Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Dem Ausschuss lag dazu, wie angekündigt, ein Vorschlag der Koalitionsfraktionen für eine vorläufige Beschlussempfehlung vor. Inhalt dieses Vorschlages war, die Landesregierung zu bitten, vorhandene Beratungsnetzwerke sowie Einrichtungen zur Opferhilfe und zur Förderung der Demokratie weiter zu stärken und finanziell zu sichern sowie Programme zur Demokratiestärkung, Beratung gegen Rechtsextremismus, mobile Opferberatung und Prävention sowie Ausstieg aus radikalen Gruppen weiterhin zu unterstützen und weiterzuentwickeln.

Des Weiteren soll der Landtag das Agieren der Landesregierung unterstützen, Fortbildungsangebote für Beschäftigte der öffentlichen Verwaltung, Polizei und Justiz zum Umgang mit sogenannten

Reichsbürgern weiterhin anzubieten. Die Landesregierung soll gebeten werden, die Angebote auszubauen. Schließlich sah der Beschlussvorschlag noch die Berichterstattung der Landesregierung im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration im vierten Quartal 2017 vor.

Im Ergebnis einer sehr kontrovers geführten Diskussion wurde mit 8 : 3 : 0 Stimmen eine vorläufige Beschlussempfehlung in der Fassung des Beschlussvorschlages der Koalitionsfraktionen verabschiedet.

Der mitberatende Ausschuss für Inneres und Sport hat sich in der 8. Sitzung am 23. März 2017 mit den beiden Drucksachen und der vorläufigen Beschlussempfehlung befasst. Im Ergebnis seiner Beratung hat er sich der vorläufigen Beschlussempfehlung mit 9 : 0 : 3 Stimmen angeschlossen.

Auch der mitberatende Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hat sich der vorläufigen Beschlussempfehlung mit 9 : 0 : 3 Stimmen angeschlossen. Er führte seine Beratung in der 7. Sitzung am 24. März 2017 durch.

Die abschließende Beratung des federführenden Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration fand in der 12. Sitzung am 26. April 2017 statt. Beratungsgrundlagen waren die vorläufige Beschlussempfehlung und die Beschlussempfehlungen der beiden mitberatenden Ausschüsse.

Die Fraktion der AfD kritisierte, dass die zur Abstimmung vorliegende Textfassung nach wie vor einseitig den Rechtsextremismus zum Inhalt habe und sich nicht mit Linksextremismus und religiösem Extremismus befasse. Dem entgegneten die Koalitionsfraktionen, dass man an das Thema Gewalt grundsätzlich herangehe und jeglicher Demokratiefeindlichkeit und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegentrete, so wie es die zur Abstimmung vorliegende Empfehlung aussage.

Im Ergebnis der abschließenden Beratung des federführenden Ausschusses wurde die vorläufige Beschlussempfehlung zur Abstimmung gestellt und mit 8 : 0 : 3 Stimmen als Beschlussempfehlung an den Landtag verabschiedet.

Ein redaktioneller Hinweis: Bei der Ausfertigung der Beschlussempfehlung durch die Landtagsverwaltung wurde bei Nr. 3 der Satzaufbau leicht verändert, um den Bezug zum Einführungssatz, der mit den Worten „Die Landesregierung wird gebeten“ beginnt, wieder schlüssig zu machen. Es erfolgten keine inhaltlichen Änderungen.

Die Beschlussempfehlung liegt dem Plenum heute in der Drs. 7/1303 vor. Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung. - Vielen Dank.

Ich sehe keine Fragen an den Berichterstatter. Deswegen treten wir nun in die Dreiminutendebatte ein. Als Erste hat für die Landesregierung Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort.

Der dezente Hinweis auf die Dreiminutendebatte kam von mir deshalb, weil die parlamentarischen Geschäftsführer noch eine Abendbeschäftigung für uns organisiert haben. - Sie haben jetzt das Wort, Frau Ministerin.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die vorliegende Beschlussempfehlung fordert zur Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf. Dieses Anliegen wird von der Landesregierung ausdrücklich unterstützt. Wie wichtig dies ist, konnten wir am 1. Mai in Halle erkennen.

(Starker, langanhaltender Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Bündnis „Halle gegen rechts - Bündnis für Zivilcourage“, der Stadt Halle, dem DGB, den Kirchen, dem Theater und vielen Engagierten dafür danken, dass sie diese Auseinandersetzung friedlich geführt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ausgehend von dem Anstieg der Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte wird die Stärkung und langfristige Absicherung der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen eingefordert.

Besorgniserregend ist insbesondere das Ansteigen der politisch rechts motivierten Gewalttaten in den letzten beiden Jahren. Diese erhöhten sich von 109 Straftaten im Jahr 2015 auf 149 Straftaten im Jahr 2016. Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt weisen sogar noch höhere Zahlen aus, weil sie auch Angriffe erfassen, die nicht angezeigt werden. Für das Jahr 2015 wurden 217 solche Angriffe gezählt; für das Jahr 2016 wurden insgesamt 265 politisch rechts motivierte Gewalttaten erfasst, was einen bisherigen Höchststand bedeutet.

Die Landesregierung hat bereits im Doppelhaushalt 2017/2018 eine Etaterhöhung für die Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus verankert. Der Landtag hat diese Etaterhöhung dankenswerterweise bestätigt. So konnte mehr Geld für die Betreuung von Opfern rechter Gewalt zur Verfügung gestellt werden.

Auch das Beratungsnetzwerk konnte personell ausgebaut werden. Bürgerbündnisse, Vereine und Kommunen erhalten somit eine stärkere Unterstützung in ihrer Arbeit gegen Rassismus und für ein demokratisches und vielfältiges Miteinander in Sachsen-Anhalt. Die vorgehaltenen Bildungs- und Beratungsangebote tragen dazu bei, die kritische Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Bestrebungen zu stärken und die Menschen in diesem Engagement zu ermutigen.

Mit dem Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit hat es sich die Landesregierung zur Aufgabe gemacht, die demokratische Kultur und die aktive Zivilgesellschaft in unserem Bundesland zu fördern.

Ein neuer Ansatz, meine Damen und Herren Abgeordneten, ist die Vermittlung von Medienkompetenz, um gezielte Lügen und Verschwörungstheorien im Netz zu erkennen und diesen aktiv zu begegnen. Beratungsangebote sollen Betroffenen und Engagierten helfen, die mit Hasskommentaren und Bedrohungen im Internet konfrontiert werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Prävention von Radikalisierung bei Jugendlichen im Bereich des Rechtsextremismus und des Islamismus.

Ich könnte das noch erweitern, insbesondere um die Aktivitäten des Studieninstituts für Kommunale Verwaltung Sachsen-Anhalt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Auch ist es erfreulich, dass es zu einer Sensibilisierung im Bereich der Polizei kommt. Es werden viele Aktivitäten im Bereich des Studiums sowie der Aus- und Fortbildung an der Fachhochschule der Polizei durchgeführt. Auch die Justiz hat im laufenden Jahr mehrtägige Fortbildungen der Deutschen Richterakademie gebucht, damit auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte insbesondere Fortbildungsveranstaltungen zu den sogenannten Reichsbürgern absolvieren können.

Damit ich die Redezeit von drei Minuten einhalte, sage ich jetzt: Ich bin gern bereit, über weitere Maßnahmen in dem zuständigen Ausschuss zu berichten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Siegfried Borgwardt, CDU: Selbstverständlich!)

Wir erkennen Ihr Bemühen an, Frau Ministerin. Es gibt keine Nachfragen. - Wir treten nun in die Debatte der Fraktionen ein. Für die CDU-Fraktion hat der Abg. Herr Krull das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen

Hauses! Wir beschäftigen uns also heute mit der Bekämpfung verschiedener Formen des Extremismus in unserem Bundesland. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich bereits jetzt um die Zustimmung zu dem Beschlussvorschlag des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration werben. Dieser basiert auf einem Alternativvorschlag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE und zu dem Alternativantrag der AfD-Landtagsfraktion hierzu.

Dieser Beschlussvorschlag hat - der Berichterstatter hat es bereits berichtet - in allen beteiligten Ausschüssen die Mehrheit gefunden.

Um es für meine Fraktion noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir sind gegen jede Form von Extremismus.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn den Menschen ist es egal, ob sie von rechtsextremistischen Neonazis, linksautonomen Chaoten oder religiösen Fanatikern bedroht werden.

(Eva Feußner, CDU: Genau so!)

Für uns gibt es keine ideologische Rechtfertigung für Gewalt- und Hassverbrechen.

Aktive Arbeit auch im Bereich der Aufklärung zu leisten, ist für die Koalition in Gänze von hoher Bedeutung. Die Dimension des Themas wird auch in der Anlage 3 zu der vorliegenden Drucksache des Ministeriums für Inneres und Sport deutlich, in der die Entwicklung der politischen Gewalt in Sachsen-Anhalt geschildert wird.

Bereits im Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir klare Signale gesetzt und entsprechende Mittel eingestellt. Selbstverständlich ist eine stetige Kontrolle über den effektiven und effizienten Einsatz dieser öffentlichen Mittel notwendig.

Auch im Koalitionsvertrag finden sich entsprechende Formulierungen, die unser gemeinsames Ziel deutlich machen, dass Extremismus in unserem Land keine Chance haben darf.

Sowohl der Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE als auch der Alternativantrag der AfD-Fraktion haben aus unserer Sicht die bestehenden Herausforderungen nur einseitig beleuchtet. Der Vorschlag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN behandelt das Thema hingegen differenziert und hat vielleicht auch deshalb immer wieder die Mehrheit in den Ausschüssen gefunden.

(Oliver Kirchner, AfD: Nur weil sie da wa- ren!)

Darin findet sich unter anderem ein klares Bekenntnis zur Stärkung der Demokratie und aller Einrichtungen, die sich dem Thema der Demokra

tiebildung verschrieben haben, zur Unterstützung der Organisationen, die sich um Opfer extremistischer Gewalt kümmern, sowie derjenigen Organisationen, die ehemaligen Extremisten entsprechende Ausstiegsprogramme anbieten, wenn sich diese von ihrer Ideologie trennen wollen.

Ebenso enthält die Beschlussempfehlung ein klares Bekenntnis zu den Behörden und den Beschäftigten bezüglich des Umgangs mit den sogenannten Reichsbürgern oder Selbstverwaltern durch den Ausbau entsprechender Informations- und Beratungsangebote.

In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung für die vorliegende Beschlussempfehlung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und halte die Redezeit von drei Minuten ebenfalls ein.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt auch keine Nachfragen. Deswegen hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Quade das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Beschlussempfehlung wie schon in den Ausschüssen zustimmen, obwohl natürlich unser Ursprungsantrag besser war.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn die Punkte, die in unserem Ursprungsantrag verbindlich gewesen wären, sind aus der Beschlussempfehlung getilgt worden. Das lässt sich arithmetisch erklären, ist aber in der Sache bedauerlich.

Dass Nazis und die Akzeptanz rechter Gewalt die größte und aggressivste Bedrohung für eine offene und freie Gesellschaft wie unsere sind, zeigen leider auch die jüngsten Ereignisse. Die Ministerin hat die Ereignisse am Montag in Halle angesprochen. Das war zwar sehr erfreulich, hat aber natürlich auch die Notwendigkeit gezeigt, Protest auf die Straße zu bringen.