Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

Nun zu den Änderungen des Wahlrechts. Auch für die besonderen Bedingungen unter der Pandemie und anderen Notlagen müssen die Wahlmöglichkeiten geschaffen werden. Wir haben natürlich das Wahlrecht per Briefwahl. Ich frage mich bei dem Vortrag von Herrn Farle schon, ob das Wahlrecht tatsächlich so anfällig für Wahlmanipulation ist, wie Sie das beschrieben eben haben.

(Robert Farle, AfD: Stendal!)

- Wir haben an dieser Stelle Vorkehrungen getroffen und wir haben auch das Briefwahlrecht an der Stelle verändert. Wir haben aus diesen Situationen gelernt. Aber das Briefwahlrecht einzu

schränken und zu sagen, es sei, wie Sie es dargestellt haben, schon fast per se verfassungswidrig - -

(Zuruf)

- Doch, so haben Sie es bezeichnet. Sie haben es als verfassungswidrig dargestellt, dass hier die Verfassung eingeschränkt wird. Die Briefwahl ermöglicht vielen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, überhaupt erst auch an den Wahlen teilzunehmen. Sie denken immer in den Kategorien von - in Anführungsstrichen - Menschen ohne Behinderung. Aber Menschen mit Behinderung, Kranke, Alte oder auch im Ausland Lebende müssen an der Wahl teilnehmen können und dafür ist die Briefwahl ein gutes Instrument. Dieses soll jetzt dahin gehend erweitert werden. Ich habe viel Vertrauen in die Landeswahlleiterin, dass die Entscheidung, ob diese Regelung in Anspruch genommen wird oder nicht, verantwortungsvoll im Rahmen der Regelungen und im Rahmen der Abwägung, die in dem Gesetz deutlich dargestellt ist, getroffen wird.

Daher bitte ich um Zustimmung zu den beiden Beschlussempfehlungen. Wir haben ja auch noch den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, zu dem auch eine Beschlussempfehlung des Ausschusses vorliegt. Wir werden Ihren Antrag natürlich ablehnen.

(Zustimmung)

Frau Abg. Schindler, es gibt zwei Kurzinterventionen, und zwar als Erstes vom Abg. Roi und als Nächstes vom Abg. Farle. - Bitte, Herr Roi.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Richtig, es ist eine Kurzintervention. - Ich stelle Ihnen keine Frage mehr zum Thema Ortschaftsräte. Ich will Ihnen zu Ihrer eben getätigten Aussage, dass der Ortsbürgermeister durchaus einschätzen kann, ob Räumlichkeiten vor Ort vorhanden sind oder nicht, nur ein Beispiel aus meinem Ortschaftsrat in Thalheim nennen. Hier hat der Ortsbürgermeister entschieden, im Rathaus zu tagen. Als die Coronageschichte anfing, ist der Ortschaftsrat nicht zusammengetreten und § 84 KVG lässt es heute schon zu, dass die entsprechenden Kommunen die Hauptsatzungen so regeln, dass es als angehört gilt, wenn der Ortsbürgermeister in der Ortsbürgermeisterberatung gehört wurde; dann gilt der ganze Ort als angehört. Auch das haben Sie schon geschaffen. - Punkt 1.

Punkt 2, konkret zu dem Beispiel. Da hat der Ortsbürgermeister eingeschätzt, dass wir in Thalheim keine Räumlichkeiten haben, während der Oberbürgermeister der Stadt Bitterfeld-Wolfen am

14. Juli eine Einwohnerversammlung im Gemeindezentrum in Thalheim stattfinden ließ. Daran sehen Sie, wie unterschiedlich doch die Einschätzungen sein können. Und genau das ist das Problem. Wenn Sie nämlich Ortschaftsrat sind, haben Sie keinen Einfluss mehr darauf. Es wäre schön, wenn Herr Stahlknecht jetzt zugehört hätte; denn das sind genau die kommunalen Themen, die vor Ort eine Rolle spielen.

(Zustimmung)

Frau Abg. Schindler, Sie können darauf erwidern. Bitte.

Es ist wieder bezeichnend, wie die Tatsachen umgekehrt werden. Einerseits habe ich schon öfter von Ihnen gehört, dass Sie die kommunale Selbstverwaltung immer sehr hochheben und sagen, wir wollen hier gesetzliche Regelung schaffen, aber die Entscheidungen werden vor Ort getroffen. Natürlich besteht auch bei Entscheidungen vor Ort keine Gewähr dafür, dass sie immer richtig sind. Aber dafür ist nicht der Gesetzgeber verantwortlich. Entweder schaffe ich kommunale Selbstverwaltung - dann müssen auch Entscheidungen vor Ort natürlich im Rahmen der Gesetze entsprechend in Abwägung getroffen werden. Wenn Sie diese Entscheidung des Ortsbürgermeisters als falsch empfinden, dann klären Sie das vor Ort. Aber daran ist nicht das Gesetz schuld.

(Zuruf: Wer denn dann?)

Herr Abg. Farle, Sie dürfen jetzt Ihre Kurzintervention machen. - Schalten Sie bitte das Mikro an. - Danke.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Schindler, Sie haben offensichtlich nicht dem zugehört, was ich gesagt habe. Ich habe mitnichten gefordert, dass die Briefwahl abgeschafft wird. Ich habe deutlich und klar gesagt: Die Briefwahl als Möglichkeit für kranke Menschen, für Leute, die im Ausland sein müssen, und aus anderen Gründen muss erhalten bleiben. Ich habe aber gesagt: Die Urnenwahl darf nicht abgeschafft werden. Denn die reine Briefwahl führt zu der Wahlmanipulation.

(Beifall)

Diesen einfachen Sachverhalt haben Sie nicht verstanden. Was kann denn dafür die Ursache

sein, dass Sie noch nicht einmal zuhören, wenn man etwas sagt?

(Zuruf: Das ist eine gute Frage!)

- Ja, das ist es wirklich.

Als Allerletztes - ich muss die Redezeit von zwei Minuten einhalten - will ich nur auf Folgendes eingehen: Frau Schindler, wenn Ihnen nicht klar ist, dass die Wahlleiterin oder wer auch immer Teil der Exekutive ist und dass das Parlament ausgeschaltet wird durch die Entscheidung von Verwaltungsmenschen, also der Exekutive, und somit die Legislative ausgespart wird, dann haben Sie die Grundlagen der Demokratie nicht verstanden.

(Zustimmung)

Frau Abg. Schindler, bitte.

Herr Farle, ich habe Ihnen durchaus genau zugehört. Ihr Redebeitrag bezog sich fünf Minuten lang darauf, dass Sie dargestellt haben und immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die Briefwahl verfassungswidrig ist.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Sie haben zum Schluss mit diesem Satz, den Sie jetzt wiederholt haben, Ihre Aussage relativiert. Aber vorher haben Sie hier die Auffassung vertreten, dass Briefwahlen verfassungswidrig sind.

(Zurufe)

Noch einmal zu Ihrem Hinweis. Wir regeln per Gesetz. Artikel 2 des Gesetzentwurfes legt genau fest, in welchen Fall welche Entscheidung unter welchen Bedingungen zu treffen ist. Das ist in Gesetzen immer so. Die Exekutive führt diese Gesetze also aus. In diesem Fall trifft die Entscheidung im Rahmen des Gesetzes die Landeswahlleiterin; damit beauftragen wir sie. Aber sie ist nicht völlig frei, sondern sie hat auf der Grundlage dieses Gesetzes Entscheidungen zu treffen, wenn höhere Gewalt besteht oder ganz oder teilweise Gefahr für Leib und Gesundheit droht. Das Gesetz ist insoweit sehr klar und regelt, unter welchen Bedingungen die Landeswahlleiterin entscheiden kann.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Die nächste Debattenrednerin wird für die Fraktion DIE LINKE sprechen, und zwar Frau Abg. Buchheim. Sie dürfen jetzt ans Pult und bekommen auch gleich das Wort von mir. - Bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen. Zur Genese des Gesetzes wurde bereits ausreichend vorgetragen. Für uns bleibt festzustellen, dass die Rechtsunsicherheit in den Kommunen allein mit der Erlasslage des Innenministeriums geschaffen wurde. Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass unsere Kommunalverfassung ausreichende Optionen bereithält, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen.

Zwischenzeitlich hat die Kommunalpolitik auch gut funktioniert. Durch die Wahl größerer Versammlungsräume und die Einhaltung der Schutz- und Hygienemaßnahmen waren Präsenzsitzungen

durchführbar. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich im Namen der Fraktion bei den Verwaltungsmitarbeitern für die vielen organisatorischen Umsetzungen und bei den Kommunalpolitikern für ihre in der Krise geleistete Arbeit zu bedanken.

(Beifall)

In den letzten Monaten ist es trotz der vorliegenden Krisensituation gelungen, die Ratsarbeit sicherzustellen. In außergewöhnlichen Notsituationen sollen nunmehr notwendige Sitzungen der Vertretungen als Videokonferenz zulässig sein. Ohne Zweifel muss die Digitalisierung auch auf der kommunalen Ebene Einzug halten. Der Gesetzgeber verlagert jedoch technische und datenschutzrechtliche Fragen auf die Kommunen.

Die im Landtag bereits durchgeführten Ausschusssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz haben die vorhandenen Schwachstellen aufgezeigt. Bis heute ist eine technische Umsetzung hier im Hohen Haus nicht garantiert. Auf der kommunalen Ebene arbeiten viele Räte - man muss sagen - noch nicht digital. Es fehlen vielerorts die entsprechenden Strukturen. Daran werden die eröffneten Möglichkeiten scheitern. Es wird wohl eher darauf hinauslaufen, Erfahrungen zu sammeln. Ohnehin müssten zunächst Hauptsatzungen und Geschäftsordnungen angepasst werden, sodass die Neuregelungen kaum zeitnah greifen können.

Sinnvoll wäre es gewesen, einzelne Ratsmitglieder, denen eine Teilnahme an der Sitzung aus Gründen des Infektions- oder Gesundheitsschutzes nicht möglich ist, per Videokonferenz zuzuschalten. Dies ermöglicht der Gesetzentwurf leider nicht. Ausdrücklich wurde sogar darauf hingewiesen, dass das nicht gewünscht ist. Die Sitzung soll komplett als Präsenzsitzung oder als Videokonferenz abgehalten werden. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. In der aktuellen Situation wird dieser Teil des Gesetzesvorhabens wenig helfen. Aus vorgenannten Gründen werden wir uns zum Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Die Sicherstellung anstehender Wahlen ist zweifelsohne ein wichtiges Kriterium. Es gibt drei Handlungsoptionen: Augen zu und durch, Verschiebung des Wahltermins - hier allerdings der Hinweis, dass das für die Landtagswahl nicht möglich ist - und eben die Briefwahl für alle.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit dem Instrument der Briefwahl auseinandersetzen müssen und diese für mit dem Grundgesetz vereinbar befunden. Lediglich eine begründungslose Briefwahl wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Es obliegt dem Gesetzgeber, die Briefwahl vor erkennbaren Missbräuchen zu schützen. Verfassungsrechtlich halten wir den Weg, allein die Landeswahlleiterin zur Entscheidung zu ermächtigen, für erheblich bedenklich. In unseren Augen hat eine solche Entscheidung allein das Parlament zu treffen.

(Beifall)

Wenn der Fall einer höheren Gewalt vorliegt, sehen wir allerdings die Gefahr, dass das Parlament nicht mehr entscheiden kann. Deshalb ist die vorliegende Regelung im Wahlgesetz alternativlos, verfassungsrechtlich jedoch auch in unseren Augen bedenklich. Auch darin liegt unsere Enthaltung zum Gesetzentwurf begründet.

Eine Pandemie stellt sowohl für Wählerinnen und Wähler als auch für Wahlhelfer eine Gefahr für Leib oder Leben dar. Rechtliche Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass bei einer tatsächlich bestehenden Unmöglichkeit der Durchführung der Urnenwahl eine reine Briefwahl ausnahmsweise zulässig sein kann. Die Hürden sind hoch. Die Entscheidung darf nicht vorschnell getroffen werden und die Entscheidung muss im Nachgang einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.

Daran muss sich letzten Endes die Entscheidung messen lassen.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir den Antrag in der Drs. 7/6677 ab. Bei der Abstimmung über den Änderungsantrag in der Drs. 7/6726 werden wir uns der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Frau Buchheim. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Abg. Herr Meister sprechen.

Vielleicht noch mal ein ganz kleiner Hinweis: Ich hatte heute Morgen schon darauf hingewiesen, dass wir doch bitte die Sicherheitsabstände einhalten. Und ein weiterer Hinweis: Bitte verwenden Sie Mund-Nasen-Schutzmasken ohne Aufdruck, also neutrale Masken. Ich habe doch schon die

eine oder andere Maske gesehen, die nicht ganz neutral ist.