Protokoll der Sitzung vom 24.11.2017

Anstatt dieses Urteil zum Anlass zu nehmen, um endlich gesichtswahrend aus dem vermaledeiten Bologna-Prozess auszusteigen, haben die Landesregierungen in ihrem unergründlichen Starrsinn das Akkreditierungsverfahren nur so weit umstrukturiert, dass es mit Ach und Krach den Vorgaben des Urteils entspricht.

Besonders ärgerlich ist, dass das neue Akkreditierungsverfahren in Artikel 8 des Gesetzes förmlich auf die Genderideologie verpflichtet wird. Sie wollen an der Ökonomisierung, an der Verschulung, an der internationalen Nivellierung des Studiums in Deutschland festhalten, und genau dagegen kämpft die AfD mit aller Kraft. Dagegen haben wir uns sogar gegründet. Die Forderung nach der Rückabwicklung des Bologna-Prozesses war eine unserer Gründungsforderungen im Februar 2013.

Seien Sie versichert: Wir werden an dieser Forderung festhalten und sie so lange erneuern, bis dieser Angriff auf die deutsche Universität abgewehrt ist. Diesen Tag werden wir noch erleben.

(Beifall bei der AfD)

Selbstverständlich lehnen wir die Zustimmung zu diesem Staatsvertrag ab. Uns würde eher die Hand abfaulen, als dass wir sie zum Zeichen der Zustimmung zu diesem Staatsvertrag erheben.

(Beifall bei der AfD - Minister Marco Tullner: Dann zeigen Sie mal Ihre Hände, Herr Till- schneider!)

Für die SPD-Fraktion spricht nunmehr die Abg. Frau Dr. Pähle.

Doch vorher können wir auf unserer Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule der Völkerfreundschaft Köthen begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen. Herr Tillschneider, Sie haben von Hochschulfreiheit so gar keine Ahnung.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

In jeder Ihrer Reden strotzt hervor, dass Ihre Hochschule die Hochschule des 19. Jahrhunderts ist. Bleiben Sie in Ihrer Zeit verhaften, die Uhren haben sich aber weitergedreht.

Ein wichtiger Maßstab auch beim Akkreditierungsverfahren ist beispielsweise die Überprüfung der Studierbarkeit, also Studienprogramme daraufhin abzuklopfen, ob sie überhaupt zu leisten sind. Das ist ein großer Gewinn, weil nämlich gelegentlich auch gute alte Professoren irgendwelche Programme geschrieben haben, die letztlich gar nicht abgestimmt waren, sodass die Studierenden automatisch in den Studienabbruch getrieben wurden.

Geben Sie es doch einfach zu, dass sich die Zeiten weitergedreht haben und Sie einfach das Aufspringen verpasst haben. Bleiben Sie einfach im 19. Jahrhundert sitzen. Ich glaube, das würde uns viele überflüssige Diskussionen ersparen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Tillschneider, Frage oder Intervention?

Intervention. - Von der Studierbarkeit kann ich Ihnen ein Wörtchen erzählen. In mehr als einem Fall musste ich den Nachweis der Studierbarkeit von Bachelor- und Masterprogrammen erbringen. Das war der größte bürokratische Unsinn, den man sich nur vorstellen kann.

Man musste diese Studienpläne mit den entsprechenden Modulen entwickeln. Es wurde das Arbeitsvolumen eines Studenten bürokratisch unter Annahme einer Vierzigstundenwoche berechnet. Das ist schon einmal ein großer Blödsinn; denn ein Student soll 60 bis 70 oder sogar 80 Stunden studieren und nicht nur 40. Aber man sagt, der

Student ist wie ein Angestellter im öffentlichen Dienst mit einer Vierzigstundenwoche zu betrachten. Workload heißt das Neudeutsch. Dann hieß es, es darf pro Semester ein gewisses Quantum an Studienbelastungen nicht überschritten werden, was aber auch Unsinn ist. Denn ein Student - manchmal arbeiten sie nebenbei - arbeitet manchmal mehr und manchmal weniger.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nach den 60, 70 Stunden!)

Wenn der Student mehr studieren muss, dann arbeitet er weniger, wenn er weniger studieren muss, arbeitet er mehr. Die Studenten können das ausgleichen. Aber man musste den Nachweis rein rechnerisch erbringen,

(Unruhe)

dass pro Semester 30, glaube ich, SWS nicht überstiegen werden. Das war einfach nur eine Papierarbeit. Das war einfach nur großer Blödsinn.

Man musste die Module von einem Semester in das andere schieben und von dem Semester wieder in ein anderes, damit es irgendwie klappt und es ausgeglichen aussieht, aber das war alles fernab des Lebens. Das war eine reine Papierarbeit - umsonst, völlig umsonst, weil die Studenten sowieso völlig unabhängig davon studieren.

(Zustimmung bei der AfD - Unruhe)

Ich sehe bei Frau Dr. Pähle keinen Bedarf, darauf zu reagieren. - Jetzt kriegen wir uns alle wieder ein. Wir gehen weiter in der Debatte. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Lange. Herr Lange, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich finde, Herr Tillschneider hat eindrucksvoll unterstrichen, was Frau Pähle gesagt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das vorausgeschickt, will ich jetzt allerdings auch sagen, dass ich nicht unbedingt der große Freund des Akkreditierungssystems bin. Das hat aber andere Gründe als die, die Herr Tillschneider angeführt hat.

Das Akkreditierungssystem ist nämlich Ausdruck der Ideologie des New Public Managements gewesen. Dem ging die Idee voraus, dass die Prüfungsverfahren der Ministerien - es war übrigens nicht so, dass die Hochschulen das selbst entscheiden konnten; vielmehr ist es durch das Ministerium genehmigt worden - durch privat organisierte Akkreditierungsagenturen ersetzt werden. Das war etwas, was wir durchaus zu kritisieren hatten, zumal das teuer geworden ist; bis zu

15 000 € pro Studiengang können dafür schon anfallen. Damit könnte ein Ministerialbeamter glatt zwei Monate arbeiten und mehrere Studiengänge prüfen.

Von daher stellt sich die Frage, ob es besser geworden ist. Natürlich ist das Peer-Review-Verfahren ein bewährtes Verfahren in der Wissenschaft, aber wir finden, dass die Studierenden an dieser Stelle immer noch unterrepräsentiert sind; denn sie legen oft den Finger in die Wunde, wenn es um die Studierbarkeit geht. Dies sind nicht die anderen Statusgruppen, sondern es sind die Studierenden. Sie werden in dem sogenannten studentischen Pool ausgebildet. Man könnte anderen Statusgruppen auch einmal zumuten, sich für die Akkreditierung ausbilden zu lassen.

Es gab vorher übrigens auch schon nicht gut organisierte Studiengänge, und es gibt sie auch heute mit der Akkreditierung noch. Von daher ist es schwierig.

Ein Wermutstropfen - die Ministerin hat es angesprochen - ist die Musterverordnung. Diesbezüglich gab es Diskussionen darüber, ob man eine sogenannte Lehrverfassung einbezieht. Das wäre für die Systemakkreditierungen wichtig gewesen, die sehr oft angestrebt werden, gerade von den großen Hochschulen. Die Uni Halle will das auch gern machen. Das hätte die Debatte um den Stellenwert der Lehre an den Hochschulen angestoßen. Durch eine Lehrverfassung hätte ein Gesellschaftsvertrag einer Hochschule entstehen können.

Wir sollten uns dringend mit den Positionen des Wissenschaftsrates „Strategien für die Hochschullehre“ befassen. Darin ist das verankert. Wir sollten die Mindeststandards der Akkreditierung weiterentwickeln und darauf achten, dass wir diese Mindeststandards um etwas erweitern, was positiver für unsere Lehrer in Sachsen-Anhalt sein kann.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Moment kein anderes System der Qualitätskontrolle. Wir werden uns deswegen an dieser Stelle der Stimme enthalten. Wir sagen allerdings auch, dass dies nicht das Ende dessen ist, was man sich mit Blick auf den Umgang mit der Qualität an der Hochschule vorstellen kann. Deswegen setzen wir darauf, dass das weiterentwickelt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Farle hat eine Frage bzw. eine Intervention. Deswegen hat er jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als jemand, der in diesem

Jahrhundert studiert hat, nämlich bis zum Jahr 2006 - das war mein zweites Staatsexamen in Jura, was ich im hohen Alter gemacht habe -, habe ich festgestellt, dass das, was man an der Uni lernt, eigentlich nicht mehr, sondern weniger geworden ist. Ich war teilweise schockiert über die Verhältnisse, die ich feststellen konnte.

Ich möchte ganz klipp und klar sagen, dass man meinem Kollegen Tillschneider, der immer noch im laufenden Lehrbetrieb und Universitätsbetrieb tätig ist, der seine Habilitation vorwärtstreibt, nicht auf eine solch primitive Art, wie Frau Dr. Pähle ihre Argumente vorgetragen hat, entgegentreten kann. Bringen Sie ein einziges Argument, das entkräftet, dass die fortschreitende Verschulung, die Entwissenschaftlichung - -

Herr Farle!

Bringen Sie ein einziges Argument, dass das sachlich entkräftet, und gehen Sie auf Argumente ein,

Herr Farle!

anstatt immer nur Phrasen vom vergangenen Jahrhundert zu dreschen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Farle! Wir machen das jetzt in dieser Landtagssitzung zum vierten Mal. Bitte reagieren Sie mit Interventionen auf den Redner. Das war in diesem Fall Herr Lange und nicht Frau Pähle. Wir haben das jetzt einige Mal durch, auch für Sie gelten Parlamentsregeln.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben jetzt nicht das Wort; wenn Sie das Wort haben wollen, dann kündigen Sie bitte eine persönliche Erklärung an und legen mir eine schriftliche Dokumentation vor.

(Robert Farle, AfD: Dazu haben Sie gar nicht das Recht!)

Sie müssen es mir ankündigen, und zwar schriftlich mit dem wesentlichen Inhalt.