Protokoll der Sitzung vom 25.11.2016

Ausfluss unseres Ziels, Vorschläge zum Bürokratieabbau zu prüfen und dann auch umzusetzen, ist auch die Evaluierung von Antragsformalitäten für unsere Förderprogramme. Hier wissen wir von den Klagen aus der Wirtschaft, von den Klagen der Antragsteller. Hier muss etwas geschehen. Dafür ist eine Legislaturperiode Zeit.

Der Aufwand bei der Antragstellung soll auf das absolut notwendige Maß zurückgefahren werden.

Es muss sichergestellt werden, dass die Steuergelder an dieser Stelle zweckmäßig und sinnvoll eingesetzt werden. Mit anderen Worten und sehr verkürzt heißt das: Wir werden diese Vorschläge sorgfältig prüfen und Maßnahmen dazu ebenfalls vorschlagen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Herr Minister, ich sehe keine Wortmeldungen. Damit können wir in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion hat Herr Lieschke das Wort. Bitte sehr.

Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte CDU! Werte SPD! Wertes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN! Vielen Dank, Ihr Antrag ehrt uns. Sie haben aus unserem Parteiprogramm klar abgeschrieben. Wir freuen uns darüber. AfD wirkt!

(Zustimmung bei der AfD)

Ich zitiere aus unserem Parteiprogramm:

„10.5 Bürokratie abbauen

Die AfD will ein investitions- und innovationsförderndes wirtschaftliches Umfeld. Wir wollen auf breiter Front deregulieren und Bürokratie abbauen. Mit Sorge beobachten wir zu viele und ineffiziente Regulierungen. Wir wollen unternehmerischen Geist neu entfachen und Unternehmensgründern dadurch helfen, dass wir bürokratische Hindernisse beseitigen. Bürokratieabbau darf sich dabei nicht nur auf eine bessere Ausgestaltung der Regeln beschränken, sondern beinhaltet auch eine Überprüfung der Notwendigkeit bestehender Regeln.“

Wir forderten den Bürokratieabbau bereits im Wahlkampf und gehen davon aus, dass Ihr Antrag eine Mehrheit erhält. Wir wissen es und Sie haben es auch gemerkt, dass zu viel Bürokratie schädlich ist. Ich habe hier ein Beispiel aus meiner Erfahrung.

Speditionen sind dazu verpflichtet, eine Statistik zu führen, in der jede einzelne Fahrt jedes einzelnen Lkw mit Beginn und Ende sowie mit der Zahl der gefahrenen Kilometer aufzulisten ist. Dabei führen sie eh in jedem Lkw mittels Fahrerkarte elektronische Aufzeichnungen und speichern diese Aufzeichnungen zur Vorlage bei den Behörden ab. Hiermit wird einfach über die Arbeitszeit der Unternehmen verfügt - eine Arbeitszeit, die der Unternehmer bezahlt und nicht die Behörde.

Unsere Wirtschaftsunternehmen sollen viel mehr Zeit für ihre unternehmerischen Zwecke gewinnen. Genau von diesem Statistikwahn müssen wir

uns trennen. Ich fordere die vernünftige Nutzung solcher Instrumente.

Es gibt sicherlich Bereiche, in denen statistische Auswertungen und aktuelle Zahlen benötigt werden. Aber diese Bereiche liegen meines Erachtens eher in den kommunalen Ebenen und werden nicht genutzt. Es muss um eine sinnvolle und maßvolle Erhebung von Daten gehen.

Sinnvoll wäre hier zum Beispiel die zentrale Abfrage von kommunalen Daten in Bezug auf Kinderzahlen, Kosten für Kitas aller Träger und auch die Kostenerfassung für Asyl, und zwar ohne die Notwendigkeit, dass in jeder Kommune ein Sachbearbeiter diese Zahlen handschriftlich erfasst. Genau dies muss übrigens das Ziel unserer digitalen Agenda sein.

Ich möchte hier auch das Leader-Programm ansprechen. Fördermittel können beantragt werden. Aber ganze 23 Aktionsgruppen der Landkreise beantragen jeweils für sich bei verschieden Stellen ihre Fördermittel. Bürokratischer und umständlicher geht es kaum noch. Wir fordern hier eine zentrale Bearbeitungsstelle aller Fördermittelbescheide. Genau dies fordern übrigens auch die Landkreise. Also, warum setzen wir das nicht um? Ich hoffe hierbei auf schnelle Besserung.

Ein mir besonders wichtiger Aspekt sind auch die kommunalen Verwaltungsakte. Hier muss es unkomplizierte und schnelle Entscheidungen geben. Die Bürger dürfen nicht als Bittsteller dastehen. Die Verwaltungen müssen vielmehr im Dienst der Bürger stehen.

Auch der Punkt 10 Ihres Antrags ist absolut erwähnenswert - ich zitiere -:

„Erstellung einer umfassenden Digitalisierungsstrategie mit dem Ziel, die wichtigsten Verwaltungsabläufe bis zum Jahr 2020 zu digitalisieren.“

Wir müssen in Sachsen-Anhalt als Vorreiter gelten und alle Verwaltungsabläufe digitalisieren. Nur dann haben wir kein Flickenwerk zwischen den Verwaltungen. Zur Digitalisierung gehört für mich auch ein zentrales, leistungsstarkes Netzwerk zwischen allen Ebenen aller Kommunen dazu, insbesondere mit der Nutzung gleicher SoftwareSysteme. Der Aufbau dieses Netzwerkes ist für mich eine Landesangelegenheit, übrigens auch in der vollumfänglichen Übernahme aller Hardware- und Softwarekosten.

Auch hier im Landtag kann man sehr gut ansetzen. Ich ersticke hier in Papier. Nun gut, ich nutze vor allem die digitalen Versionen und komme damit sehr gut klar. Wenn wir das alle so handhaben würden, wäre das der erste Schritt. Eine Verbesserung und eine Modernisierung des Landtagssystems könnte uns alle entlasten, natürlich nur wenn die genutzten Systeme allen Anforderungen gerecht werden. Aber so weit sind wir noch nicht.

Ich begrüße deshalb das Einsetzen einer IT-Kommission, in der alle Fraktionen gemeinsam ihre Verbesserungswünsche einbringen können.

Natürlich wird der Bürokratieabbau nur gelingen, wenn wir alle dazu bereit sind. Denn hier fängt eine Modernisierung, ein Blick nach vorn, das Abweichen von alten Handlungsweisen und ein mutiger Schritt in die Zukunft an. Genau hier ist Veränderung dringend nötig. Wir, die AfD-Fraktion, stehen für Veränderungen. Deshalb sind wir hier! - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Damit hat jetzt der Abg. Herr Hövelmann von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte einmal etwas anders anfangen. Im Land Berlin gibt es ein Konto, das heißt Sondervermögen „Infrastruktur der wachsenden Stadt“. Auf diesem Konto lagen im vergangenen Jahr Mittel in Höhe von 700 Millionen €. Davon konnten 50 Millionen € ausgegeben werden, weniger als 10 %.

In Nordrhein-Westfahlen bleiben Mittel für den Breitbandausbau ungenutzt liegen. SchleswigHolstein lässt Gelder für den Straßenbau verfallen. Und in Sachsen wurde im vergangenen Jahr trotz neuer Fördermittel keine einzige Sozialwohnung gebaut. Im Sommer 2015 hat der Bund 3,5 Milliarden € für Investitionsprojekte in finanzschwachen Kommunen bereitgestellt. Davon wurden bisher 1,1 % ausgezahlt.

Hintergrund ist nicht, dass die Mittel nicht sachgerecht verwendet werden können oder dass der politische Wille fehlt, nein, es fehlt die Bürokratie. Wir haben nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden, um diese Maßnahmen planerisch und dann auch in der Realisierung umsetzen zu können. Insofern ist Bürokratie auch manchmal Mangel, nicht nur Mangelverwaltung, sondern auch Mangel an Bürokratie selbst.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum ein Begriff wird im politischen Raum derart inflationär benutzt und derart strapaziert wie der Begriff des Bürokratieabbaus. Man könnte denken, alle gesetzlichen Vorgaben haben zum Ziel, Maßnahmen zu verzögern, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen hinzuhalten und Pragmatismus aus dem Verwaltungsalltag zu verbannen. Dieser Anschein wird natürlich von den großen plakativen Bürokratie-Highlights, wie wir sie immer wieder hören, getrieben.

Aber grundsätzlich müssen wir auch konstatieren, dass in vielen Bereichen tatsächlich Regelungen

über das notwendige Maß hinaus anzutreffen sind. Ein grenzwertiges Ausmaß ist an manchen Stellen erreicht.

Aber - das ist hoffentlich nicht nur meine Meinung - Politik muss auch einen Gestaltungsanspruch haben. Das heißt, dieser Anspruch darf sich nicht durch den Ruf nach Bürokratieabbau abschwächen. Es ist aus meiner Sicht kein unauflösbares Dilemma, politische Gestaltung mit dem Anspruch, bürokratische Hürden bei gleichzeitiger Schaffung von Transparenz abzubauen, zu gewährleisten.

Ich will Ihnen von einem Beispiel berichten. Es wird Ihnen in Ihren Wahlkreisen wahrscheinlich auch hin und wieder so gehen, dass Bürgerinnen und Bürger sich an Sie wenden, weil sie ein Problem haben, das sie nicht lösen können, weil sie einen Vorgang haben, der zu kompliziert ist, weil sie die Formulare nicht verstehen.

Ich war letztens in einer Behörde in meinem Wahlkreis. Dort bekam ich die schnippische Antwort der zuständigen Leiterin: Wir machen ja schließlich nicht die Gesetze. Meine schnippische Antwort war dann: Ich kenne kein Parlament in Deutschland, das Formulare macht.

(Zustimmung bei der SPD und von Angela Gorr, CDU)

Die Frage ist, wie wir das gemeinsam zwischen Politik und Verwaltung so vernünftig umsetzen, dass es tatsächlich auch praktikabel ist und funktioniert. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen diesen Antrag vorgelegt,

(Ulrich Thomas, CDU: Genau!)

um genau an dieser Stelle zu arbeiten mit dem Ziel, Bürger und Wirtschaft da, wo es sinnvoll ist, und da, wo es möglich ist, von Bürokratie zu entlasten. Es geht nicht darum, pauschal Bürokratie infrage zu stellen.

Die einzelnen Punkte sind genannt worden. Ich will sie nicht wiederholen. Ich will nur sagen, das, was wir am Ende der Evaluierung und des Überprüfens der Regelungsmöglichkeiten und des Abbaus von bürokratischen Vorschriften haben werden, muss immer noch verhältnismäßig sein. Das heißt, es muss auch funktionieren.

Minister Willingmann hat deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit auch im bürokratischen Verfahren zu haben. Das ist ein Wert, um den uns manche auf der Welt beneiden, obgleich wir manchmal etwas selbstkritisch mit unserer Bürokratie und unserem Beamtenapparat umgehen.

Auch zum Bereich der Digitalisierung ist schon angesprochen worden, dass wir hier noch genügend Arbeit vor uns haben. Am Anfang aller Anstrengungen zur Digitalisierung von Verwaltungen

und deren Abläufen muss also auch ein ambitioniertes Ziel beim Abbau von Hürden stehen. Deshalb wollen wir die Verwaltungsabläufe da, wo es möglich ist, digitalisieren.

Ein Blick nach Estland kann nicht schaden. Dort gibt es mittlerweile rund 600 E-GouvernementDienste, von der elektronischen Steuererklärung bis hin zum E-Voting. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht. Lassen Sie uns nach vorn blikken und loslegen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. Deshalb hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Höppner das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber auch wir sind für Bürokratieabbau und für vereinfachte Regelungen. Aber gerade der Antrag der Koalitionsfraktionen zeigt, wie schnell man sich doch in Sachen Bürokratieabbau verzetteln kann.

Ihr Antrag ist aus meiner Sicht ein schöner bunter, aber auch irgendwie durcheinander gewürfelter Blumenstrauß von Wünschen und Vorstellungen, bei dem für jeden etwas, aber leider wenig Konkretes dabei ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Regeln und Normen erleichtern den gesellschaftlichen Umgang, machen staatliche Entscheidungen in allen Bereichen zuverlässig und transparent, vom Schutz der Umwelt bis zur Gleichbehandlung.

Bürokratieabbau selber aber muss auch mit Augenmaß und unter Berücksichtigung aller Fakten erfolgen. Man muss übrigens auch einmal klarstellen, dass staatlich vorgegebene Regelungen natürlich auch schützenswerten Zielen dienen. In der Tat finden sich im Antrag der Koalition ein paar Punkte, die Bürokratieabbau in kleinen Schritten ermöglichen. Aber es gibt natürlich eine Menge an Fragen und aus unserer Sicht auch eine Menge an Problemstellen.