Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

Das Dritte - bitte verstehen Sie auch das nicht falsch - ist: Es kommt nicht allein darauf an, dass wir in Deutschland wissen, was ein Bachelor und ein Master ist. International sind das die Abschlüsse, unter denen man sich etwas vorstellen kann. Das war für uns wichtig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es gibt eine Nachfrage.

Sicherlich ist mir bewusst, dass es ein Problem im Magisterstudium war, dass einige sehr lange studiert haben. Aber dem hätte man einfach abhelfen können, indem man den Baccalaureus sozusagen als Abbrecherexamen einführt. Dabei macht man nach dem sechsten Semester eine Prüfung und erkennt irgendeine Hausarbeit als erweiterte Abschlussarbeit an. Damit gibt man den Leuten die Möglichkeit, ihr Gesicht wahrend die Universität zu verlassen. Dazu waren diese Umstrukturierungen nicht notwendig.

Jetzt noch einmal zur Standardisierung und zur internationalen Vergleichbarkeit. Gut, das war vorher individuell möglich, jetzt ist es standardisiert möglich. Ich hätte gern den Mehrwert der Standardisierung erklärt bekommen.

Vorher war es so: Wenn man ein Magisterzeugnis hatte, das gut war, konnte man irgendwo auf der Welt, wie zum Beispiel in den USA - die sind dort gar nicht so versessen darauf, welchen Grad man genau hat, sondern die schauen, was man kann, und dann kann man weitermachen -, mit seinem Magister hervorragend promovieren. Ich konnte ihn mir anerkennen lassen. Dazu brauchte es diese BA-/MA-Reform nicht.

Herr Minister, bitte.

Herr Tillschneider, ich bin nicht ganz sicher, ob es jetzt viel Zweck hat, wenn wir beide uns über die Ausformung des geisteswissenschaftlichen Studiums vor und nach Bologna unterhalten.

Dass Sie individuell Ihr Studium im In- und Ausland haben organisieren können, ist schön. Es ist aber sehr viel leichter, wenn Studierende durch die Anzahl der Credits, die ihnen für eine bestimmte Veranstaltung zugewiesen werden, wissen, wie diese innerhalb des europäischen Hochschulraumes anerkannt werden. Dann muss man nämlich nicht großartig darauf hoffen, dass die anderen das schon irgendwie verstehen.

Sie können es jetzt am Diploma Supplement ablesen. Das ist Standardisierung und das erhöht auf jeden Fall die Bereitschaft, sich für ein Auslandsstudium zu interessieren, weil man mit einer höheren Anrechnungsbereitschaft rechnen darf.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Siegfried Borgwardt, CDU: Jawohl, so ist es!)

Es gibt eine weitere Frage von Herrn Gehlmann. Sie haben das Wort, bitte.

Herr Minister, Sie sprachen von international anerkannten Studienabschlüssen. Ich selbst bin Diplom-Ingenieur, habe jahrelang im Ausland gearbeitet. Mein Abschluss war im Ausland sehr gut anerkannt. Ich musste mir anhören, dass es den Bachelor im Ausland gibt. Da sagte man zu mir, zum Beispiel in Argentinien: Die haben wir selbst. Man darf das deutsche Diplom, wie es einmal war, nicht schlechtreden.

(Zuruf von der SPD)

Das ist ein Schritt zurück, den wir hierbei sehen.

(Zurufe von der LINKEN und von der SPD)

Nun frage ich Sie: Was ist daran verkehrt, besser zu sein als die anderen?

Herr Minister, bitte.

Herr Abgeordneter, eine Diskussion - das ist völlig berechtigt, man hört sie ja häufig - über die Abschaffung des Diploms haben wir jetzt 15 Jahre lang geführt. Es geht nicht darum zu sagen, dass das Diplom schlecht war, sondern es geht darum, dass wir international anerkannte Abschlüsse mit Bachelor und Master haben und dass man damit international bewertet werden kann, zum Beispiel bei Einstellungen, und dass man sich darunter international etwas vorstellen kann.

Selbstverständlich hat das deutsche Diplom einen hohen Stellenwert. Aber es war eine singuläre Lösung in Europa. Deshalb ist es hilfreich, dass wir uns in Europa auf einheitliche Standards verständigt haben. Das gehört zu unserem internationalen wissenschaftlichen Anspruch.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - André Poggenburg, AfD: Vielfalt!)

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Wir steigen nun, wie vereinbart, in eine Dreiminutendebatte ein. Der erste Debattenredner ist Herr Abg. Meister von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort, Herr Meister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Besser als Minister Willingmann kann ich das, glaube ich, nicht. Deshalb fasse ich mich kurz.

Damit unsere Hochschullandschaft in einer dynamischen Welt auch perspektivisch nicht an Quali

tät, Wettbewerbsfähigkeit und Anziehungskraft verliert, gilt es, wohlüberlegte Weichenstellungen vorzunehmen. Die Isolation Sachsen-Anhalts mit einem hochschulpolitischen Sonderweg ist ein gänzlich falscher Weg.

Ein zentraler, wenn auch kontrovers diskutierter Bestandteil dieser Weichenstellung ist der vor nunmehr 17 Jahren angestoßene Bologna-Prozess mit dem Ziel, einen harmonisierten europäischen Hochschulraum zu schaffen.

Die Entwicklung und die Umsetzung dieses Reformprozesses ist an einigen Stellen durchaus kritikwürdig, jedoch das Ziel der europäischen Integration ist eine wesentliche Antriebskraft. Trotz der Probleme halte ich es für richtig, den Bologna-Prozess fortzuführen; denn bei allen Problemen, die er bereitete und noch bereiten mag, bietet er uns doch einige große Chancen. Minister Willingmann ist auf die vielen positiven Wirkungen eingegangen.

Die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes - das war letztlich das Ziel, auch gerade bezüglich der Konkurrenz mit anderen Regionen - bedeutet abseits der strukturellen Aspekte, dass vielfältige wissenschaftliche, politische und kulturelle Traditionen miteinander in Berührung kommen und innovative Synergien entstehen können. Dies kann sich letztlich auch förderlich auf die Qualität der Lehre auswirken.

Auch sei daran erinnert, dass in einer mehr und mehr globalisierten Welt der Schritt zu vergleichbaren Bildungsabschlüssen und mehr Kooperation zwischen den Hochschulen verschiedener Länder nur folgerichtig ist, insbesondere im Interesse der Studierenden sowie des Wissenschaftsstandortes Europa. Diesen Prozess nun wieder rückabzuwickeln, wie es im Antrag der AfD gefordert wird, ist kein probates Mittel, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜ- NE)

Dieses Vorgehen würde einzig in ein strukturelles Chaos münden und in Sachsen-Anhalt einen zeitgemäßen Entwicklungsprozess der Hochschullandschaft erschweren.

Das Problem des Bologna-Prozesses ist somit nicht, dass dieser an sich falsch oder dass sein grundsätzliches Ziel falsch wäre. Dass eine so groß angelegte Reform Hürden zu überwinden und Probleme zu bewältigen hat, kann einen nicht wirklich überraschen. Unsere Devise muss es sein, das Potenzial des Bologna-Prozesses zu realisieren. Dazu müssen wir uns seinen Herausforderungen aktiv und konstruktiv stellen, und nicht einen Schritt zurück vollziehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Meister. - Der nächste Debattenredner ist Herr Abg. Lange von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, Herr Lange.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nein, DIE LINKE war nicht der Treiber der BolognaReform. Wir haben das kritisch begleitet und ich persönlich habe das im Senat und auf der Straße als Studierendenvertreter kritisch begleitet.

Ja, es gibt Kritik. In der Debatte dazu im Jahr 2015 ist sie von meiner Fraktion bereits geäußert worden. Von der Verschulung bis zum Bulimielernen muss man die Schwierigkeiten in einigen Studiengängen ernst nehmen. Auch dass an einigen Hochschulen die Anrechnung von ECTS schlecht umgesetzt wird, ist beklagenswert.

Aber die Bologna-Reform hat sehr unterschiedlich gewirkt. So war beispielsweise für die Hochschulen der angewandten Wissenschaften die Umstellung meistens unproblematisch. Auf die differenzierte Betrachtung der Probleme ist Frau Pähle gestern schon eingegangen.

Meine Damen und Herren! Es nützt doch nichts, allein im Land Sachsen-Anhalt zu alten Studienabschlüssen zurückzukehren. Sie mögen uns zwar Altparteien nennen, aber Ihre Vorstellungen von einem Bildungssystem sind altertümlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Bei der Schule die Knute anzulegen, Schüler internieren zu wollen und jetzt für die Bildungsfreiheit zu sprechen, das ist höchst unglaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es hängt doch nur zu einem geringen Grad von der äußeren Studienstruktur ab, ob ein Studiengang gut oder schlecht studierbar ist, ob er Freiheiten lässt oder ob ein enges Korsett angelegt wird. Im Übrigen werden diese Kriterien erstmals überhaupt bei der Akkreditierung betrachtet, ob ein Studium studierbar ist.

Meine Damen und Herren! Für DIE LINKE ist es viel wichtiger, das jetzige System zu verbessern. Hierzu sollte eine Flexibilisierung bei den Regelstudienzeiten ermöglicht werden. Warum sollte ein siebensemestriger Bachelor nicht mit einem viersemestrigen Masterstudium kombinierbar sein? - Wenn das möglich wäre, wäre es beispielsweise auch einfacher, das Studium wieder zu entzerren, Zeiten für das Auslandsstudium zuzulassen oder ein Studium generale zu implementieren. Hierzu wird es unsererseits Vorschläge geben, wenn das Hochschulgesetz novelliert wird.

Meine Damen und Herren! Deswegen sage ich: Lassen Sie uns mit vernünftigen Vorschlägen an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Studium arbeiten! Mauern wir uns in Sachsen-Anhalt nicht in alten Studiengängen ein! - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Vielen Dank, Herr Lange. - Als nächster Debattenredner spricht Herr Philipp von der Fraktion der CDU. Sie haben das Wort, Herr Philipp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zum Punkt kommen; denn ich habe nur drei Minuten Zeit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Ihr heutiger Antrag zum Thema Bologna ist Unsinn. Erstens ist er Unsinn, weil er sich auf eine Quelle beruft, nämlich dieses Buch aus dem Jahr 2009, und die Welt sich seitdem einige Male weitergedreht hat. Der Bologna-Prozess entfaltet natürlich erst jetzt so richtig seine Wirkung; seine Vorteile zeichnen sich erst jetzt ab.

Zweitens ist er Unsinn, weil Sie sich der Sprache dieses Buches bedienen und hierbei von verdummenden Lernprozessen sprechen und sogar von einem geistigen Vernichtungswerk BolognaProzess reden; diese Behauptungen sind einfach falsch.

Jetzt mache ich es mir auch mal einfach und nehme als Beispiel ein internationales Hochschulranking, bei dem die besten Universitäten der Welt gerankt sind. Dabei fällt auf, dass vor allem ausländische Universitäten, deren Studierende schon per se auf Bachelor- und Masterabschlüsse studieren, in den letzten 15 Jahren immer vordere Positionen eingenommen haben.