Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

Ich bin, ebenso wie der Kollege Erben, dafür dankbar, dass die muslimischen Gemeinden diese Auseinandersetzung sehr proaktiv führen, dass sie gute Kontakte zu den Sicherheitsbehörden haben. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können.

Drittens Fehleranalyse. Nur anhand einer umfassenden Aufklärung von realistischen Lagebildern zur öffentlichen Sicherheit können Debatten in der notwendigen Sachlichkeit geführt werden. Wir brauchen die Fehleranalyse gerade auch in Fällen wie bei Anis Amri, wo Dinge schiefgelaufen sind, weil wir nur so für künftige Fälle lernen können.

Viertens die konsequente Nutzung bestehender rechtlicher Befugnisse. Sicherheitsdebatten müssen auf Fakten, nicht auf Angst gründen. So steht bereits heute fest: Die Fußfessel schafft bei Gefährdern keine Sicherheit. Es ist eine reine Placebo-Gesetzgebung, allerdings mit schweren bürgerrechtlichen Eingriffen. Wir setzen stattdessen darauf, die bestehenden Kommunikationsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden in Europa auszubauen.

Fünftens zur Entwicklung eines modernen Gefahrenabwehrgesetzes. Sachsen-Anhalt hat schon heute starke Gesetze zur Gefahrenabwehr, die gegen sogenannte Gefährder jeglicher Kategorie noch entschlossener angewendet werden können. Wir sind gegenüber Rechtsänderungen dann offen, wenn sie unter strenger Beachtung des verfassungsrechtlichen Rahmens und unter klarer Verhältnismäßigkeit erfolgen.

Neue Befugnisse für Sicherheitsbehörden werden wir deshalb grundsätzlich nur befristet einführen und extern evaluieren. Eine dauerhafte Einführung kommt immer dann infrage, wenn sie sich tatsächlich bewährt haben.

Wir sollten deshalb auch die Evaluation des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung beschleunigen. So können wir faktenbasiert über die Anpassung von Befugnissen sprechen.

Was die Videoüberwachung anbelangt, plädieren wir dafür, das vom Minister Geschriebene tatsächlich auch anzuschauen und zu sagen: Wir wollen wissen, wo es in Sachsen-Anhalt überall private Videokameras gibt. Wenn die Polizei darüber Kenntnis hat, kann sie sie auch mit zur Verbrechensaufklärung nutzen.

Bei allen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung - -

Herr Striegel, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Redezeit ist beendet.

Sicherheit kann nicht durch die Abschaffung der Freiheit erkauft werden. Bürgerrechte werden wir verteidigen. Staatliche Eingriffsmöglichkeiten

schaffen wir, wo notwendig, eng umgrenzt, gut kontrolliert und befristet. Ein hektischer Überbietungswettbewerb ist Ausdruck von Hilflosigkeit und bringt uns nicht mehr Sicherheit. Er schränkt nur eines der wertvollsten Dinge in unserer Demokratie ein,

Herr Striegel, den letzten Satz bitte.

unsere bürgerlichen Freiheitsrechte. - Danke schön.

Herr Striegel, es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Kirchner, bitte.

Herr Striegel, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mir zugestehen würden, dass es unredlich und beschämend ist, dass die Linkspartei in Dresden Demonstrationen im Fall von Kaleb B. organisiert und mit einem Mörder in der ersten Reihe „Kampf gegen Rechts“ ausruft, mit dem Mörder von Kaleb B. selbst, der gesagt hat: Ich habe Angst, von Rechten getötet zu werden, aber selbst der Mörder von Kaleb B. war? Diese Sache ist passiert. Ich möchte wissen, ob Sie so etwas genauso verurteilen wie das, was auf der rechten Seite passiert. Das ist meine Frage.

Herr Striegel, bitte.

Herr Kirchner, ich verurteile die Instrumentalisierung von Straftaten grundsätzlich - erste Bemerkung. Zweite Bemerkung: Zum konkreten Fall

kann ich deshalb überhaupt nichts sagen, weil es dabei um einen Fall in Dresden geht und weil wir heute hier eine Debatte zur Terrorabwehr führen. Was das mit Terrorabwehr zu tun hat, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

(Oliver Kirchner, AfD: Das wurde angespro- chen in Ihrem Redebeitrag!)

Herr Striegel, es gibt zwei weitere Fragen. Herr Harms ist der nächste Fragesteller, dann Herr Farle. Sie haben das Wort, Herr Harms.

Herr Striegel, wie bewerten Sie denn die Situation, dass unsere Polizei immer mehr gefordert ist und bei öffentlichen Einsätzen die Bürger um Videoaufzeichnungen bitten soll, anstatt selbst über Videoaufzeichnungen an Gefahrenpunkten zu verfügen?

Herr Striegel, bitte.

Sehr geehrter Herr Harms, mein Eindruck ist nicht, dass die Polizei in Sachsen-Anhalt über zu wenig Gerätschaften und Technik für die Videografie verfügt. Wir haben in Sachsen-Anhalt auch ausreichende rechtliche Grundlagen dafür. Überall dort, wo es notwendig ist, sorgt der Innenminister dafür; dessen bin ich mir sicher. Er hat auch entsprechende öffentliche Statements abgegeben. Insofern kann ich den Mangel nicht erkennen.

Gleichwohl ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, in einem Strafverfahren alle möglichen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen. Dazu gehört selbstverständlich auch, Bürgerinnen und Bürger um Zeugenhinweise - das können auch Videoaufnahmen sein - zu bitten. Das ist ein völlig gewöhnlicher Vorgang im Rechtsstaat. Wenn es Strafermittlungen gibt, kann die Polizei solche Aufrufe machen. Sie tut es, und es ist gut, dass sie es tut, denn Verbrechen müssen aufgeklärt werden.

Herr Farle, Sie haben das Wort.

Ich möchte eine kurze Zwischenintervention machen. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Striegel, Sie sind immer sehr schnell in Ihrer Aussprache. Man kann Ihnen aber trotzdem gut folgen. Was ich Ihren Ausführungen entnommen habe, ist, dass Sie zu

dem wesentlichen Punkt, der hier eigentlich eine Rolle spielt, nichts gesagt haben, nämlich zu der Tatsache, dass durch eine Politik der Entgrenzung sehr viele Menschen, die nicht Flüchtlinge sind, sondern etwas ganz anderes im Sinn haben, in unser Land eingedrungen sind und dass mittlerweile nachgewiesen ist, dass Flüchtlinge, Flüchtlingsheime im Zusammenhang mit Terrorvorbereitungen und Terroranschlägen immer wieder auftauchen.

Sie haben völlig recht, dass man die geflohenen Menschen nicht pauschal für irgendetwas verdächtigen kann. Das ist absolut richtig. Menschen, denen man helfen muss, muss man helfen. Das fordert auch die AfD, auch wenn Sie das nicht verstehen und auch nicht hören wollen. Das ist so. Aber durch die Politik der Entgrenzung ist dieses Problem in der Größe und in der Bedeutung erst in den vergangenen zwei Jahren entstanden. Denn die Polizei und die Polizeigewerkschaft haben klar ausgeführt - Herr Wendt hat es in seinem Buch bestätigt -, dass - -

Herr Farle, Ihre Redezeit ist um.

Ich bin fertig, noch ein Satz. - Herr Wendt hat es bestätigt, dass Bürgerkriegsgefahren in unserem Land entstehen, wenn wir nicht entschlossen gegensteuern.

(Beifall bei der AfD)

Eine Kurzintervention. Sie können, aber müssen nicht reagieren. Bitte, Herr Striegel.

Ich würde gern etwas dazu sagen. - Herr Farle, ich weiß, dass Sie sozusagen eine ordentliche kommunistische Rhetorikausbildung genossen

haben und deshalb auch in Dialektik sehr, sehr fit sind. Aber Ihr Versuch zu behaupten, Sie würden die Flüchtlinge nicht mit Terror in Verbindung bringen, es dann aber zu tun, zeigt nur eines: Sie wollen auf dem Rücken von Menschen diese Debatte führen.

Geflüchtete sind kein Sicherheitsrisiko. Terroristen sind es.

(Robert Farle, AfD: Genau!)

Diese Terroristen werden wir entschieden bekämpfen. Wir werden es tun in einer offenen, in einer freien Gesellschaft mit Grenzen, die durchlässig bleiben. Denn Grenzen - das ist unsere Utopie - sollten irgendwann ganz aufhören zu existieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Volker Olenicak, AfD: Das forderten die Kommunisten schon!)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. - Der nächste Debattenredner ist für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Herr Höhn. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden unsere Art zu leben von Terroristen nicht zerstören lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Aussage hört man oft nach den schrecklichen Anschlägen in unserer Zeit. Dieser Satz soll doch sagen, dass wir unsere Freiheit, unsere Werte nicht aufgeben werden, also das beibehalten, was wir unter freier politischer Meinungsäußerung und Debatte verstehen, aber auch das, was uns Freude macht, was wir genießen und was wir lieben.

Zwölf Menschen starben kurz vor dem Weihnachtsfest am Breitscheidplatz in Berlin; rund 50 wurden teils schwer verletzt. Sie wurden ermordet von einem islamistischen Attentäter. Ihre Familien und Freunde sind mit Sicherheit noch immer mitten im Schmerz.

Für die Betroffenen, für die Verletzten, für die Familien und Freunde der Anschlagsopfer gilt der Satz zu Beginn meiner Rede wahrscheinlich nicht. Ihre Art zu leben wird sicherlich nie mehr die sein, die es vor den Anschlägen war.

Wenn wir also davon reden, dass unsere Art zu leben stabil bleibt, unangreifbar, dass wir unerschrocken weitermachen, dann ist das eine politische Botschaft, eine Botschaft gegen kollektive Ängste, gegen Irrationalität und eine Botschaft der Besonnenheit. Wenn dies auch die Botschaft dieser Debatte sein soll, dann sollten wir nicht so tun, als ob das neue Sicherheitspaket von de Maizière und Heiko Maas der Durchbruch in Sachen Sicherheit sei.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die elektronische Fußfessel, die ja auch die SPDFraktion als Antragstellerin in dieser Debatte so dringend in das Landesrecht übernehmen will, wird niemanden aufhalten. Die SPD im Land war gemeinsam mit der CDU in den letzten Legislaturperioden für den Stellenabbau bei der Polizei verantwortlich. Bundesweit wurden in den letzten Jahren in den Polizeien von Bund und Ländern 18 000 Stellen abgebaut. Jetzt wird hektisch nachjustiert.

Wenn Personal fehlt, soll es die Technik richten. Ob Fußfessel oder Videokamera, es sind immer konkret Menschen, die Gewalttäter beobachten und stoppen müssen. Die Fußfessel kann man kurz vor der Tat entfernen oder eben auch mit Fußfessel die Tat begehen. Der Attentäter von Berlin passierte bei seiner Flucht zig Kameras. Aufgehalten haben ihn letztlich zwei italienische Polizisten; sie haben dafür ihr Leben riskiert.

Attentätern, die zuvor Bekennervideos produzieren, die ihre Ausweispapiere am Tatort zurücklassen, die ihren eigenen Tot als Dienst verstehen, ist nicht beizukommen, indem man sie bei ihrer Tat filmt.

Bundesweit wird zurzeit der Frage nachgegangen: Was ist bei der Einschätzung des Gefährders Amri schiefgelaufen? Im Vergleich zu dem Attentäter von München oder den Gewalttätern von Würzburg und Ansbach war Amri bereits unter Beobachtung - oder eben auch nicht.

In dieser Woche berichtete der RBB, dass die Berliner Polizei die Überwachung von Anis Amri früher als bisher bekannt beendet hat. Bereits im Juni 2016 seien diese Maßnahmen von der Polizei eingestellt worden.