser gepasst hat als zu der des Ministerpräsidenten.

Auch in der letzten Sitzung wurde uns ja live vorgeführt, wie es um die Abstimmung und die Einigkeit im Kabinett Haseloff bestellt ist. Denn nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch die Sozialministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin und auf der anderen Seite der Wirtschaftsminister hatten nacheinander die Aktuellen Debatten gekapert, um jeweils eigene Regierungserklärungen mit sich widersprechenden

Aussagen abzugeben. Der Bedarf, sich hier zu äußern, war erkennbar groß.

Wo gab es also bisher wirklich einen Plan, der bisher funktioniert hat? Bei der Öffnung der Gaststätten etwa, vor oder nach dem Himmelfahrtstag? Oder beim Übergang zum Regelbetrieb in Kitas und Schulen? Oder für die Finanzierung der Lasten, für die zum Beispiel den Hochschulen nun doch ein Solidarbeitrag abgepresst wird?

Nein, unser Ministerpräsident und seine Regierung haben keinen Plan für die Zukunft dieses Landes. Sie leben von der Hand in den Mund und schwanken wie ein Rohr im Wind. Sie sind von den Ereignissen und den Entscheidungen anderer getrieben und lassen den Kabinettsmitgliedern meist freie Hand.

Außer Schulden für die kommenden Generationen aufzuhäufen, fällt Ihnen bisher nicht viel ein. Corona ist keine Ausrede für das dringend nötige Umsteuern in der Gesundheits-, Bildungs- und Finanzpolitik. Nur hieraus kann ein Plan für die Zukunft des Landes geschmiedet werden.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Monaten des Lockdowns sind unzählige Menschen mit existenziellen Nöten konfrontiert. Viele sind nach wie vor besorgt um Großeltern, die nicht besucht werden dürfen, Familien, Mütter und Väter sind zornig und verzweifelt über die Zustände in Kitas und Schulen. Es kommt jetzt darauf an, die Einschränkungen weiter zurückzufahren und dafür ein Frühwarnsystem durch systematische und flächendeckende Tests zu installieren.

(Zuruf: Stimmt!)

Wenn so auf neue Infektionsherde unmittelbar und regional begrenzt reagiert werden kann, können die Menschen ihr normales Leben wieder zurückerhalten. Das erwarten die Menschen im Land von uns. - Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Lippmann, es gibt eine Frage von Herrn Rausch. Möchten Sie die beantworten? - Ja. Herr Rausch, dann haben Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Kollege Lippmann, ich möchte feststellen, dass Sie von Wirtschaft keine Ahnung haben, vielleicht höchstens von Planwirtschaft. Sie haben jetzt gesagt, es habe einen Lockdown gegeben und nach einiger Zeit laufe nun alles wieder an. Wie erklären Sie sich die vielen Gewerbeabmeldungen, die stattgefunden haben, und die drohenden Insolvenzen, die bevorstehen?

Eine Frage, die mich wirklich brennend interessiert, weil Sie das mit dem DAX so gesagt haben, lautet: Welche Firma in Sachsen-Anhalt ist denn im DAX notiert? - Das würde ich gern von Ihnen wissen. Mir ist keine bekannt.

(Zuruf: Richtig!)

Meiner Meinung nach ist der größte Arbeitgeber hier FAM. Aber vielleicht sind Sie ja schlauer als ich; das würde ich gern wissen.

(Zurufe)

Welche Änderungen im Steuersystem wollen Sie denn vornehmen? - Wir hören immer, dass Sie die Steuern ändern, eine Vermögensteuer einführen. Dazu haben wir schon ein paar Mal eine Debatte gehabt. Aber ein Konzept oder das, was Sie konkret wollen, ist hier noch nie präsentiert worden. Da würde mich schon mal interessieren, wo man das finden kann. - Das wären erstmal die Fragen.

Sie können antworten.

Okay, ich mache das von hinten nach vorn. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir diese Steuerdebatte immer wieder führen, weil sie immer wieder geführt werden muss. Sie sind auch Weltmeister im Googeln. Sie würden unsere Steuerkonzepte, die seit 2011 bestehen, nicht erst seit ein paar Jahren, und die immer wieder überarbeitet werden, finden.

Konkret auf die jetzige Situation bezogen habe ich in der Rede vor zehn Wochen schon darauf hingewiesen, dass gerade für so eine Situation das Grundgesetz eine Vorgabe für eine einmalige Vermögensabgabe vorsieht, um das zu bewältigen.

Ich habe gesagt: Ich halte es für völlig legitim, von dem Zuwachs von Privatkapital in den letzten fünf Jahren in Höhe von 1 Billion € mindestens die Hälfte einzusammeln. Wir haben von einem Vermögen von über 3 Millionen € gesprochen. Ich weiß nicht, ob jemand im Raum davon betroffen ist, möglicherweise nicht viele. Wir können konkret sagen, woher das kommt. Natürlich geht es nicht darum, ob es Unternehmen in SachsenAnhalt sind.

Um die zweite Frage anzusprechen: Ich habe auf die Entwicklung des DAX verwiesen. Ich habe darauf verwiesen, dass wir eine Gesellschaft sind, in der nach wie vor unglaublich viel Geld unterwegs ist. Ich habe auch darauf verwiesen, dass es für uns im Moment nicht das Problem ist, Schulden aufzunehmen.

Für uns ist es ein Problem, dass in der jetzigen Zeit darüber gesprochen werden muss, wer diese Schulden und vor allem bis wann zurückzahlt. Das kann eben nicht in kurzer Zeit erfolgen. Was wir hier dazu auf dem Tisch hatten, waren drei Jahre. Welcher Unsinn! Das kann auch nicht im normalen Haushaltsverfahren in der jetzigen Steuergesetzgebung passieren. Es kann nicht den öffentlichen Haushalten abgepresst werden. Das ist sozusagen unsere Position.

Es gibt einen ganzen Strauß von Möglichkeiten. Meine Kolleginnen und Kollegen würden es nicht akzeptieren, wenn wir jetzt eine ausufernde Steuerdebatte führen. Wenn wir das wollen und das auf die Tagesordnung setzen, dann können alle ihre Pläne auf den Tisch legen.

Aber es ist klar, dass die Themen Finanztransaktionssteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer usw. die Kernbereiche sind und nicht, was immer gedacht wird, dass es zuerst an die Steuern auf Arbeit oder an die Einkommensteuer als Erstes herangeht. Das Paket ist größer.