Protokoll der Sitzung vom 02.03.2017

Ich habe für unser Haus bereits der von Ihnen erwähnten Bundesratsinitiative der Länder Thüringen, Berlin und Brandenburg im Fachausschuss zugestimmt. Wir werden dann im Kabinett darüber beraten müssen. In den Fachausschüssen gibt es Zustimmung aus unserem Sozialministerium dafür, dass man das auch in das Plenum des Bundesrates hineinträgt. Ich hoffe, dass wir dort dann zustimmen können und uns nicht der Stimme enthalten müssen, weil es andere Erwägungen gibt. Ich gebe jedenfalls mein Bestes dafür, dass das in eine Zustimmung mündet.

Bei der Antwort auf die Große Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 22. Dezember 2016 hatte ich den Eindruck, dass die Bundesregierung in vielen Punkten die konkreten Daten hinsichtlich der Situation von vielen Soloselbstständigen nicht nennen konnte. Das war zumindest auf den 140 Seiten so. Deswegen müssen wir die Situation der Soloselbstständigen untersuchen, das Anliegen weiter verfolgen und weitere Möglichkeiten finden, um dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Ich denke, wir werden im Ausschuss auch darüber reden - auch wenn das ein Dauerbrenner ist -, wie wir das zum Beispiel bei dem Thema Bürgerversicherung mit einbauen können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Markus Kurze, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Anfragen. - Damit steigen wir in die Debatte der Fraktionen ein. Es ist Debatte mit fünf Minuten

Redezeit je Fraktion. Beginnen wird der Abg. Herr Bönisch. Er spricht für die CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Bönisch.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist sehr interessant, sehr sympathisch. Wir haben dazu allerdings noch einigen Informationsbedarf. Wir haben heute einen erheblichen Zeitverzug und es gibt eine ausgeprägte Neigung seitens der Vertreter der AfD-Fraktion zu fruchtlosen Interventionen und Anfragen.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Deshalb verzichte ich heute auf einen ausführlichen Redebeitrag und verweise den Antrag in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Markus Kurze, CDU, und von Eva Feußner, CDU - Guido Heuer, CDU: Du kannst das beantragen, nicht verweisen!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich habe das so verstanden,

(Bernhard Bönisch, CDU: Ich beantrage die Überweisung!)

dass Sie die Überweisung in den Ausschuss beantragen. Okay.

Der nächste Debattenredner wird der Abg. Herr Siegmund für die AfD-Fraktion sein.

(Volker Olenicak, AfD: Mach es kurz!)

Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennen Sie ein gutes Rezept für einen erfolgreichen Selbstständigen? - Man nehme eine grundlegende Qualifikation, eiserne Willenskraft und ein wohliges Nest staatlicher Unterstützung. Insbesondere bei dem letzten Aspekt bleiben allerdings offene Fragen und Probleme, die nicht sein müssen. Herr Höppner hat das schon ganz richtig ausgeführt.

Sogenannte Soloselbstständige, das heißt Selbstständige ohne Mitarbeiter und ohne Personal, unterliegen besonders widrigen Umständen. Ist ein Soloselbstständiger krank, erwirtschaftet er beispielsweise kein Einkommen. Er kann sich die Beiträge zur Sozialversicherung nicht mit einem Arbeitgeber teilen. Er ist vollständig auf sich allein gestellt. Und das zeichnet ihn aus.

Statistisch gesehen haben 82 % aller Soloselbstständigen ein Jahreseinkommen von bis 15 011 €. Wie soll man mit dieser Summe überleben? Wie soll man damit eine Altersvorsorge aufbauen? - Das ist eigentlich nicht möglich.

Signifikante Kostenfaktoren sind oftmals die Beiträge zur freiwilligen Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, über die wir heute sprechen, mit Mindestzahlungen unabhängig vom Einkommen. Das geht bei diesen geringen Einkommen einfach nicht. Der Mindestbeitrag liegt bei etwa 140 € im Monat, teilweise auch darüber, und ist natürlich perspektivisch steigend.

Dieser Problematik nimmt sich ganz zu Recht der Thüringer Antrag zur Änderung des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung -, kurz SGB V, im Bundesrat unterstützend an. Im Prinzip wird nichts weiter getan, als die Bundesregierung aufzufordern, tragfähigere Konzepte auszuarbeiten und die Situation darzustellen, und das möglichst noch in dieser Legislaturperiode, sodass die Situation analysiert werden kann und die Bundesregierung entsprechende Optimierungsvorschläge erarbeiten kann. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist unterstützenswert. Da gibt es eigentlich gar nichts zu debattieren. Ich denke, das sehen wir alle in diesem Hause so.

Ich möchte allerdings noch einen kurzen weiteren Gedankengang anführen. Das ist neben der Krankenversicherung natürlich auch die Altersvorsorge. Das ist genau das gleiche Thema. Ich kenne das als ehemaliger Selbstständiger selbst: Wie soll man mit der Summe X, die man erwirtschaftet, mit der man klarkommen muss, auch noch Altersvorsorge betreiben? - Das ist nahezu unmöglich, gerade in den unteren Einkommenssegmenten. Auch hierbei müssen wir entsprechend nacharbeiten und tragfähige Konzepte erarbeiten.

Unter dem Strich: Wir als AfD-Fraktion sehen an diesem Antrag überhaupt nichts Schlechtes. Wir geben unsere vollumfängliche Zustimmung für diesen Antrag. Ich schließe mich auch Herrn Bönisch an, dass wir die Details im Sozialausschuss besprechen müssen. Wir plädieren für eine Überweisung an den Sozialausschuss und kündigen vorab schon unsere breite Zustimmung an. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Siegmund. Es gibt keine Anfragen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort, Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde mein Manuskript jetzt auch ein wenig einkürzen; denn wir sind uns - das meine ich wahrzunehmen - ausnahmsweise einmal alle in diesem Hohen Hause darin einig, dass es sich lohnt, die Situation der Soloselbstständigen noch dezidierter anzuschauen.

Danke für die Große Anfrage der LINKEN auf der Bundesebene, hat sie doch deutlich gemacht, wo tatsächlich auch Prekariatszustände vor Ort zu verzeichnen sind. Man kann hier einen weiten Bogen spannen, um tatsächlich Verbesserungen zu bewirken.

Ein Umsteuern ist aus unserer Sicht angesagt. Man muss die Sozialsysteme dazu aber völlig neu - aus unserer Sicht vom Bürger her - denken. Dabei sind die Kindergrundsicherung, das elternunabhängige Bafög und insgesamt eine Grundsicherung Stichworte, die aus grüner Sicht helfen würden, die Situation der Soloselbstständigen zu verbessern.

Wir haben es hierbei mit einer Systematik zu tun, die, wie wir finden, von einer überkommenen Erwerbszentrierung ausgeht. Das entspricht in vielen Fällen nicht mehr dem, was dem heutigen Arbeitsmarkt entspricht - ob man das jetzt gut oder schlecht findet, ist eine andere Debatte - und was eben auch Selbstständigen tatsächlich helfen würde.

Insofern ist eine Überweisung in den Ausschuss angezeigt. Dort können wir alle Argumente abwägen.

Abschließend möchte ich noch auf eines hinweisen. Wir hatten in der letzten Sitzung des Sozialausschusses - sie war öffentlich, deswegen kann man das hier auch ausführen - eine Debatte, in der der Kollege Tillschneider wieder einmal einen Aufhänger gesucht hat - so bewerte ich das. Er ist jetzt leider nicht im Raum, ich möchte es trotzdem erwähnen, weil ich meine, dass das eine allgemeine Haltung der AfD widerspiegelt. Er sagte, dass unsere Sozialsysteme am Kollabieren seien, dass es insbesondere den Selbstständigen schlecht ginge und sie nicht einmal eine Krankenversicherung hätten, weil das ganze Geld den Geflüchteten zugutekäme.

Jetzt sind wir an einem guten Punkt - so habe ich auch den Kollegen Siegmund verstanden -; denn wenn man an der Situation etwas ändern will, dann darf man nicht auf die Geflüchteten einhauen, sondern muss etwas an den gesetzlichen Grundlagen ändern.

(Volker Olenicak, AfD: Es haut doch nie- mand auf sie ein!)

Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Es gibt zwei Nachfragen, möchten Sie diese beantworten?

Das machen wir dann im Ausschuss, wir überweisen.

Okay, das gilt für beide Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die SPDFraktion spricht der Abg. Herr Steppuhn.

(Volker Olenicak, AfD: Och!)

Sie haben das Wort, Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, dass dieser Antrag der LINKEN gut und richtig ist. Ich glaube, wir haben es hier mit einem Wandel in der Arbeitswelt zu tun. Es gibt immer mehr Soloselbstständige; dazu sind einige Zahlen genannt worden.

Wenn man Zahlen bekommt - wie gesagt, immer unter dem Vorbehalt, dass vielfach Datenerhebungen in diesem Bereich gar nicht stattfinden -, dass rund die Hälfte der Soloselbstständigen einen Stundenlohn unterhalb von 13,86 € hat, somit unterhalb des Lohns eines normalen Arbeitnehmers, und ein Viertel der Soloselbstständigen sogar unterhalb des Mindestlohns arbeiten, denke ich, wird dieses Problem sichtbar. Ich vermute an, es wird auch zunehmen.

Wenn man über dieses Thema redet - der Antrag bezieht sich auf die Krankenversicherungsbeiträge -, dann muss man ehrlicherweise auch über das Thema Altersversorgung und das Thema Arbeitslosenversicherung reden, insgesamt über die soziale Absicherung von Soloselbstständigen.

Zumindest mir geht es so: Wenn man mit Handwerkern redet, die mehrere Beschäftigte haben, beklagen sie sich immer darüber, dass ihnen die Soloselbstständigen Konkurrenz machen im Kampf um Aufträge gerade auch im Handwerk.

Deshalb wäre es richtig, darüber nachzudenken, wie man auch dort zu einer verbesserten Einkommenssituation kommt, sodass zum Beispiel der Krankenversicherungsbeitrag tatsächlich bezahlt werden kann. Ich glaube, von daher ist das ein größeres Thema, als nur über den Bereich des Krankenversicherungsbeitrags zu reden.

Aber wir sind damit einverstanden, dass wir das im Ausschuss tun. Ich denke, es ist richtig, dass wir dieses Thema einmal aufarbeiten, Herr Kollege Höppner. Ich glaube, dann kann man zumindest in diesem Teilbereich - die Ministerin hat es angedeutet - vielleicht zu einer Unterstützung von Bundesratsinitiativen kommen.

Ich denke, es geht darum, Menschen, die als Unternehmer, als Soloselbstständige tätig sind, in das Krankenversicherungssystem einzubeziehen. Das hat aber sicherlich etwas mit Beiträgen zu tun. Das hat auch etwas mit den gesetzlichen Grundlagen zu tun. Auch da bin ich nahe bei der Ministerin. Wenn wir über das Thema Bürgerversicherung in der Gesamtheit reden, wäre das eigentlich ein guter Beitrag, auch diese Diskussion einzubeziehen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Die Überweisung ist bereits beantragt worden. - Danke schön.

Vielen Dank. - Herr Höppner, Sie haben jetzt sowieso die Möglichkeit zu sprechen, oder wollten Sie nur eine Frage stellen?

Ich mache es vorne.

Okay. Ich konnte jetzt nur nicht erkennen, ob Sie eine Frage stellen wollten. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt noch einmal Herr Höppner. Bitte, Herr Höppner.