Drittens ist Ihr heute vorliegender Antrag Unsinn, weil Sie behaupten, dass eines der Hauptziele des Bologna-Prozesses, und zwar die Mobilität der Studierenden, nicht eingetreten sei. Das ist falsch. Seit Anfang der 2000er-Jahre hat sich die Anzahl der deutschen Studenten an ausländischen Universitäten verdreifacht. Das ist eine Steigerung um 300 %. Im gleichen Zeitraum haben sich aber die Studierenden in Deutschland um lediglich ca. 35 % vermehrt.
- Entschuldigung, ihre Zahl ist gestiegen. Sie haben sich vielleicht auch vermehrt, aber ich meine, dass ihre Zahl gestiegen ist.
Das zeigt, dass die Internationalität vorhanden ist und dass es möglich ist, auch in diesem Prozess internationale Erfahrungen zu sammeln.
Offensichtlich ist den Antragstellern nicht bewusst, welchen Sinn diese Bologna-Reform hat. Der europäische Hochschulraum trägt nämlich maßgeblich zu einem friedlichen Miteinander bei, weil hier junge Menschen unterschiedlicher Nationalität und Religion zusammenkommen. Ja, auch das ist eine zentrale Aufgabe der Bologna-Reform, junge Menschen zusammenzubringen und so früh wie möglich für Toleranz und Respekt
Der Bologna-Zug hat Fahrt aufgenommen. Lassen Sie uns nicht immer nur in die Vergangenheit schauen. Packen wir es an! Wenden wir unsere Kraft lieber dafür auf, diesen Prozess zu bestärken und weiter zu verbessern. Das wäre der richtige Weg. Das wäre der bessere Weg.
Ich finde es wirklich klasse, dass Sie sich die Lektüre, die wir in der Begründung zu dem Antrag empfohlen haben, angeschafft haben. Das Buch ist von 2009. Sie halten es für hoffnungslos veraltet. Ich weiß natürlich, dass die CDU sehr kurzfristig agiert; da mag diese Zeitstrecke sehr lang erscheinen. Aber was hat sich in unserer Welt in
den zurückliegenden sieben Jahren so grundlegend verändert, dass diese Publikation von 2009 nicht mehr gültig wäre? - Das ist die erste Frage, die ich an Sie habe.
Ich würde partiell darauf eingehen. Wenn ich sage, das Buch ist aus der Retrospektive von 2009 geschrieben, so kann es natürlich nur mit den Umständen argumentieren und die Umstände zugrunde legen, die 2009 vorherrschten. Wenn ich also im Jahr 2009 keinen großen Effekt in der Mobilität der Studenten feststellen konnte, wir uns aber heute im Jahr 2016 befinden und ich schon feststellen muss, dass sich die Anzahl der deutschen Studierenden an ausländischen Universitäten verdreifacht hat und die Anzahl der internationalen Studenten an deutschen Universitäten noch viel stärker gestiegen ist, dann muss ich sagen: Die Mobilität zwischen diesen Studiengängen ist möglich.
Ich kann Ihnen auch sagen, dass ich persönlich einen Bachelor- und einen Masterabschluss gemacht habe. Für mein Bachelorstudium war ich nicht nur an deutschen Universitäten, sondern auch in den Staaten. Für mein Masterstudium war ich in Dänemark. Also die Mobilität und die Internationalisierung ist mit diesen Studiengängen natürlich möglich und viel besser möglich.
Kurz zu dem Ranking. Sie finden im Netz verschiedene Rankings, mehrere Rankings verschiedener Art. Ich wollte hier nur einmal deutlich machen, dass - das muss man deutlich sagen - Universitäten in den Vereinigten Staaten von Amerika und in England die vorderen Plätze belegen. Deutsche Universitäten erreichen leider auch in den vergangenen 15 bis 20 Jahren im Ranking Plätze ab 40. Leider ist das so. Das ist ein Fakt, den ich einfach hinnehme, um zu zitieren, dass dieses Bachelor- und Mastersystem anscheinend nicht so schlecht sein kann, wenn diese Universitäten Spitzenleistungen erbringen.
Vielen Dank, Herr Philipp. - Die nächste Debattenrednerin ist für die SPD-Fraktion Frau Dr. Pähle. Sie haben das Wort, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Es zeigt sich an diesem Antrag der AfD-Fraktion ganz deutlich: Wir fußen nicht auf der gleichen Erkenntnis. Denn wer sich für das europäische Projekt ausspricht, wer dafür ist, dass junge Leute ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu machen, der kann nicht solche Anträge schreiben.
Ihre Kritik richtet sich gar nicht gegen den Bologna-Prozess an sich, sondern ist vorgeschoben, um gegen eine Europäisierung zu streiten. Dagegen wenden wir uns.
Die Bologna-Reform und die Umsetzung von Bachelor- und Masterstudiengängen haben Vorteile gebracht. Sie können die Zahlen gern negieren, aber es ist nicht abzustreiten, dass mittlerweile mehr Studierende ins Ausland gehen. Und es ist nicht abzustreiten, dass mittlerweile auch mehr Lehrende ins Ausland gehen. Das ist ein Gewinn für die Wissenschaft. Denn das, was Sie als Freiheit der Wissenschaft hochhalten wollen, hat auch etwas mit Austausch zu tun, mit Dialog, mit dem Arbeiten in anderen Zusammenhängen. Ja, wir können verzeichnen, dass es an diesen Stellen mehr Austausch gibt, und das halten wir für begrüßenswert.
Ganz nebenbei, Herr Kollege Tillschneider, ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich an Ihr hohes Freiheitsethos der Wissenschaft auch im Zuge der Aufrechterhaltung von bestimmten Studiengängen, wie beispielsweise zum Gender-Mainstreaming und zu Geschlechterfragen, erinnern würden. Denn auch das ist Wissenschaftsfreiheit.
- Das sehen Sie so. - Die Wissenschaft sagt, es ist notwendig. Was Sie gerade gemacht haben, ist die Freiheit der Wissenschaft hochzuhalten. Dann tun Sie es komplett und wir haben keinen Dissens.
Ja, es gibt Schwierigkeiten bei Bologna. Das ist normal. Denn wer nicht davon ausgeht, eine einzige Wahrheit zu besitzen und diese für alle Zeiten vor sich hertragen zu können, der akzeptiert, dass Veränderungen immer notwendig sind, dass es lernende Systeme sind, auch unsere Hochschulen, der erkennt an, dass es mittlerweile Äußerungen der Rektorenkonferenz gibt, nach denen die Regelstudienzeiten flexibler gestaltet und die Studienprogramme verändert werden sollten, damit die Studierenden mehr Zeit haben, bis sie zum Bachelor oder zum Master kommen, der erkennt an, dass es mittlerweile Bestrebungen gibt, öffentliche Akkreditierungsanstalten zu initiieren, um den Wettbewerbsdruck gerade der freien Anbieter wegzunehmen, und der erkennt an, dass sich viele Hochschulen an diesem Prozess beteiligen und bereit sind, an diesem System weiter zu arbeiten und es international besser zu machen.
Das ist ein großer Gewinn. Das heißt Freiheit. Das heißt wissenschaftlicher Wettbewerb. Und daran sollten wir festhalten. Auch wir werden Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Tillschneider. Möchten Sie sie beantworten?
(Zustimmung bei der AfD - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Das hat der AfD-Vorstand ent- schieden, oder was?)
Sehr geehrter Herr Tillschneider, als in diesem Hohen Haus in den Jahren 2013 und 2014 über Hochschulstruktur gestritten wurde und auch darüber, wie viele Studienprogramme und Studienabschlüsse es in diesem Bundesland gibt, wären vielleicht auch einige Abgeordnete der Meinung gewesen, dass Islamwissenschaften kein Studiengang sind. Sie müssen immer daran