Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Zu Ihrer ersten Frage zu Sachsen-Anhalt habe ich schon etwas gesagt. Es geht nicht um Hunderte von Unternehmen in Sachsen-Anhalt.

(Zuruf)

- Ach so, nach der Gewerbeabmeldung hatten Sie gefragt. Wenn Wirtschaft aus Produktionskreisläufen und Geldkreisläufen besteht und wir hatten keinen Krieg oder kein Hochwasser, wodurch Werte vernichtet wurden, sondern wir haben diese Maschinerie angehalten, dann gibt es natürlich Verschleißerscheinungen. Das kann man aber

alles mit Geld regeln. Das wissen wir alle. Die Forderungen haben wir auf dem Tisch.

Die Frage ist natürlich nur: Wie viel Geld nehme ich in die Hand und wem gebe ich es zu welchem Zeitpunkt, um genau diese Phasen zu überbrücken? - Dann dürfen wir nicht verkennen, dass wir natürlich ganz normale wirtschaftliche Prozesse im Hintergrund haben, bei denen Neugründungen und Insolvenzen eine Rolle spielen. Es ist wie bei der Frage, wer mit Corona oder wer an Corona gestorben ist.

Das heißt, im Zweifel ist es im Einzelfall nicht auseinanderzuhalten, ob Corona wirklich der Grund oder nur der letzte Stein des Anstoßes war. Manche nehmen es auch als Gelegenheit, sich von Geschäftsfeldern zu verabschieden. Das kriegen wir auch mit. Das ist ein weites Feld.

Ich bleibe dabei: Diese Fragen in der jetzigen Situation, wo nichts kaputt gegangen ist, können alle mit Geld geklärt werden, wenn man es nur will und wenn man weiß, wer es hinterher bezahlt.

(Beifall)

Noch eine kurze Nachfrage, Herr Raue.

Mein Name ist Rausch, aber danke.

Herr Rausch, Entschuldigung. Das war knapp daneben.

Ich sehe Ihnen das nach.

Schön.

Vielen Dank, Herr Lippmann, für Ihre Ausführungen. Sie haben etwas Interessantes gesagt, das mich doch noch mal veranlasst hat, aufzustehen. Sie sagten, ab einem Vermögen von 3 Millionen € seien Sie der Meinung, eine Vermögensabgabe machen zu müssen. Sie soll, wenn ich es richtig verstanden habe, 50 % betragen. Das ist erstmal die Frage.

(Zurufe)

- Deswegen soll er es noch mal erläutern, damit wir es richtig hören. - Ich frage Sie: Was ist für Sie Vermögen? Wenn ich mir einen Landwirt ansehe, der eine Personengesellschaft ist, der sein Vermögen in Grund und Boden hat und das als

Betriebsmittel nutzt, dann soll er auf das Vermögen von 3 Millionen € einen Steuersatz X bezahlen, auf den Sie sich noch nicht festgelegt haben? Also, wie stellen Sie sich das vor?

(Zurufe)

Ich antworte ganz kurz, um dem Parlament nicht die Zeit zu stehlen.

Erstens. Bei der Hälfte ging es um den Zuwachs von 1 Billion €. Ich wollte deutlich machen, dass man von dem Geld, das in die Hand genommen wird, mindestens 500 Milliarden € aus dem frei verfügbaren Finanzkapital - nur darüber rede ich - finanzieren könnte. Das Anlagekapital beläuft sich noch mal auf 10 Billionen € oder so ähnlich. Ich beziehe mich auf das am Finanzmarkt frei verfügbare Kapital.

Aus unserer Sicht ist ein Vermögen von

3 Millionen € eine Schwelle. Dann wird es einen Prozentsatz geben, dann wird es eine Definition geben. Übrigens würden wir das alles gar nicht erfinden.

(Zurufe)

- Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, diese detaillierte Diskussion zu führen. Jedenfalls würde dort zu Recht Geld abgeschöpft werden, das sowieso wieder dort landet, weil es alles wieder in die Wirtschaft fließt. Das Geld, das wir jetzt brauchen, geht überwiegend in wirtschaftliche Kreisläufe. Das landet sowieso alles wieder da. Die Frage ist nur, wo es vorübergehend geholt wird.

Schauen Sie sich den New Deal von Roosevelt im Amerika der 30er-Jahre an. Dort wird deutlich, wie solche Dinge an ganz anderer Stelle im Hochland des Kapitalismus funktioniert haben. Es ist nicht mal eine Erfindung von uns. Wie gesagt, an der Stelle gehen wir auf eine Grundgesetzregelung ein.

Da geht es gar nicht um die normale Steuerpolitik, die wir ansonsten auf dem Schirm haben, sondern hier geht es wirklich um diesen Einmalsachverhalt, der geregelt ist. Und man muss alle Verantwortlichen fragen, warum sie es nicht tun.

(Beifall)

Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, nämlich Frau Lüddemann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, werden wir den Tisch sauber machen. Ich möchte daran erinnern, dass auf den Besuchertribünen ausschließlich Abgeordnete sitzen dürfen. Es ist hier noch genug Platz in der zweiten Reihe, Herr Regierungs

sprecher. - Frau Lüddemann, Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Coronakrise hat wie unter einem Brennglas die Schwachstellen unserer Gesellschaft offengelegt. Jetzt darf es kein „Weiter so!“ geben.

Wir müssen mit gezielten Investitionen nicht nur die Coronakrise bewältigen und die Konjunktur wieder anschieben, sondern jeden eingesetzten Cent nutzen, um den Kampf gegen die Klimakrise voranzutreiben. Wir müssen aus der doppelten Krise gestärkt hervorgehen und Sachsen-Anhalt dauerhaft krisensicher machen. Es darf kein „Weiter so!“ geben.

(Zustimmung)

Wir müssen unsere Gesellschaft umbauen hin zu ressourcenschonender Wirtschaftsweise, Kreislaufwirtschaft, 100 % erneuerbaren Energien, klimaneutraler Produktion und Fortbewegung. Die Energiewende als Katalysator und Motor einer neuen Wirtschafts- und Lebensweise muss das Leitmotiv unseres Handelns sein.

Politische Verantwortungsträger müssen jetzt deutlich zeigen, dass sie verstanden haben. Wir werden endlich mit der von unseren Kindern nur geborgten Erde sorgsamer umgehen.

Der Welt ist der Spiegel vorgehalten worden. Ein halbes Jahrhundert nach dem Bericht zu den Grenzen des Wachstums und einer weltumspannenden Coronakrise muss endlich klar sein, dass Raubbau an der Natur, dass Zerstörung der Ökosysteme und damit unserer natürlichen Lebensgrundlagen nur ins Verderben führen. Auch hier ist Corona ein Brennglas.

Die Klimakrise und die Coronakrise sind beide gleichen Ursprungs. Weil wir Menschen räuberischen Raubbau an der Natur betreiben und weil wir rücksichtslos Biotope und Lebensgrundlagen zerstören, wird der Lebensraum für viele Tierarten immer enger.

So passiert es immer häufiger, dass Viren und andere Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen überspringen, sogenannte Zoonosen. Das ist tödlich für die Menschheit. Wir erleben es hautnah. Es ist also klar: Wir brauchen nicht trotz Corona, sondern wegen Corona mehr Klimaschutz.

Ich bin froh, dass immer mehr Menschen in diesem Land erkennen und sich wünschen, dass ihre Regierung mit Augenmaß und naturerhaltend wirtschaftet. In diesem Sinne ist es ein großer Erfolg, dass es keine finanzielle Unterstützung

für Dinosauriertechnologien im Automobilbau gibt. Jetzt alle Fördermittel, alle Konjunkturmittel in ökologische Transformation zu investieren, das ist ein Gebot des Überlebens.

(Zustimmung)

Auch unsere heimische Automobilzulieferindustrie wird davon profitieren, wenn sie auf die Motoren der Zukunft umrüstet. Ich will nämlich, dass auch übermorgen noch Autos made in Germany verkaufbar sind. Wir müssen konkurrenzfähig bleiben. Das sind wir unserer heimischen Industrie schuldig. Ich bin da ganz beim MP: Wir müssen auf neue Antriebssysteme umrüsten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da mir nicht so viel Zeit wie den Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung steht, will ich Ihnen knapp neun Ziele nennen, die Sachsen-Anhalt zukunftsfest machen, um sich gegen Pandemien zu wappnen und die Klimakrise zu bewältigen.

Erstens. Konsequenter Klimaschutz ohne Wenn und Aber durch 100 % erneuerbare Energien, Senkung des Energieverbrauchs und eine konsequente Wärmewende; denn ohne Lebensgrundlagen ist alles andere nichts.

Zweitens. Digitalisierung für alle und in allen Bereichen, ob im Gesundheitsbereich - Stichwort: Telemedizin -, in Produktionsketten - Stichwort: vernetzte Produktion -, in der Verwaltung - Stichwort: Homeoffice -, in der Bildung - Stichwort: digitale Lernplattformen -, oder im Verkehr - Stichwort: autonomes Fahren. Digitalisierung schafft Möglichkeiten und Zugänge.

(Zustimmung)

Drittens müssen wir konsequent den Natur- und Artenschutz verbessern, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen sowie die Artenvielfalt zu erhalten.

Die Verkehrswende - Punkt 4 - ist so zu gestalten, dass alle Verkehrsteilnehmenden gleichberechtigt und vor allem ohne CO2-Ausstoß gut von A nach B kommen können; denn heute ist der Verkehrsbereich noch der größte CO2-Treiber.

Regionale Wertschöpfungsketten - das ist Punkt 5 - sind insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, aber auch in allen anderen Bereichen - das Stichwort Medizinbereich ist gefallen - deutlich auszubauen. Wir müssen die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten beenden, um nicht abhängig zu sein, aber vor allem, um den Ressourcenverbrauch zu senken.

Wir müssen sechstens das neu geschaffene Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum erfüllen, unter anderen durch Stärkung der Ortschaften bei demokratischer Teil

habe und Neuausrichtung von ländlicher Infrastruktur.

Punkt 7 nimmt die Kommunen in den Blick. Sie sind zentrale Handlungsorte. Als solche müssen wir sie anerkennen und besser fördern und ihnen wieder mehr finanziellen Spielraum geben. Es ist gut, dass es jetzt auch einen Rettungsschirm gibt, unter dem sich die Kommunen versammeln können. Aber ich glaube, da müssen wir auch im Land noch einmal deutlich gucken, wie wir mehr tun können.