Protokoll der Sitzung vom 20.06.2017

Sie gehen davon aus, die Gemeinden entfallen als Finanzierungssäule, der Geldfluss soll zentral über die Kreise erfolgen. Man kann jetzt sagen, ja, wir nehmen - das haben Sie eben versucht darzustellen - die Hochzonung ernst und denken sie konsequent zu Ende. Aber man kann doch kein höchstrichterliches Urteil hier vorweg nehmen und schon so eine Setzung in so einem Gesetzentwurf machen. Das finde ich wirklich mehr als schwierig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Siegfried Borgwardt, CDU: Die LINKE kann das!)

Auch hier trifft es zu: Der Erste ist nicht unbedingt der Beste.

Zu guter Letzt wollen Sie eine erhebliche finanzielle Besserstellung der Eltern. Das gelobte Land

der Beitragsfreiheit wollen Sie über fünf Jahre ansteuern und erreichen. Die einzig sichtbare Bemühung um haushälterischen Realismus in dem Zusammenhang ist, dass Sie das in abgestufter Weise tun wollen.

Dass wir selber im Rahmen von Personalschlüsselverbesserungen hier auch schrittweise vorgehen wollen, ist ein Zeichen von Realismus. Aber das, was Sie hier machen - ich kann es, ehrlich gesagt, nicht mehr nachvollziehen.

(Eva Feußner, CDU: Ja was denn?)

Elternbeiräte - das ist klar - dürfen keine Hürden sein, frühkindliche Bildung zu haben. Aber ein kostenfreier Zugang zu Kitas - davon sind wir in diesem Land so weit entfernt, weil - auch das ist ausgeführt worden - wir noch inhaltlich und in der Qualität von Kindertageseinrichtungen Nachholbedarf haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist etwas, was in der Koalition im Mittelpunkt steht. Das ist etwas, wo wir zuerst Landesgeld investieren werden und wollen. Wir müssen seriöserweise sagen, wir können nicht alles machen.

Wir sind zum Beispiel von der wissenschaftlichen Empfehlung zur Personalausstattung noch so weit entfernt, dass das alle Kapazitäten, die wir haben, die wir seriös zur Verfügung stellen können, aufbrauchen wird.

Ich finde auch, dass das im Sinne der Eltern ist. Die Gespräche, die ich führe, die Veranstaltungen, in denen ich bisher war, sind immer davon getragen, dass die Eltern sagen, wenn die Qualität in den Einrichtungen stimmt, wenn der Personalschlüssel - das habe ich eben gesagt, in welcher Weise er verbessert werden soll - verbessert wird, sind wir auch bereit, uns finanziell zu beteiligen. Deswegen werden wir als Koalitionsfraktion zuerst an der Qualität arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie aber versprechen, alles zu tun, alles zu wollen, alles zu machen, Qualitätsverbesserung und Beitragsfreiheit. Der Kollege Krull hat ausgeführt, dass dabei unter dem Strich die Verdoppelung der Landesmittel bis 2021 ansteht. Ich meine, das ist noch sehr knapp kalkuliert.

Beginnend sind die Kosten für Ihre Ausweitung der Entlastung von Mehrkindfamilien auch noch einzubeziehen. Das haben Sie, soweit ich das gesehen habe, in dieser Rechnung noch gar nicht mit berücksichtigt. Auch die jährlichen Tarifsteigerungen von mindestens 1,5 % haben Sie in dieser Rechnung nicht mit enthalten. Das muss auch noch veranschlagt werden.

Wenn Sie das alles zusammennehmen und sich den Einzelplan 05 ansehen, finde ich, ist das eine große Hausnummer.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Müssen Sie auch nicht!)

Auch die Anpassung der Landesförderung an die durchschnittliche Betreuungsdauer wird ausgespart. Das macht Ihr Gesetz - ich will jetzt nicht sagen unredlich - schon an einigen Stellen zur Luftnummer, die nicht gefüllt wird.

In der Gesamtbetrachtung kommen noch Kosten hinzu, die Sie nicht einpreisen. Daher reden wir von einem Haushaltsansatz für 2021, der deutlich über 575 Millionen € liegen wird. Ich sage, er wird deutlich über 600 Millionen € liegen.

Abgesehen von dieser finanziellen Frage ist für mich auch die Systematik der Abschmelzung der Elternbeiträge problematisch. Es findet sich zum einen die Festlegung, dass Elternbeiträge ab 2022 ausgeschlossen sind, und es findet sich die Regelung, die im System befindlichen schätzungsweise 160 Millionen € an Elternbeiträgen in fünf Chargen abzuschmelzen. Ob das tatsächlich 160 Millionen € sind oder ob es wesentlich mehr sind - ich traue mir das nicht zu, das tatsächlich zu sagen. Das finde ich mutig, hier so eine Setzung zu machen.

Und wer sagt denn, dass diese Summe konstant bleibt? - In der Zeit, in der Sie das Abschmelzen vornehmen, steigen ja auch wieder die Elternbeiträge. Wissen Sie, was ich meine?

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

- Ja, aber Sie wissen es nicht. Sie können es nicht sagen.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Insofern ist es eine Rechnung, finde ich, die nicht seriös ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von André Poggenburg, AfD)

Was ich in Ihrem Gesetzentwurf auch vermisse, was ich zumindest nicht gefunden habe - das können Sie ja in Ihrem Schlussbeitrag noch einmal erklären -, ist, durch welchen Mechanismus Sie garantieren wollen, dass die Finanzierungsanteile von Land und Landkreisen ab 2022 wirklich 100 % ergeben.

Was passiert denn, wenn die Gesamtsumme der Elternbeiträge im Jahr 2021 zum Beispiel bei 50 Millionen € liegt, das Abschmelzen um 32 Millionen € in diesem Jahr also zu einem Restbetrag in diesem Beispiel von 18 Millionen € führen würde? - Das sind doch alles Unwägbarkeiten. Und Sie versprechen den Leuten Beitragsfreiheit in fünf Jahren!

Ich gehe davon aus, dass wir - und das ist für mich seriös - das Gerichtsurteil zur Kenntnis nehmen werden, die zweite Stufe der Evaluierung zur Kenntnis genehmen werden, dass wir den Gesetzentwurf der Koalition breit debattieren werden. Darin sind wir uns sehr einig, und ich kann nur noch einmal das wiederholen, was der Kollege Krull gesagt hat. Das habe ich im Übrigen schon von Anfang an gesagt. Denn all das, was wir inhaltlich vorhaben, ist einer breiten Debatte würdig, und wir wollen eine breite Debatte.

Wir wollen im Zweifel tatsächlich in zwei Schritten vorgehen, damit wir wirklich ein KiFöG vorlegen, das dann auch länger als die nächsten fünf Jahre Bestand hat. Wir wollen tatsächlich bis zum Jahresende das tun, was das Verfassungsgericht verlangt, und danach in einer zweiten Stufe, Anfang des darauf folgenden Jahres im Zweifel - denn auch hierbei geht Seriosität vor Schnelligkeit -, ein neues, vollständiges KiFöG in diesem Lande haben. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Knöchel, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Frau Kollegin Lüddemann, nicht dass ich es unvernünftig fände, dass wir uns die Zeit nehmen, das zu diskutieren, was zu diskutieren ist. Ich weise nur darauf hin, dass Sie und Ihre Koalition bereits zu Beginn dieses Jahres beschlossen haben, den Ansatz für das Kinderförderungsgesetz im Jahr 2018 gegenüber dem Ansatz des Jahres 2017 deutlich abzusenken. Das heißt, Sie müssen diese Frage auf jeden Fall regeln. Auch dabei geht es um ein paar Millionen Euro. Das heißt also, Sie müssen zumindest bis 31. Dezember die Frage beantwortet haben: Wie geht die Finanzierung des bestehenden Gesetzes weiter? - Denn Sie haben mit Ihren Koalitionspartnern in den Haushalt geschrieben, Sie wollen im nächsten Jahr an den Kindern sparen.

Das ist uns alles bewusst, und es wird auch nicht besser, wenn Sie jetzt alle Redner der Koalition immer wieder das Gleiche fragen. Wir werden hier etwas vorlegen, dann werden wir das debattieren und beschließen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Besser wird es nicht, aber eine Antwort haben Sie auch nicht.

Frau Hohmann, Sie haben das Wort.

Frau Lüddemann, nur eine ganz kurze Frage hätte ich noch. Wir haben eben von Ihrem Koalitionspartner gehört, dass der Gesetzentwurf im Herbst von der Koalition eingebracht werden wird, also im Oktober, und Sie möchten das auf breiten Schultern diskutieren.

Wenn doch das Landesverfassungsgerichtsurteil zum 31. Dezember umgesetzt werden soll, dann würde mich einmal interessieren, welche Maßnahmen Sie dann vorhaben. Mit wem wollen Sie es denn breit diskutieren? - Denn die Zeit, die uns dann bleibt, ist ja relativ kurz. Wenn wir dann auch noch Anhörungen in den Ausschüssen machen wollen, dann würde mich doch einmal interessieren, was Sie unter „breit diskutieren“ verstehen.

Liebe Kollegin Hohmann, wir hatten das jetzt mehrmals. Dann erkläre ich es zum dritten Mal. Der Kollege Krull hat es erklärt und ich habe es eben erwähnt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Und die Minis- terin!)

Ich kann es jetzt gern noch einmal sagen.

Man kann ein zweigeteiltes Verfahren machen. Man kann den Teil, den das Landesverfassungsgericht verlangt, abtrennen von dem großen Teil der inhaltlichen Verbesserungen. Ich finde es verständlich, dass wir bei einer Frage, an der das gesamte Land ein hohes Interesse hat, auch eine breite Beteiligung organisieren. Das steht doch völlig außer Frage. Aber man kann das doch in zwei Schritten machen.

(Zuruf von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Wo steht denn geschrieben, dass das alles in einem Ritt durchgepeitscht werden muss? - Das heißt doch nicht, dass wir all das im Oktober hier komplett einbringen, es im November im Ausschuss haben und im Dezember haben wir hier das komplette Kinderförderungsgesetz neu gestrickt. Das habe ich nie irgendwo versprochen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Aber im Januar haben Sie weniger Geld! - Monika Hoh- mann, DIE LINKE: Offenes Ende! Das kann auch 2019 oder 2020 sein!)

Da ich keine weiteren Wortmeldungen mehr sehe, ist dieser Debattenbeitrag beendet. Bevor für die

SPD-Fraktion Frau Dr. Späthe redet, möchte ich Damen und Herren des Vereins Demokratie, Debatte und Politik aus Raguhn begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auf der Veranstaltung der GEW im Magdeburger Gewerkschaftshaus am 11. Mai kündigte DIE LINKE an, einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Kinderförderungsgesetzes in der Schublade zu haben, und sie wurde von den Vertretern der GEW dafür sehr gelobt. Herr Krull, Frau Lüddemann, wir haben es erlebt. Sie wurde sehr gelobt, weil wir, die Vertreter der Koalition, im Gegensatz dazu betonten, wir wollen die Novellierung auf der Basis und entsprechend den Evaluierungsergebnissen und nicht vor dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vornehmen.