Protokoll der Sitzung vom 09.03.2018

Aber, meine Damen und Herren, auch wenn man es mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung hält und sagt, Cannabis sei illegal, weil es verboten ist - das ist im Übrigen ein Satz, der ihre Kompetenz wunderbar zusammenfasst -, und dies erst einmal so hinnimmt und nicht weiter hinterfragt, wäre es auch eine Form von Rationalität, zu sagen: Weil die Verbotspraxis so erfolgreich ist und so gut funktioniert und wir den Drogenmarkt damit massiv eindämmen können, weil wir an Dealer, Schmuggler und Händler herankommen, halten wir daran fest.

Schauen wir uns das an. Dazu lohnt ein Blick in die einschlägigen polizeilichen Statistiken. Der Anteil der Betäubungsmitteldelikte - kurz: BtMDelikte - an der Gesamtkriminalität betrug im Jahr 2016 bundesweit 4,8 %. In totalen Zahlen sprechen wir von rund 302 000 Fällen. Der weitaus größte Teil davon fällt unter die Rubrik Allgemeine Verstöße, das heißt: nicht Einfuhr, nicht Handel und nicht Anbau, sondern Konsum. Der größte Teil aller dieser BtM-Delikte sind Cannabisdelikte: 180 000. 80 % davon sind Fälle, in denen Menschen zu Straftätern werden, weil sie Cannabis konsumieren. Der Alternative Sucht- und Drogenbericht stellt dazu zutreffend fest:

„Obwohl mit dem BtMG in erster Linie Handelnde und Schmuggelnde verfolgt werden sollten, lag der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte […] nie unterhalb von 60 %. […] Im Jahr 2016 erreichte dieser Anteil einen neuen historischen Höchstwert von 76,6 %. […] Die Repression gegen Drogenkonsumierende hat im letzten Jahr ein Rekordniveau erreicht.“

Der Bericht zur Drogensituation in Deutschland gibt an, dass im letzten Jahr 2,8 Millionen Men

schen, aber mindestens 13 Millionen der Bundesbevölkerung schon einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert haben - und das, meine Damen und Herren, sind die allerniedrigsten Schätzungen. Allein diese wenigen statistischen Schlaglichter zeigen: Polizei und Justiz werden durch die Illegalität von Cannabis zwar massiv belastet, die Repression führt aber weder dazu, dass die Leute nicht kiffen, noch dazu, dass man sich maßgeblich um Dealer und Handel kümmern würde. Auch hier also: Rationalität - Fehlanzeige! Denn im Wesentlichen sind es die einzelnen Konsumenten, die unter der Repression zu leiden haben. Das war nicht das eigentliche Ziel des Gesetzes.

Zugleich ist die Zahl der Verurteilungen weit geringer. Ressourcen von Polizei und Justiz werden also erst einmal in erheblichem Maße gebunden. Alle wissen aber, dass es nur in einem Bruchteil der Fälle überhaupt zu Verfahren kommt. Die allermeisten werden nämlich wegen Geringfügigkeit eingestellt. Das heißt, es ist allen Beteiligten von Anfang an klar, dass ihre Arbeit zu großen Teilen ins Leere läuft. Dennoch müssen sie sie tun. Ist das rational? - Ich sage: nein.

Was aber weitaus schlimmer ist und noch verheerendere Folgen hat: Die Politik der Repression geht einher mit einer Politik der ungenügenden Aufklärung, der zu wenigen Hilfsangebote für Suchterkrankte, des eben nicht gewährleisteten Jugendschutzes und der Stigmatisierung von Betroffenen. Denn faktisch werden all die Dinge, die gegen eine Legalisierung von Cannabis ins Feld geführt werden, und alle Probleme, die Cannabiskonsum zweifellos auch mit sich bringen kann, maßgeblich erst durch die Kriminalisierung herbeigeführt oder aber verstärkt.

Schauen wir uns einmal die Argumente an, die dazu genannt werden: „Cannabis als Einstiegsdroge“ ist mittlerweile etwas seltener geworden. In den Debatten wird aber immer noch, abgewandelt als „Cannabis führt die Leute an die Dealer und die kriminellen Milieus heran“ vertreten. Und ja, meine Damen und Herren, es ist ein Problem, dass Menschen, die Cannabis konsumieren wollen, Gefahr laufen, an kriminelle Gestalten wie AfD-Kumpel Lutz Bachmann zu geraten, wenn sie es sich beschaffen wollen, weil es illegal ist.

Ja, es ist ein Problem, weil auf dem illegalen Markt ausschließlich die Rechnung zählt und der Dealer, der „Gras“ hat, meist auch noch etwas anderes hat, das er anbietet, weil er ein Geschäft damit machen will. Eine Legalisierung in Verbindung mit einer staatlich kontrollierten Abgabe würde Menschen, die Cannabis konsumieren wollen, eben nicht zwingen, Dealer aufzusuchen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ein anderes häufig gehörtes Argument ist: Cannabis ist heute ja nicht mehr das Gleiche wie in den 70ern; der THC-Gehalt ist sehr viel höher. - Das stimmt: Der Wirkstoffgehalt ist in der Regel höher; aber, meine Damen und Herren, der Wirkstoffgehalt und auch die Verunreinigungen, die auf dem illegalen Markt vorkommen und gängig sind, um die Gewinnmarge zu erhöhen - genau das ließe sich mit einer Legalisierung und einer kontrollierten Abgabe doch viel, viel besser feststellen bzw. verhindern.

Bei Jugendlichen kann Cannabiskonsum zu Entwicklungsstörungen führen - ein weiteres Argument. - Keine Frage, das ist so. Dass Jugendliche kiffen, verhindert man aber nicht, indem man es verbietet. Ein regulierter Markt würde auch hier zumindest helfen; denn Jugendschutz muss effektiv gewährleistet werden, und selbstverständlich muss ein Staat darüber entscheiden, wenn er eine Substanz zulässt, wer Zugang dazu hat und wer nicht. Dass Jugendliche nicht in den Bezug von Cannabis kommen, lässt sich mit Coffeeshops, Hanffachgeschäften - oder wie auch immer man es nennen will - sehr viel besser steuern und beeinflussen als mit einer Illegalisierung.

Cannabiskonsum kann psychische Probleme begünstigen oder verstärken. - Auch das stimmt. Dies trifft auch für viele andere Substanzen zu, die legal sind. Auch dem ließe sich ebenfalls weit besser begegnen, wenn Menschen, die psychische Probleme im Zusammenhang mit Cannabiskonsum haben, eben nicht erst zugeben müssen, dass sie eine Straftat begangen haben, bevor sie sich Hilfe suchen können. Auch die Hilfe selbst ließe sich weit besser gestalten, bedarfsgerecht anpassen und im Übrigen auch finanzieren, wenn Cannabiskonsum endlich legal wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mittlerweile ist er das ja: In vielen Ländern der Welt, sogar in den USA, dem Ursprungsland der Cannabisprohibition, haben mehrere Staaten eine Teil- oder Komplettlegalisierung umgesetzt und erfreuen sich dadurch übrigens auch erheblicher Steuereinnahmen. Es wäre an der Zeit, dass dies auch in Deutschland der Fall ist. Genau dafür werben wir mit unserem Antrag und unterbreiten einen Vorschlag, für den sich die Landesregierung einsetzen soll.

Bis dies auf Bundesebene der Fall ist, wollen wir, dass die Strafverfolgungsfreigrenze, also die Menge, wegen der ein mögliches Verfahren zwingend einzustellen ist, nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins auf 30 g erhöht wird und dass in Modellprojekten Cannabisklubs nach spanischem Vorbild in Sachsen-Anhalt zugelassen werden. Dies, meine Damen und Herren, wäre einmal ein Stück Innovation, die dem Land gut zu Gesicht

stünde und auch im Alltag von Menschen ankommen würde.

Cannabis ist die meistbenutzte illegale Droge mit den geringsten gesundheitlichen Auswirkungen. Ihr Verbot ist willkürlich. Es ist weder intelligent noch zielführend. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Quade. Es gibt keine Nachfragen. - Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Grimm-Benne das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit ihrem Antrag setzt sich die Fraktion DIE LINKE wiederholt für die Legalisierung und vollständige Entkriminalisierung von Cannabis ein. Sie verspricht sich davon, die Kriminalisierung der Konsumierenden zu beenden und die Verbreitung von Cannabis kontrollieren zu können. Wie immer werden die Diskussionen um eine Legalisierung von Cannabis bzw. eine kontrollierte Abgabe zu nichtgesundheitlichen Zwecken nach wie vor sehr kontrovers geführt.

Wie Ihnen sicher bekannt ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die Drogenkonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet. Dies geht mit der Verpflichtung einher, Drogen inklusive Cannabis ausschließlich zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken zuzulassen. Nicht zuletzt deshalb sind auch alle Anträge auf Modellprojekte in anderen Bundesländern abgelehnt worden, da sie nicht mit unserem Betäubungsmittelrecht vereinbar sind. Auch würde die im Antrag geforderte Experimentierklausel meiner Ansicht nach gegen unsere völkerrechtliche Verpflichtung gemäß der Drogenkonvention verstoßen.

Wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung vom 21. Februar 2018 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervorgeht, lehnt die Bundesregierung insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung eine Legalisierung der Verwendung von Cannabis zu Genusszwecken ab.

Mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung unter anderem auch dazu aufgefordert werden, die Strafverfolgungsfreigrenze von Cannabisbesitz in Sachsen-Anhalt auf 30 g anzuheben. Klarstellen möchte ich zunächst, dass nach § 31a des Betäubungsmittelgesetzes die Staatsanwaltschaft im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen davon absehen kann, den Besitz von Cannabis in geringen Mengen als strafrechtlich

relevantes Vergehen zu verfolgen. Dazu sind auf Landesebene entsprechende Hinweise in Form einer Richtlinie ergangen, wonach in SachsenAnhalt Mengen von unter 6 g als geringe Mengen angesehen werden. Da es sich aber immer um eine Einzelfallentscheidung handelt, kann hier nicht von einer Strafverfolgungsfreigrenze gesprochen werden.

Die Erhöhung der Grenze von 6 g auf 30 g stößt in der Landesregierung auf erhebliche Bedenken. Es ist davon auszugehen, dass trotz Legalisierung der illegale Drogenmarkt weiter existieren würde, da hier Drogen mit höherem Wirkstoffgehalt aufgrund der fehlenden Besteuerung preiswerter angeboten werden können als auf einem legalen Markt. Der Ländervergleich zeigt im Übrigen, dass sich Sachsen-Anhalt mit seiner Regelung im Einklang mit den meisten anderen Bundesländern befindet.

Hinsichtlich der Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr hält der Gesetzgeber weiterhin die Normierung eines absoluten Drogenverbotes im Straßenverkehrsgesetz für erforderlich. Die Forderung nach der Einrichtung von Cannabisklubs als Modellprojekte nach spanischem Vorbild wird im Übrigen von der Landesregierung abgelehnt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Verwendung von Cannabis in der Medizin wurde durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, das genau vor einem Jahr, am 9. März 2017, in Kraft trat, wesentlich erleichtert und ausgeweitet. Eine Legalisierung zu Genusszwecken wird aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung jedoch sowohl von der Bundes- als auch von der Landesregierung kritisch gesehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Insbesondere besteht bei Jugendlichen und Heranwachsenden ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen, beispielsweise Depressionen, Angsterkrankungen und Psychosen, wie auch neuere Studien bestätigen.

Mit ihrem Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE, auch in Aufklärung und Prävention zu investieren sowie den Gesundheits- und Jugendschutz in der Bevölkerung diesbezüglich zu verbessern. Bereits jetzt gibt es evaluierte Suchtpräventionsprojekte, die auch in Sachsen-Anhalt zum Tragen kommen.

Genannt sei hier zum einen die Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. Hier ist das Ziel, junge Menschen möglichst frühzeitig zu erreichen, bevor eine manifeste Suchterkrankung besteht. Dies ist ein Ansatz der Kurz- und Frühintervention. Durch freiwillige oder angewiesene Teilnahme an einem dieser speziellen Gruppenprogramme reflektieren die Jugendlichen und jungen Menschen ihren Substanzkonsum unter fach

licher Anleitung, um diesen gegebenenfalls einzuschränken oder ganz einzustellen. Damit erhalten sie die Möglichkeit, Folgen wie Manifestation von Abhängigkeit oder Abgleiten in Kriminalität zu verhindern.

Zum anderen gibt es das Programm „Cannabis - Quo Vadis?“. Dabei handelt es sich um einen zweistündigen interaktiven Präventionsparcours für Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 und Jugendgruppen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, der fachlich fundierte und realistische Informationen zum Thema Cannabis vermittelt. Neun Fachstellen für Suchtprävention führen derartige Parcours durch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie sehen, die Frage des Umgangs mit Cannabis hat viele Facetten, und sie hat uns im gesamten Landtag immer wieder begleitet. Sie muss daher sehr gründlich analysiert, diskutiert und abgewogen werden.

Deshalb halte ich eine Überweisung in den zuständigen Ausschuss für richtig. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe eine Wortmeldung von Frau Quade. - Bitte sehr.

Frau Ministerin, Sie sagten, die Landesregierung lehnt das Modell der spanischen Cannabisklubs ab. Warum, aus welchen Gründen? Was genau stört Sie an dem Modell, insbesondere in Bezug auf den Jugendschutz?

Die sogenannten Cannabisklubs können für ihre Mitglieder kollektiv Cannabis anbauen; das geht in unserem Land nicht. Die Ernte darf ausschließlich an Klubmitglieder abgegeben werden, deren Konsumbedarf bei Klubeintritt ermittelt wird. Dabei muss sichergestellt werden, dass kein Cannabis an Dritte weitergegeben wird. All das können wir in unserem Land schon aufgrund unserer Gesetzlichkeiten nicht gewährleisten.

Darüber hinaus dürfen die Klubs auch nicht gewinnorientiert wirtschaften. Zudem sind keine Begrenzungen der Mengen und des Wirkstoffgehalts vorgesehen, was eine staatliche Kontrolle in diesen Klubs völlig unmöglich macht.

Eine kurze Nachfrage noch.

Über die Frage der rechtlichen Möglichkeiten sollten wir uns tatsächlich im Ausschuss unterhalten. Unseres Erachtens geht das sehr wohl, indem man zum Beispiel eine Ausnahmegenehmigung nach BtMG oder eine Modellprojektgenehmigung beantragt; das ist durchaus möglich. Aber darüber können wir beraten.

Für mich war jetzt eher die Frage der inhaltlichen Ablehnung eine entscheidende. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört, Frau Grimm-Benne.

Das habe ich in meinen Ausführungen auch nicht dargestellt. Aber ich habe am Anfang gesagt, dass wir die Drogenkonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet haben. Daher sind Modellprojekte jeglicher Art nicht vereinbar mit dem Betäubungsmittelrecht.

Das hat Spanien beispielsweise auch. Also ist das möglich.

Frau Quade, stopp!

Ja. Wir haben die Möglichkeit, das ausführlich im Ausschuss zu diskutieren. Dazu haben wir eben unterschiedliche Auffassungen.

Danke, Frau Ministerin. Gibt es weitere Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann steigen wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Zuerst spricht für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Krull. Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema - -

Herr Krull, Entschuldigung. Das war mein Fehler. - Bevor Herr Krull redet, begrüßen wir ganz herzlich, sozusagen parallel zu seiner Rede, Schülerinnen und Schüler aus der Seelandschule in Nachterstedt.