Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Wir verbinden mit den neuen Instrumenten der Teilhabe am Arbeitsleben große Erwartungen in Bezug auf die Förderung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen bei der Wahl ihrer Beschäftigungs- bzw. Arbeitsstelle. Entscheidend wird sein, ob der allgemeine Arbeitsmarkt bereit ist, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies hängt nicht nur von der finanziellen Unterstützung, sondern auch von dem Bewusstsein und der Offenheit der Arbeitgeber in unserem Land für die Potenziale und Leistungen von Menschen mit Behinderungen ab.

An dieser Stelle bestehen noch erhebliche Herausforderungen, denen wir uns gern gemeinsam mit den Akteuren auf der örtlichen Ebene widmen werden. Hierbei haben auch die von uns geförderten örtlichen Teilhabemanager, die in den Landkreisen und kreisfreien Städten angesiedelt worden sind, eine wichtige Aufgabe. Aber auch die Integrationsfachdienste leisten im Auftrag des Integrationsamtes des Landes eine wichtige Unterstützung zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie werden in die Umsetzung des Budgets für Arbeit eingebunden sein.

Für die Beschäftigten in den Werkstätten hat das Bundesteilhabegesetz die Möglichkeiten der Mitwirkung deutlich verbessert. Diese neuen Mitwirkungsregelungen sind bereits im Jahr 2017 in Kraft getreten. Wir sind mit den Trägern der Werkstätten im intensiven Austausch über die Aufgaben der Werkstattsräte und hinsichtlich der Wahl von Frauenbeauftragten.

Frauenbeauftragte werden in den Werkstätten im Herbst dieses Jahres gewählt. Wir sind bereit, die Schulungen der Frauenbeauftragten mit einem

Angebot konkret zu unterstützen. Die Vorbereitungen hierzu laufen derzeit, und wir hoffen, diesen Antrag noch in diesem Jahr umsetzen zu können.

Es gibt für Schulungen von Frauenbeauftragten in den Werkstätten Anbieter, die in die entsprechenden Interessenbekundungsverfahren einbezogen werden können. Dazu gehört etwa auch das Weibernetz e. V. in Kassel, das über eine umfangreiche Expertise auf diesem Gebiet verfügt und auch schon für den Bund und andere Länder tätig geworden ist.

Damit die Frauenbeauftragten in den Werkstätten ihre Aufgaben wahrnehmen können, sind Schulungen ausgesprochen wichtig und hilfreich. Die Schulungen müssen dabei auf die besonderen Belange der in den Werkstätten beschäftigten Frauen mit Behinderungen eingehen. Hierzu wollen auch wir unseren Beitrag leisten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Erstellung der Rahmenverträge zur Erbringung der Leistungen der neuen Eingliederungshilfe werden wir uns ab dem kommenden Jahr intensiv widmen, um diese rechtzeitig für das Jahr 2020, zu dem die neuen Regelungen des Bundesteilhabegesetzes hierzu in Kraft treten, unterzeichnen zu können. Nach § 131 SGB IX, welcher im Jahr 2018 in Kraft tritt, wirken die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung der Rahmenverträge und deren Beschlussfassung mit. Dies dient der Partizipation von Menschen mit Behinderungen an den für sie besonders bedeutsamen Prozessen. Diese Beteiligung werden wir sicherstellen.

Dasselbe gilt für die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe nach § 94 SGB IX, die ab dem Jahr 2020 zu bilden ist und in der auch Verbände für Menschen mit Behinderungen mitwirken.

Die Länder werden sich ab dem Jahr 2020 regelmäßig unter Beteiligung des Bundes zur Evidenzbeobachtung und zu einem Erfahrungsaustausch treffen. Die Erkenntnisse, die bei diesem Erfahrungsaustausch gewonnen werden, sollen nach § 94 Abs. 5 SGB IX die Grundlage für die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe sein. Ihnen wird somit vom Bundesgesetzgeber eine besondere fachpolitische Bedeutung beigemessen.

Der vorliegende Antrag belegt die große Bedeutung, die das Landesparlament der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zumisst, und ist Ausdruck der Wertschätzung für die Arbeit, die alle Akteure bei der Gestaltung der Teilhabestrukturen in unserem Land leisten und in Zukunft leisten werden. Ich kann Ihnen allen auch mit Blick auf den Änderungsantrag der LINKEN versichern, dass ich selbstverständlich in dem zuständigen

Ausschuss regelmäßig berichten werde. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Wortmeldungen für Anfragen. - Doch, Herr Lange. Das habe ich nicht gesehen. Sie haben das Wort, Herr Lange.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, das Land und seine Institutionen sind bei uns einer der größten Arbeitergeber. Was gedenkt denn die Landesregierung zu tun, damit Menschen mit Behinderungen auch beim Land oder in den Institutionen größere Chancen haben, beschäftigt zu werden?

Auf der Bundesebene ist es beispielsweise so geregelt - das habe ich mir sagen lassen -, dass dann, wenn Menschen mit Behinderungen mit Finanzmitteln Dritter finanziert werden können, was ja dann entsprechend mit dem Budget für Arbeit der Fall sein kann, die Institutionen sich selbst kw-Stellen schaffen können. Das müsste im Haushalt entsprechend geregelt werden. Planen Sie als Land eine solche Regelung?

Frau Ministerin, bitte.

Herr Abg. Lange, Sie haben mir schon in der letzten Plenarsitzung eine ähnliche Frage gestellt, als wir über einen Antrag zum Bundesteilhabegesetz gesprochen haben. Ich würde es besser finden, wenn wir zu einem so wichtigen Thema auf der Grundlage eines Selbstbefassungsantrages oder eines anderen Antrages einmal ausführlich sprechen könnten, weil ich dann nämlich über unser Haus eine Abfrage in den anderen Häusern starten und Ihnen eine gefestigte Auffassung der Landesregierung und nicht nur meine persönliche Meinung oder die meines Ressorts übermitteln könnte.

Diese Herausforderung nehmen wir sehr gerne an.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Jetzt sehe ich aber keine Anfrage mehr. - Wir steigen somit in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Als erster Debattenredner wird Herr Kirchner für die AfDFraktion sprechen. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Kollegen! Hohes Haus! Eine Ideologie als politisches Mittel auf dem Rücken von Menschen mit Behinderungen auszutragen ist ein Weg, den man niemals gehen sollte. Bei dem vorliegenden Antrag der Kenia-Koalition ist diese Ideologie zum Glück nur zu einem sehr geringen Teil zu erkennen.

Ich erinnere an den 25. November 2016, Landtagssitzung, Tagesordnungspunkt 17 „Ein klares Zeichen für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft setzen“, Ablehnung des aktuellen Gesetzentwurfs zum Bundesteilhabegesetz im Bundesrat, Antrag DIE LINKE - Drs. 7/587, Jastimmen 36, Neinstimmen 41. Dort war diese Ideologie leider zu erkennen.

Dort hatte DIE LINKE vier eigene Abgeordnete bei der Abstimmung über ihren eigenen Antrag aus dem Plenarsaal geschickt, um mit der AfD-Fraktion nicht gemeinsam einen eigenen Antrag im Landtag von Sachsen-Anhalt erfolgreich durchzubringen. Das ist traurige Realität bei sogenannten parlamentarischen Gepflogenheiten, die zumindest ich nie verstehen werde, wenn es um das Wohl von Menschen mit Behinderungen geht.

Es sollte unser gemeinsames Ziel sein, sicherzustellen, dass Verbände der Menschen mit Behinderungen bei der Erstellung des Landesrahmenvertrages beteiligt werden und ordentliche Mitglieder in der AG Strukturentwicklung werden. Eine Berichterstattung im zuständigen Ausschuss für Behindertenpolitik über die Beratungen der Länder und den Erfahrungsaustausch zum Beispiel über die Wirkung der Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis und der neuen Leistungen und Leistungsstrukturen ist ebenso sicherzustellen. Dem Motto der Behindertenbewegung „Nichts über uns ohne uns!“ sollte die Landesregierung - ich denke, das wird sie auch tun - konsequent folgen und die Mitwirkung der Verbände hierbei ermöglichen.

Zum Thema Gender haben wir natürlich eine etwas andere Auffassung. Für uns zählt allein der Mensch und nicht die Ideologie.

Dass die ursprünglich angedachte Fünf-von-neunRegelung hinsichtlich der grundsätzlichen Anspruchsberechtigung bei der Eingliederungshilfe revidiert wurde, ist absolut zu begrüßen. Über mögliche Neuregelungen sollte regelmäßig im zuständigen Ausschuss berichtet werden, sodass auch der Landtag immer auf dem neuesten Stand ist. Dafür ist natürlich auch der Änderungsantrag der LINKEN sehr dienlich.

Die Möglichkeit für Anspruchsberechtigte, in Sachsen-Anhalt ab Anfang 2018 ein Budget für Arbeit zu nutzen, begrüßt die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt ausdrücklich. Diese

umfassende Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz sowie die frühestmögliche Nutzung dieser Leistungsform im Sinne eines inklusiven Arbeitsmarktes sind meiner Meinung nach sehr zu befürworten.

Alles in allem begrüßen wir eine garantierte Mitbestimmung sowie eine geförderte Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen und sind sehr dankbar für diesen Antrag der Koalition. Ich schließe mit Wilhelm von Humboldt:

„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Kirchner. Ich sehe keine Wortmeldungen für Anfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die CDU spricht der Abg. Herr Krull. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesteilhabegesetz gehört zweifelsohne zu den größten sozialpolitischen Gesetzgebungen der zu Ende gehenden Wahlperiode im Deutschen Bundestag. Mit seinen zahlreichen Änderungen und Verbesserungen hat es den Fokus auf die Menschen mit Behinderungen gelegt. Bei allen Diskussionen, die zu einzelnen Punkten geführt worden sind, betrachten es doch alle Akteure als ein insgesamt richtiges und wichtiges Maßnahmenpaket.

Herr Kirchner, ich darf Sie daran erinnern, dass die damals geäußerte Kritik zum Bundesteilhabegesetz im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch aufgegriffen worden ist. Ich würde mir wünschen, dass die Vertreter der AfD vielleicht in der einen oder anderen Runde auch einmal mit Behinderten ins Gespräch kommen. Da sind sie meistens leider nicht anwesend, zum Beispiel im Landesbehindertenbeirat.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN - Beifall bei der LINKEN - André Poggenburg, AfD: In Ihren Runden!)

Das Bundesteilhabegesetz war bereits mehrfach Thema im Landtag. Ich erinnere an den Antrag „Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den kommunalen Verwaltungen Sachsen-Anhalts“,

den wir am 21. Juni dieses Jahres auch so beschlossen haben. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen das Bundesteilhabegesetz auch auf Landesebene mit Leben erfüllen und entsprechende Regelungen treffen.

Mit dem folgenden Antragstitel „Bundesteilhabegesetz im Sinne der Menschen mit Behinderungen umsetzen. Mitbestimmung garantieren.

Selbstbestimmung fördern“ wollen wir weitere Aspekte beleuchten. „Nicht ohne uns über uns“, diese Forderung der Behindertenverbände klang heute schon mehrfach an, wenn es darum geht, wie die Regelungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden sollen.

Meine Damen und Herren! Die Forderung der Verbände an dieser Stelle ist völlig berechtigt. Deshalb möchten die Unterzeichner des Antrags, dass die Verbände der Menschen mit Behinderung, wie der Allgemeine Behindertenverband Sachsen-Anhalt, an der Erstellung des Landesrahmenvertrages beteiligt sowie ordentliche Mitglieder in der AG Strukturentwicklung werden. Sie sind Experten in eigener Sache und werden sicher wichtige Aspekte und die Blickwinkel der Betroffenen intensiv in die entsprechenden Diskussionen einbringen.

Neu ist die Funktion der Frauenbeauftragten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die mit der Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung zum 1. Januar 2017 geschaffen wurden. Besonders für Frauen in Werkstätten ist es wichtig, eine starke Vertretung für ihre Interessen zu haben. Das bedeutet die Gleichstellung von Frauen und Männern, die bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben und der Schutz vor Gewalt.

Zum letztgenannten Punkt gab es eine Fachtagung, die heute bereits erwähnt worden ist. Die Frauenbeauftragten haben nicht nur regelmäßig Kontakt mit den Werkstattleitungen, sondern bieten auch Sprechstunden an und haben bei Entscheidungen, die Frauen betreffen, ein Mitwirkungsrecht.

Um diese Möglichkeiten wahrzunehmen, brauchen sie entsprechende Schulungsangebote, für die sie gemäß Verordnung auch freigestellt werden können. Wie das Angebot des Vereins Weibernetz e. V. können sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die entsprechenden Schulungen durchzuführen, damit das notwendige Fachwissen vorhanden ist, um diese Funktionen auszuüben.

Das Budget für Arbeit findet sich bereits in unserem Koalitionsvertrag; auch das klang schon mehrfach an. Wir wollen damit Menschen mit Behinderung die Chance geben, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu suchen, soweit sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und die Rahmenbedingungen stimmen.

Dabei geht es darum, dass die Kosten, die bisher für den Platz in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung angefallen sind, auch für andere Formen, also für den ersten Arbeitsmarkt zur Ver

fügung stehen, zum Beispiel, das klang an, als Zuschuss für den Arbeitgeber oder zur Beschäftigung einer Assistenz am Arbeitsplatz. Auch das ist eine Möglichkeit.

Es handelt sich um eine sinnvolle Ergänzung zum Ansatz der Integrationsbetriebe, die sich aus unserer Sicht zu einem echten Erfolgsmodell in Sachsen-Anhalt entwickelt haben. Das Budget für Arbeit muss den möglichen Leistungsberechtigten bekannt sein, und diese müssen darüber entsprechende Informationen haben. Hier gibt es noch Defizite. Dabei stellen wir die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen selbstverständlich nicht grundsätzlich in Zweifel. Wir sind dankbar für die wertvolle Arbeit, die dort geleistet wird.

Mit dem letzten Beschlusspunkt möchten die Antragssteller noch einmal zum Ausdruck bringen, dass sie eine regelmäßige Information zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in SachsenAnhalt selbst und in den anderen Bundesländern wünschen. Das Thema, wie Teilhabe von Menschen mit Behinderung gewährleistet werden kann, muss bei uns immer wieder auf der politischen Agenda stehen.