Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Besonders dramatisch sind dabei die Lage von Alleinerziehenden sowie die wachsende Kinderarmut. In den kommenden Jahren droht durch zahlreiche unterbrochene Erwerbsbiografien auch eine massive Armut bei den Rentnern.

Die Landesregierung ignoriert leider auch diese Entwicklung. Die stärkere Polarisierung zwischen Arm und Reich lässt sich aber nicht aussitzen, meine Damen und Herren. Hier wächst ein Konfliktpotenzial, an dessen Entladung niemand interessiert sein kann. Die Politik muss daher endlich handeln; denn ein weiterer Anstieg der Armut ist letztlich auch demokratiegefährdend.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die heutige Regierungserklärung hat leider keinen Aufschluss darüber gebracht, was die Landesregierung effektiv und nachhaltig dagegen zu tun gedenkt.

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Sie haben bisher nicht einen einzigen Vorschlag ge- bracht!)

Nur noch zur gesundheitlichen Versorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt. Wenn wir diese insgesamt kritisch sehen, dann liegt das nicht an den Ärzten oder am Pflegepersonal, bei denen wir uns an dieser Stelle ausdrücklich für ihr engagiertes Wirken bedanken möchten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Viele Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich sehen die eigene Situation durchaus kritisch, sind aber in einem System gefangen, das immer mehr den Gesetzen des Marktes geopfert wird. Als wir bereits früher auf diese Situation hinwiesen, wurden wir als Schwarzmaler beschimpft, unsere Anträge wurden abgebügelt und unsere schon damals geäußerten konkreten Vorschläge völlig ignoriert.

Inzwischen fehlen Ärzte und Pflegekräfte in allen Bereichen, und die, die da sind, werden sozusagen verbrannt oder arbeiten sich krank. Wir fordern deshalb schon seit Langem, dass Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen in Krankenhäusern, in Kitas und in Pflegeberufen verbessert werden, dass zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eingestellt und bessere Löhne gezahlt werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch bin ich erstaunt zu hören, dass im öffentlichen Dienst Tariflohn gezahlt werden muss. - Natürlich muss er das; denn er hat grundsätzlich eine Vorbildwirkung, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ein weiteres Zukunftsthema und eine große Herausforderung stellt natürlich - auch das wurde schon erwähnt - die Digitalisierung unter den Stichworten Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 dar. Die Frage ist aber: Für wen stellt sich diese Herausforderung? Für Arbeitnehmerinnen oder hauptsächlich für Unternehmerinnen?

Das sogenannte Weißbuch von Frau Nahles auf Bundesebene zum Thema Digitale Agenda lässt eher Letzteres vermuten. Momentan wird im politischen Diskurs die Digitalisierung vor allem unter dem Stichpunkt Industrie 4.0 diskutiert und hat hauptsächlich einen Bezug zur Seite der Unternehmen.

Die Debatte um die Auswirkungen auf die Arbeitswelt spielt dabei meist keine, wenn überhaupt, nur

eine untergeordnete Rolle. Als LINKE sehen wir das einerseits als verfehlt an und andererseits als gefährlich; denn die Digitalisierung der Wirtschaft darf nicht einseitig aus dem Blickwinkel der Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Übrigens hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode auf unsere Initiative hin der Landtag mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Schon damals forderten wir, nicht nur die Chancen für die mittelständische Wirtschaft in Sachsen-Anhalt zu erkennen, die auch wir ganz klar sehen, sondern auch die Risiken und Rechtslücken im Bereich Arbeitnehmerinnenrechte, Datenschutz, Datensicherheit, Urheber- und Vertragsrecht.

Vor allem muss auch wahrgenommen werden, dass sich schon jetzt die Arbeitswelt massiv wandelt, zum Beispiel durch Arbeitsverdichtung sowie Druck, und dadurch eine Zunahme von psychischen Erkrankungen bedingt ist. Wir wollen keineswegs Horrorszenarien zeichnen, wir wollen jedoch offen diskutieren, welche Probleme entstehen können und wie Politik hier aktiv werden kann und muss.

Die Bundesagentur für Arbeit hatte übrigens kürzlich verlauten lassen, dass sie damit rechnet, dass in Sachsen-Anhalt zukünftig bis zu 100 000 Stellen wegfallen könnten. Das sind dann schon eher sogenannte Horrorszenarien.

Auch der Chef der Landesarbeitsagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen Kay Senius spricht in der „Mitteldeutschen Zeitung“ davon, dass jetzt die Weichen für eine gerechte Wirtschaftsordnung im digitalen Zeitalter gestellt werden müssen. „Konkret müsse etwa bei neuen Arbeitsformen geklärt werden, wie diese in den Arbeitnehmerschutz und die Sozialversicherung einbezogen werden, damit kein ‚Prekariat 4.0‘ entstehe.“

(Zustimmung bei der LINKEN)

Scheinbar hat Herr Senius an dieser Stelle auch unser Wahlprogramm vor Augen gehabt, meine Damen und Herren.

Auch der erst gestern vorgestellte DGB-Index „Gute Arbeit“ zum Thema „Digitale Arbeit“ zeigt, dass unsere Hinweise keine Horrorszenarien, sondern schon jetzt Realität sind; denn 60 % aller Befragten fühlen sich sehr häufig bzw. oft gehetzt oder unter Zeitdruck. Der Index bestätigt aber auch, dass die Digitalisierung durchaus Chancen für die Arbeitnehmerinnen bzw. Hebel für eine bessere Arbeitsqualität bietet. Es braucht also auf diesem Gebiet neue und zukunftsfähige Initiativen, um diesen Prozess positiv zu besetzen und zu gestalten. Ihrer Regierungserklärung konnte ich aber auch hierzu wenig entnehmen.

Auch Ihre wirtschaftspolitischen Ideen sind verbraucht und veraltet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die die vorhandenen Potenziale ausbaut und den Mittelstand gezielt stärkt und somit auch gute Arbeit befördert. Sie haben es aber versäumt, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen und Fördermittel bevorzugt an Unternehmen zu vergeben, die in Sachsen-Anhalt ihren Hauptsitz nehmen und auch entsprechende Steuern und nach Tarif zahlen sowie ihren Beschäftigten hohe Sozialstandards bieten und sie nicht nur als bloßen Kostenfaktor behandeln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Bevölkerung nimmt seit vielen Jahren für schlechte Bezahlung überdurchschnittliche Belastungen in Kauf und scheut kein Risiko, um trotz aller Widrigkeiten die eigene Familie ernähren zu können. Der Sachsen-Anhalter arbeitet im Jahr wesentlich länger als der Durchschnittsdeutsche und legt oft besonders lange Wegstrecken zur Arbeit zurück. Dafür werden die Menschen in Sachsen-Anhalt leider mit der einfallslosesten Landesregierung der Republik bestraft, die nur mit einer Serie von Berater- und Wahlbetrugsaffären aufgefallen ist,

(Zustimmung bei der LINKEN)

nicht aber mit Impulsen für Sachsen-Anhalt, geschweige denn als Problemlöser hier im Land.

(Unruhe)

Gerade aus sozialpolitischer Sicht waren die letzten Regierungsjahre unter CDU und SPD und jetzt auch unter Kenia für Sachsen-Anhalt verlorene Jahre, und scheinbar soll es nicht besser werden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Diese Landesregierung ist und bleibt ein Ausfall und kann keine positive Dynamik für SachsenAnhalt entwickeln und auslösen. Wirtschaftspolitisch, bildungspolitisch und sozialpolitisch ist und bleibt es eine Katastrophe.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ihr ganzes Regierungshandeln ist von Orientierungsverlust und Einfallslosigkeit geprägt. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ministerin Petra Grimm-Benne: Ganz großes Kino! Nicht ein einziger Vorschlag!)

Vielen Dank, Herr Kollege Höppner. Es gibt keine Anfragen. - Bevor ich zur nächsten Debattenred

nerin komme, darf ich zwei Gruppen bei uns im Hohen Hause begrüßen. Das sind zum einen Schülerinnen und Schüler des Börde-Gymnasiums Wanzleben sowie zum anderen Schülerinnen und Schüler der Pestalozzischule Wernigerode. Seien Sie recht herzlich willkommen bei uns!

Die nächste Debattenrednerin ist für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN die Kollegin Frau Lüddemann. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Globalisierung, Digitalisierung und der demografische Wandel haben in den letzten Jahren unsere Arbeitswelt entscheidend verändert und werden das auch weiterhin tun.

Wir GRÜNE stellen uns dieser Herausforderung und wollen gute Arbeit für alle gestalten. Dazu gehören für uns auf einer ersten Ebene faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen, zukunftsfähige Arbeitsplätze sowie die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt.

Die Lohnentwicklung geht in Deutschland seit Jahren stark auseinander. Grund hierfür ist vor allem die Flucht vieler Unternehmen aus Tarifverträgen. Eine jährlich von der NordLB veröffentlichte Liste besagt, dass 25 % der 100 größten Unternehmen in Sachsen-Anhalt ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Tariflöhne zahlen. Eine Stärkung der Gewerkschaften liegt daher in unser aller Interesse, um den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt zu stärken.

Zudem wollen wir prekäre Arbeitsbedingungen verhindern, die Rechte von Leiharbeitskräften ab dem ersten Tag stärken sowie die Entlohnung von Care-Berufen deutlich verbessern.

Faire Löhne - das bedeutet für uns vor allem auch, dass Frauen und Männer die gleiche Bezahlung für die gleiche bzw. für gleichwertige Arbeit erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bundesweit lagen 2016 die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern bei 21 %. Ich weiß, dass Sachsen-Anhalt mit 2 % hier Vorreiter und Beispiel ist. Aber auch mit diesem kleinen, aber feinen Unterschied dürfen wir uns nicht zufriedengeben.

Faire Löhne gibt es allerdings nur mit guten und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Hier wollen wir den sozial-ökologischen Wandel als Jobmotor nutzen. Die Energiewende zeigt bereits, dass ökologisch nachhaltige Projekte neue Wirtschaftsdynamiken generieren. Sachsen-Anhalt ist auch in diesem Bereich Spitzenreiter. Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es ca. 20 000 Beschäf

tigte. Mit einer Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien von 26,8 pro 1 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt unser Land im bundesweiten Durchschnitt auf Platz 1.

(Beifall bei den GRÜNEN)