Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Projekte, die kein Bestandteil des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schulen im Sinne des Runderlasses des MK vom 1. Juni 2013

Nr. 34/82112 sind, werden eben nicht gefördert. Welche Auswirkungen das jetzt schon hat, zeigt folgendes Beispiel:

Die Kreisverkehrswacht Oschersleben im Bördekreis e. V. führte laut Mobilitäts- und Ergebnisreport 2017 19 Projekte „Kinder aktiv im Straßenverkehr“ für 1 150 Kinder durch. Diese könnten mit Mitteln für die Jugendverkehrsschulen weiterhin angeboten werden, auch wenn der Fördersatz für mobile Verkehrserziehung mit 40 Cent pro teilnehmenden Grundschüler je Stunde die Kosten nicht deckt.

Alle anderen Projekte, die von der Kreisverkehrswacht durchgeführt wurden, wie zum Beispiel die Projekte „Fahrrad“ für 920 Teilnehmer, „Aktion junge Fahrer“ für 2 600 Jugendliche, „Mobil bleiben“ für Senioren und „Verkehrsteilnehmer mit Handicap“ für 270 Menschen mit Behinderung, würden dann nicht mehr geleistet werden können.

Aufgrund der fehlenden Unterstützung, auch aufgrund der fehlenden Unterstützung des Landes ist die Kreisverkehrswacht Oschersleben e. V. finan

ziell und personell nicht mehr in der Lage, den Verkehrsgarten in Völpke zu tragen. Nun stehen Kreisverkehrswacht und Gemeinde vor der Entscheidung, den Verkehrsgarten komplett aufzugeben oder ihn mit allen Kosten auf die Gemeinde zu übertragen, die aber finanziell auch nicht besonders gut dasteht.

Kitas und Grundschulen im gesamten Umkreis befürchten, dass die ganz jungen Verkehrsteilnehmer nun nicht mehr, wie in den vergangenen 40 Jahren, das sichere Verhalten im Straßenverkehr in Theorie und Praxis in einem geschützten Verkehrsgebiet erlernen können.

Stellen Sie sich bitte ein großes Gelände mit Straßen, Fahrradwegen, Zebrastreifen und Ampeln vor, das im schlimmsten Fall zuwächst und verwildert, nur weil das Benzin für den Rasenmäher einfach nicht mehr finanziert werden kann.

Auch von der Gebietsverkehrswacht Oranienbaum im Landkreis Wittenberg e. V., der einzigen noch bestehenden Verkehrswacht im gesamten Landkreis, kommt ein Hilferuf, weil auch sie ohne institutionelle Förderung ausfallgefährdet ist.

Auf die Frage zur Jahreshauptversammlung 2016 der Verkehrswachten „Wie schätzen Sie die Zukunft der örtlichen Verkehrswachten in SachsenAnhalt ein?“ kamen unter anderem folgende Antworten - ich zitiere -: Problematisch, wenn die Politik keine personell als auch materiell verbindlichen Standards für unsere Arbeit schafft. Schlecht, wenn Wertschätzung und Unterstützung durch das Land, den Landkreis und die Kommunen nicht besser wird. Und sinkendes Interesse bei Mitgliedern und bei der Bevölkerung, wenn Unterstützung durch Politik ausbleibt.

Selbst der Landesrechnungshof erklärt im Jahresbericht 2016 Teil 1 unter Umsetzung von Prüfungsbeanstandungen bei der Landesverkehrswacht - ich zitiere noch einmal -:

„Die Landesverkehrswacht und die örtlichen Verkehrswachten sind gemeinsam in Bundes- und Landesprojekten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit aktiv. Dafür ist ein hoher Arbeits-, Organisations- und Verwaltungsaufwand erforderlich, der alleine über das Ehrenamt nicht zu bewältigen und vom Verein allein nicht zu finanzieren ist.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein „Weiter so“ in der Verkehrssicherheitsarbeit wird dazu führen, dass insbesondere die ehrenamtliche Arbeit vor Ort nicht mehr geleistet werden kann. Wir reden hier über Tote und Schwerverletzte im Straßenverkehr.

Den Alternativantrag der Koalition, der in die richtige Richtung geht, aber nicht wirklich die Situation der örtlichen Verkehrswachten verbessern wird, werden wir nicht ablehnen. Dennoch bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, damit die

gesellschaftspolitisch herausragende Aufgabe

flächendeckend auch weiterhin erfüllt werden kann. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Hildebrandt. Es gibt eine Anfrage des Abg. Herrn Erben. Sie haben das Wort, Herr Erben.

Frau Kollegin Hildebrandt, ich weiß nicht, ob Sie Mitglied einer örtlichen Verkehrswacht sind; ich bin es.

(Oliver Kirchner, AfD: Auch noch!)

Sie haben hier ein sehr dunkles Bild über die Situation in den örtlichen Verkehrswachten gezeichnet. Sie haben dabei aber nicht differenziert. Ist Ihnen bekannt, dass beispielsweise im Burgenlandkreis jede der drei örtlichen Verkehrswachten mit einer institutionellen Förderung von 5 000 € pro Jahr ausgestattet wird?

Herr Erben, das ist mir bekannt. Unsere örtlichen Kreisverkehrswachten erhalten vom Landkreis Börde auch 5 000 €. Wenn Sie das KVG ändern, besonders den § 98 Abs. 3, wird das nicht mehr möglich sein. Deswegen wird das düstere Bild auch in den Kreisen eintreten, in denen es jetzt noch einigermaßen geht.

(Beifall bei der LINKEN)

„Nicht mehr möglich sein wird“, das müssen Sie mir dann noch mal erklären.

Vielen Dank. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen, hat Herr Minister Webel das Wort. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir reden hier über ein wichtiges Thema, die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen, und vor allem auch über die ehrenamtliche Tätigkeit, die dazu beiträgt, den einen oder anderen Unfall und damit auch persönliches Leid zu verhindern.

Wir haben den Präsidenten, den Geschäftsführer der Landesverkehrswacht oben auf der Tribüne sitzen, und wir haben auch

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

mit Chris Schulenburg ein Mitglied des Vorstandes der Landesverkehrswacht unter uns.

Frau Hildebrandt, es ist so, wie es im Leben immer ist. Man kann mehr tun, als wir derzeit tun. Man kann mehr Geld bereitstellen, als wir es derzeit tun. Aber wir haben im Jahr 2011 für die Landesverkehrswacht 300 000 € bereitgestellt. Auch Ihnen, obwohl Sie dem Haushalt für das Jahr 2017/2018 nicht zugestimmt haben, sollte nicht entgangen sein, dass wir auch der Verkehrswacht in beiden Haushaltsjahren 550 000 € zur Verfügung stellen. Es könnte mehr sein; das wissen wir alle. Aber wir haben natürlich auch anderes zu finanzieren. Darüber brauche ich hier nicht zu referieren.

Sie haben einen Antrag geschrieben, in dem Sie uns zu vielen Maßnahmen auffordern. Das eine oder andere tun wir schon. Wir haben zum Beispiel ein Gremium, das uns berät, wenn es um die Verkehrssicherheit geht. Das ist ein Beirat. Wir sind auch mit Verkehrssicherheitskampagnen im Lande unterwegs - zwar nicht so, wie Sie sich das vorstellen, sondern natürlich gemeinsam mit den Verkehrswachten und dem ADAC. Das sind die Dinge, die wir gemeinsam bewirken können.

Da kommt natürlich - Herr Erben hat das zu Recht gesagt - die ehrenamtliche Tätigkeit vor Ort ins Spiel. Als ehemaliger Landrat kann ich das hier bestätigen. Es kommt im kommunalen Bereich auch viel auf die Verantwortungsträger vor Ort an, aber auch auf diejenigen, die sich um die Verkehrssicherheit vor Ort kümmern. Deshalb ist es unser aller Aufgabe, alle zu überzeugen - im kommunalen Bereich auch die Verkehrswachten, wenn es um die Verkehrssicherheit geht - und zu unterstützen.

Das Land prüft derzeit, ob die Aufgabe Verkehrssicherheitsarbeit und insbesondere die Jugendverkehrsschulen den Kommunen und Landkreisen als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis übertragen werden könnten. Ferner wird geprüft, inwieweit eine Unterstützung von Verkehrssicherheitsarbeit im Rahmen des Kommunalverfassungsrechts bzw. im Vollzug des kommunalen Haushaltsrechts unterhalb einer landesgesetzlichen Regelung ausgestaltet werden könnte.

Diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Aber wichtig ist: Wir alle gemeinsam haben die Aufgabe, für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen. Das tun wir, wenn es auch nicht immer dazu führt, dass wir das Ziel Vision Zero schon erreicht haben. Aber wir haben uns in Europa das Ziel gesetzt und wir alle sollten daran arbeiten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Webel. Ich sehe keine Anfragen. - Somit steigen wir in die Debatte der

Fraktionen mit drei Minuten Redezeit je Fraktion ein. Der erste Debattenredner wird für die SPDFraktion Herr Dr. Grube sein. Sie haben das Wort, Herr Dr. Grube.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! In Deutschland starben im Jahr 2017 insgesamt 3 177 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr. Das waren 29 Getötete weniger als im Jahr davor. In SachsenAnhalt waren es im Jahr 2017 132 Menschen, die bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen waren.

Gemessen an der Einwohnerzahl sind das 59 Getötete je eine Million Einwohner. - Wir müssen irgendwann mal unsere Zahlen vergleichen, um herauszufinden, wer sich da inwieweit verrechnet hat. Aber von der Dimension her passt das, glaube ich. Damit teilen wir uns leider die rote Laterne gemeinsam mit Brandenburg. Es gibt also gute Gründe dafür, dass wir uns heute mit dem Thema Verkehrssicherheit befassen.

Für diejenigen auf der Tribüne, die vielleicht mit dem parlamentarischen Betrieb nicht ganz so vertraut sind, möchte ich sagen: Dass wir dieses Thema heute um 21 Uhr behandeln, liegt nicht daran, dass das Thema nicht wertgeschätzt wird, sondern dass wir uns leider nicht darauf verständigen konnten, an drei Tagen zu tagen.

Der deutsche Verkehrssicherheitsrat hat im Jahr 2007 beschlossen, das Ziel Vision Zero zur Grundlage seiner Verkehrssicherheitsarbeit zu machen. Die Europäische Kommission hat als Ziel für die Umsetzung von Vision Zero das Jahr 2050 angesetzt. Dies beinhaltet, dass nahezu niemand mehr durch Unfälle auf europäischen Straßen sterben muss. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Wir wissen aus der Lebenswirklichkeit, dass wir das immer nur näherungsweise erreichen werden, weil im Straßenverkehr Menschen unterwegs sind und Menschen Fehler machen. Aber unabhängig davon ist das Ziel natürlich ein erstrebenswertes.

Mit Blick auf die Zeit muss ich jetzt einen großen Teil meiner Rede weglassen. Ich will aber noch etwas zum Thema Beirat für Verkehrssicherheit sagen. Das ist gewissermaßen das oberste Organ, das wir in Sachsen-Anhalt haben. Wenn man sich mit den Verantwortlichen unterhält, dann wird der Wunsch an uns herangetragen, dass dieses oberste Organ etwas regelmäßiger tagt. Diesem Wunsch würden wir uns an dieser Stelle anschließen.

Letzte Bemerkung: Ja, wir brauchen eine Planungssicherheit für die Jugendverkehrsschulen vor Ort. Das wird ein Thema für die Haushaltsverhandlungen sein. Was die Wachten betrifft, fürchte ich, dass es nicht so einfach sein wird, zu sagen: Wir schreiben das Thema als Pflichtaufga

be ins KVG. Das kann man machen, aber es bringt erst mal nicht einen Euro mehr.

Ich glaube, wir müssen uns an der Stelle dann sowohl mit den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern als auch mit den Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitikern darüber austauschen, wie wir das gesetzlich verankern und finanziell unterfüttern, damit wir am Ende das, was wir in die Konzepte reinschreiben, auch flächendeckend umsetzen können.

Ich habe meine Redezeit schon um zehn Sekunden überschritten. Ich gehe davon aus, dass wir uns mit diesem Thema im Rahmen der Haushaltsberatungen noch etwas intensiver befassen werden. Für heute Abend vielen Dank.

Ihrem Antrag werden wir leider trotzdem nicht zustimmen, sondern unserem.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. Es gibt auch hierzu keine Frage. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Mittelstädt. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Bitte.

Ich danke. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Verkehrssicherheitsarbeit im Land flächendeckend stärken“ ist eine Äußerung, zu der jeder Bürger stehen muss.