Protokoll der Sitzung vom 24.11.2017

Unabhängig von den vorgetragenen Gründen für eine Akteneinsicht durch Vertreter des Parlaments gilt: Das Aktenvorlagebegehren muss in der von der Verfassung vorgesehenen Form geltend gemacht werden.

Das Recht auf Auskunftserteilung aus Strafakten und das Recht auf Akteneinsicht für andere öffentliche Stellen hat der Bundesgesetzgeber auf dem Feld der konkurrierenden Gesetzgebung in der Strafprozessordnung umfangreich geregelt. Er hat dabei in § 474 Abs. 6 abschließend bestimmt, dass landesgesetzliche Regelungen, die parlamentarischen Ausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, von dieser Regelung unberührt bleiben. Nur in diesem eng umgrenzten Regelbereich hat der Landesgesetzgeber eine Regelungskompetenz.

Artikel 53 Abs. 3 der Landesverfassung setzt das Verlangen eines Viertels der Mitglieder eines vom Landtag eingerichteten Ausschusses voraus.

Ein solches Vorlageverlangen kann nicht durch einen Beschluss des Plenums ersetzt werden. Nach den Gesetzgebungsmaterialien beruht der insoweit eindeutige Wortlaut des Artikels 53 Abs. 3 der Landesverfassung auf einer bewussten Entscheidung des Verfassungsgebers.

Ohne einen aus dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung heraus gestellten Antrag auf Aktenvorlage fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die mit der Vorlage verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich bitte darum, das im weiteren Verfahren zu berücksichtigen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe gleich mehrere Wortmeldungen, von Herrn Hövelmann und von - sie hatten sich bereits vorher gemeldet - Frau Quade und Frau von Angern. Ich würde aber aus jeder Fraktion einen zulassen. - Dann Frau Quade. Bitte.

Ich möchte eine Kurzintervention machen und eine Frage stellen. - Frau Ministerin, Sie haben es jetzt erneut geschafft, eine Rede zu diesem Thema zu halten und wirklich nichts zum Inhalt zu sagen. Das finde ich unfassbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Zweiten habe ich eine konkrete Frage an Sie, zu der ich Sie bitte, Stellung zu nehmen. Was gedenken Sie zu tun, um den immensen Vertrauensverlust, den die Justiz in Sachsen-Anhalt durch die zwölf Jahre gescheiterte Aufklärung eines solchen Todesfalles erfahren hat, abzuwenden?

(André Poggenburg, AfD: Vertrauensverlust gab es doch gar nicht! - Robert Farle, AfD: Unverschämtheit!)

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen?

Frau Keding.

(Zurufe von der AfD: Ich habe Vertrauen in die Justiz! - Ich auch!)

Ich habe bereits geschildert, welche Methoden und welche Selbstüberprüfungsmechanismen die Strafprozessordnung für solche Fälle vorsieht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hövelmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass für die Vorlage von Akten ein Beschluss eines Ausschusses des Parlaments notwendig ist. Ich frage Sie: Sind Sie ernsthaft der Auffassung, dass ein Arbeitsgremium des Parlaments mehr Rechte hat als das Parlament selbst?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich halte es in der Tat für eine erstaunliche Rechtslage, die sich hier ergibt, jedenfalls auf den ersten Blick erstaunlich.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Ich kann ja nur darauf Bezug nehmen, wie die Gesetzeslage ist. Selbstverständlich halte ich es für unbenommen, dass das Plenum einen solchen Beschluss fasst. Ich bin für eine solche Aktenvorlage allerdings darauf angewiesen, dass der Ausschuss einen solchen Beschluss fasst,

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

aufgrund der in der Strafprozessordnung und auch in dem Wortlaut der Landesverfassung niedergelegten Verfahren.

Wenn Sie sich die Protokolle aus den Jahren 1991 und 1992 ansehen, die zu dieser Regelung in der Landesverfassung geführt haben, dann werden Sie sehen, dass sich die Ausschüsse und das Parlament auch mit genau diesen Fragen auseinandergesetzt haben und deswegen zu dieser Regelung in Artikel 53 Abs. 3 der Landesverfassung gefunden haben.

Von daher stelle ich fest, dass das eine erstaunliche und auf den ersten Blick nicht eingängige Regelung ist, die sich aber im Gesetz, in der Strafprozessordnung und in der Landesverfassung findet.

Darüber hinaus - das kommt noch hinzu - brauche ich auch eine Berechtigung, um diesem Aktenvorlageverlangen zu entsprechen. Ich bin nicht nur verpflichtet, sondern ich muss auch berechtigt sein. Und ich bin eben nicht berechtigt, dieses nach einem Beschluss des Landtages zu tun, jedenfalls nach dem, wie sich uns im Augenblick in der Rechtslage darstellt.

Das scheint offensichtlich doch noch Interesse zu fördern; denn Frau Frederking hat sich jetzt gemeldet.

Frau Ministerin, was heißt das dann in der Konsequenz, wenn der Landtag dem Antrag hier zustimmt, so wie er vorliegt? Würde das dann bedeuten, dass Sie der Herausgabe der Akten doch nicht zustimmen bzw. dass der Herausgabe der Akten nicht zugestimmt wird?

Ich habe schon ausgeführt, dass ich darum bitte, diese Rechtslage im weiteren Verfahren zu berücksichtigen. Ich habe darum gebeten, dies zu berücksichtigen. Es wäre sehr viel leichter - ich kann dem dann entsprechen -, wenn ein Ausschuss - in diesem Fall wäre es der Rechtsausschuss - ein entsprechendes Aktenvorlageverlangen erhebt.

Ansonsten müssten wir uns hier wahrscheinlich - so wie ich Ihre Reaktion sehe - darüber noch einmal sehr intensiv Gedanken machen, welche Auffassung bezüglich der Rechtslage, die Sie ja nicht so sehen, wie ich sie sehe, die richtige ist. Wobei ich glaube, dass die Herleitung für die von mir vertretene Auffassung, auch im Hinblick darauf, was die StPO regelt, eindeutig ist.

Ich glaube, es ginge schneller - und dieses Verlangen habe ich auch vernommen -, wenn der Ausschuss am 8. Dezember 2017 einen entsprechenden Beschluss fassen könnte und würde.

Jetzt hat Herr Farle sich noch gemeldet. Er hat das Wort.

Ich gehe davon aus, dass die Frau Justizministerin hier insofern wahrheitsgemäß Auskunft erteilt

hat, als im Wortlaut der von ihr angeführten Normen - ich wiederhole: im Wortlaut der angeführten Normen - die Regelung enthalten ist, dass der zuständige Ausschuss einen solchen Beschluss fassen müsste. - Sie nicken, Frau Ministerin.

Wenn das der Fall ist, dann kann ich Ihnen - ich kenne nicht die damalige Debatte, als das so beschlossen wurde - eine Begründung dafür liefern, die ganz einfach darin besteht, dass in dem zuständigen Ausschuss eines Parlaments die Leute sitzen müssen, die bei Recht, Verfassung usw. die entsprechende Sachkunde und Befassung mit den Themen haben. Es kann sehr wohl angebracht sein, nicht abhängig von Zufallsmehrheiten eines Parlaments über ein solches Verlangen entscheiden zu lassen, sondern eben von dem zuständigen Ausschuss.

Wenn das ausdrücklich im Wortlaut steht, dann ist das auch einer Interpretation überhaupt nicht zugänglich. Wenn Sie die Systematik von juristischer Auslegung kennen, dann wissen Sie, dass es teleologische, systematische, aber eben auch Wortlautauslegung gibt. Und an der Wortlautauslegung kommt man überhaupt nicht vorbei.

Wenn etwas ausdrücklich in einem Gesetz oder in einer verbindlichen Norm, wie es auch die Strafprozessordnung ist, geregelt ist, dann müssen Sie einen Beschluss in diesem zuständigen Ausschuss auch tatsächlich herbeiführen. Alles andere führt nämlich letztlich - seien Sie nicht böse, wenn ich das jetzt sage - zu einem Herumeiern und zu einer nicht mehr verfassungsgemäßen Anwendung unserer Rechtsnormen, die wir leider viel zu oft erleben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Wenn Sie wollen, können Sie dazu noch einmal Stellung nehmen, Frau Ministerin. Aus meiner Perspektive war das eine Intervention und keine Frage, die Sie beantworten müssten.

Wenn es möglich ist, würde ich gern

Sie dürfen.

ausdrücklich deutlich machen, dass ich einem Aktenvorlageverlangen auch Genüge tun will, aber es muss auf den richtigen Wegen erfolgen. Denn das sind strafprozessuale Akten; das sind keine Verwaltungsakten.

Die Staatsanwaltschaften sind Bestandteil der Justizbehörden und sie unterliegen eben mit der Strafprozessordnung auch besonderen Anforderungen und Vorschriften. Die Strafprozessordnung ist dort eindeutig und auch die Landesverfassung hat dies mit aufgenommen.

Danke. - Offensichtlich haben wir jetzt noch einmal eine Debatte über die Konsequenzen eines Antrages, der eventuell angenommen wird. Wir alle können Artikel 53 Abs. 3 der Landesverfassung lesen. Wir können hier allerdings keine verfassungsrechtliche Klärung herbeiführen. Das muss dann im Nachhinein passieren. - Danke.

Dann würden wir jetzt in die vereinbarte Dreiminutendebatte einsteigen. Für die SPD-Fraktion hat die Abg. Frau Schindler das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wiederhole zu Beginn meiner Rede meine Worte aus der Landtagssitzung im September 2017 zu dem Tagesordnungspunkt „Aufklärung im Todesermittlungsverfahren Oury Jalloh muss

vorangetrieben werden“. Ich sagte: Nicht nur meine Fraktion, sondern auch der gesamte Landtag hat seit dem Jahr 2005 mehrfach sein tiefes Bedauern über den tragischen Tod von Oury Jalloh ausgesprochen. Der Tod eines Menschen im Gewahrsam der Polizei ist nicht einfach hinnehmbar und beschämt weiterhin.

Alle bisherigen juristischen Aufklärungen, Urteile und Entscheidungen konnten die Umstände des Todes von Oury Jalloh nicht abschließend aufklären. Unser Rechtsstaat, auf dessen Boden wir stehen und den wir achten, stößt dabei aber auch an seine Grenzen.

Im September 2017 sagte ich auch, dass es der richtige Weg ist, im zuständigen Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung im Beisein der ermittelnden Staatsanwaltschaft über offene Fragen zum laufenden Verfahren zu beraten. Dies ist, wie von der Ministerin schon ausgeführt worden ist, am 10. November 2017 geschehen.

Generalstaatsanwalt Herr Jürgen Konrad und Leitende Oberstaatsanwältin Frau Heike Geyer haben umfangreich Auskunft über die verschiedenen Verfahren und die verschiedenen Entscheidungen im Fall Oury Jalloh gegeben. Im Ergebnis dieser so umfänglichen Beratung und auch zu dem Fakt der Übergabe des Verfahrens von Dessau nach Halle entschieden die Koalitionsfraktionen, dass es für die Notwendigkeit einer Akteneinsicht keinen Anhaltspunkt mehr gibt.