Protokoll der Sitzung vom 20.04.2018

(Robert Farle, AfD: Aus der Zeitung!)

Ich habe gesagt, die Hälfte der arbeitsfähigen Hartz-IV-Bezieher sind Ausländer.

(Lachen bei der LINKEN)

- Ja, das können Sie in der „FAZ“ nachlesen, die haben das jetzt erst geschrieben. Ich wüsste nicht, warum wir beide dieser Systempresse jetzt nicht vertrauen sollten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der LINKEN: Können Sie die Zahl mal nen- nen?)

- Ich habe sie doch genannt. Zwei Millionen Menschen sind es.

(Zurufe von der LINKEN - Tobias Rausch, AfD: In der „FAZ“ hat es gestanden! - Wei- tere Zurufe von der AfD)

Ich würde jetzt nicht auf bilaterale Unterhaltungen setzen. Die Frage ist so weit beantwortet. Ich sehe dazu keine weitere Nachfrage.

Ich möchte noch etwas zur Redezeit sagen: Es gibt dazu Verständigungen im Ältestenrat, vorher gibt es dazu Verständigungen im Kreise der parlamentarischen Geschäftsführer. Mir war zumindest im Ältestenrat kein Dissens dazu angekündigt worden. Deswegen bitte ich darum, wenn es hierzu jetzt Beschwerden von dem Fraktionsvorsitzenden gibt, das zu klären. Darüber hinaus ist es tatsächlich auch so, dass Sie Ihre Redezeit nicht ausgeschöpft haben.

(Lachen bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Tobias Krull, CDU, lacht)

Aber die Dinge sind jetzt durch. Ich bitte wirklich noch einmal ausdrücklich darum: Wenn es sozusagen substanzielle Wünsche gibt, über wichtige Themen länger zu debattieren, signalisieren Sie dies bitte klar im Bereich der Vorbereitung des Ältestenrates, damit die Dinge dann umgesetzt werden können. Hier und jetzt können wir darauf nicht mehr reagieren.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abg. Frau Lüddemann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich persönlich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Hartz IV offener Strafvollzug ist, wie es Prof. Götz Werner tut, der sicherlich vielen von Ihnen als Besitzer der Drogeriemarktkette „dm“ und auch als prominenter Fürsprecher eines Grundeinkommens bekannt ist.

Für mich ist aber unstrittig, dass Hartz IV diskriminierende und gängelnde Aspekte enthält und dass die Grundsicherung insgesamt einer Reform bedarf. Leider habe ich zu einer umfassenderen Reform des SGB II im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene nichts gefunden.

Um überhaupt in die Debatte zu kommen, um das Thema in den Fokus zu rücken, bedarf es schon eines polemischen Satzes des erwähnten CDUMinisters: Hartz IV ist keine Armut. Ich persönlich fand und finde diesen Satz sehr anmaßend, das möchte ich hier einmal ganz deutlich sagen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das war ein Bärendienst für die Politik insgesamt; denn dieser Satz ist Wasser auf die Mühlen derer, die Politikerinnen und Politiker insgesamt für abgehoben halten. Herr Spahn ist damit zum Sinnbild einer abgekoppelten Politik geworden, jenseits der Lebensrealitäten der Menschen in unserem Land.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Da- niel Roi, AfD)

Das einzig Positive an dieser Debatte ist, dass das etwas auf der diskursiven Ebene bewegt hat, auch wenn dabei Begriffe gekapert und in völliger Verkennung ihrer Bedeutung umgemünzt werden. Denn das sogenannte solidarische Grundeinkommen von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller hat mit der eigentlichen Idee eines Grundeinkommens in etwa so viel zu tun wie Fast Food mit gesunder Ernährung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Dagmar Zoschke, DIE LINKE: Genau!)

Das ist ein Aufguss der alten Idee der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der Ein-Euro-Jobs und des sozialen Arbeitsmarktes. Aber ein Grundeinkommen, wie es das Basic-Income-Earth

Network, das deutsche Netzwerk „Grundeinkommen“ und zum Beispiel die Arbeitsgruppen verschiedener Parteien in unserem Land konzipieren, geht bei allen Unterschieden immer von einer grundsätzlichen Prämisse aus: Entkopplung von Erwerbsarbeit und Grundeinkommensbezug.

Nicht Erwerbsarbeit führt dann zur Existenzsicherung, sondern aus der gesicherten Existenz heraus ist der Mensch frei, sich in die Gesellschaft

einzubringen, also etwa eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, sich um seine Kinder und Angehörigen zu kümmern, Pflegeleistungen zu erbringen, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren, sich aktiv in die Politik einzumischen, seinen Gemüsegarten zu bewirtschaften oder andere, hoffentlich gute Dinge zu tun.

Ja, das Grundeinkommen birgt ein Freiheitsversprechen, es zeichnet den Weg vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit. Diesen zugegebenermaßen im Moment noch utopischen Glanz für eine überkommene Idee zu nutzen, das ist aus meiner Sicht eher dreist.

Aber gut, zurück zum Antrag. Verehrte LINKE, Ihrem Antrag können wir trotzdem nicht zustimmen; denn Ihr Antrag sagt ja etwas anderes. Er sagt nicht das, was wir insgesamt brauchen - im Gegenteil. Punkt 1 Ihres Antrages ist, ehrlich gesagt, ein ganzes Stück weit platt. Sicherlich gibt es viel Kritikwürdiges im Bereich des SGB II, aber die Wahrheit ist eben nicht so eindimensional.

Im Moment ist es eher so, dass die Sozialgerichte auf der Grundlage des SGB II sogar vermehrt Ansprüche auf Bildungsmaterial anerkennen, zum Beispiel in Bezug auf internetfähige Computer, Laptops, Schulbücher. Es ändert sich also auch innerhalb des Systems schon etwas.

Zum Punkt 2 Ihres Antrages. Wir wollen uns an dieser Stelle sozusagen ehrlich machen. Wir als GRÜNEN-Fraktion hätten Ihren Antrag gern überwiesen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass es dann zu einer schlüssigen Beschlussempfehlung kommen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Positionen insgesamt gerade sehr im Fluss sind. Deswegen hilft es jetzt auch nicht, wenn Sie in jedem Plenum einen ähnlichen Antrag stellen. Es ist schon absehbar, dass das sozusagen die Linie Ihrer Fraktion ist.

Ich glaube, wir müssen auf der Bundesebene auf deutlich andere Mehrheiten setzen; denn wir brauchen - das ist aus der Sicht unserer Fraktion unstrittig - erhöhte Regelsätze. Die Sanktionen müssen abgeschafft werden und die Grundsicherung muss insgesamt einfacher und barrierefrei werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Ich sehe keine Fragen. Deswegen können wir zum nächsten Debattenbeitrag überleiten. Dieser kommt von Herrn Steppuhn von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politik und insbesondere auch die

SPD diskutiert darüber, wie eine moderne Sozialgesetzgebung gestaltet werden soll. Ich halte das für gut und richtig. Hartz IV ist mittlerweile 15 Jahre alt. Es hat sich viel getan. Wir haben den Mindestlohn eingeführt und viele Dinge mehr. Von daher kann man schon gar nicht mehr von der damaligen Hartz-IV-Gesetzgebung reden. Vieles hat sich also schon verändert. Deshalb bin ich dafür, dass wir eine Zukunftsdebatte führen und weniger in die Vergangenheit schauen.

Wichtig ist, glaube ich, das Ziel, langzeitarbeitslosen Menschen mit Ausbildung und Arbeit Perspektiven zu bieten und Teilhabe zu ermöglichen. Darauf sollte es uns bei der Diskussion ankommen. Ich meine, eine Debatte über das Für und Wider von Hartz IV bringt uns dabei nicht viel weiter. Das, was wir brauchen, ist eine Neuausrichtung der Politik für langzeitarbeitslose Menschen. Damit hat auch die Koalitionsvereinbarung in Berlin neue Grundlagen geschaffen.

Dass wir jetzt eine Diskussion über ein solidarisches Grundeinkommen haben, macht deutlich, dass wir die Weichen neu stellen müssen. Allerdings sage ich auch, dass ein Grundeinkommen nicht bedingungslos sein darf. Es sollte immer das Ziel haben, Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuführen, ihnen Perspektiven zu bieten und sie damit auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.

Wir nehmen dabei auch das Recht auf Arbeit in unserem Land sehr ernst. Wir wollen Menschen mitnehmen und sie nicht auf das Abstellgleis schieben. Darauf zielen die bisherigen Arbeitsmarktprogramme vom Land und vom Bund bereits ab.

Für diejenigen, die es besonders schwer haben, wollen wir zu einem Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes kommen. Hierfür haben die Koalitionäre auf der Bundesebene Mittel in Höhe von mehr als 4 Milliarden € bereitgestellt oder stellen diese dann noch im Haushaltsplan bereit. Aber das steht in der Koalitionsvereinbarung. Damit wird es möglich, den sozialen Arbeitsmarkt zu verstetigen und langzeitarbeitslosen Menschen Arbeit zum Nutzen des Gemeinwohls anzubieten, ihnen gleichzeitig aber auch das Tor zum ersten Arbeitsmarkt zu öffnen.

Wir benötigen aber auch mehr gute und faire Arbeit. Arbeit muss sich insgesamt gesehen wieder mehr lohnen. Deshalb brauchen wir bessere Einkommen. Der Anreiz, zum Beispiel mit einem solidarischen Grundeinkommen, welches durch Arbeit erzielt wird, mehr zu verdienen, als wenn man zu Hause auf der Couch sitzt, muss deutlich größer sein. Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich ja zu einem solidarischen Grundeinkommen und zu der Debatte darüber, aber nein zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD, von Siegfried Borgwardt, CDU, und von Ministerin Petra Grimm-Benne)

Ich sehe keine Wortmeldungen. - Abschließend hat Frau Hohmann noch einmal für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte sehr, Frau Hohmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schade, dass der Antrag abgelehnt wird, zumal in der Diskussion eben deutlich wurde, dass vonseiten der SPD, der GRÜNEN und der CDU verschiedene Vorschläge kommuniziert werden, dass es solche schon gibt. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass wir im Ausschuss weiter darüber diskutieren können. Es ist schade, dass das nun nicht so kommen wird.

Dass ich von der AfD nichts anderes erwartet habe, ist auch klar. Ich habe extra den Fraktionsvorsitzenden als Sozialexperten gefragt, welche Möglichkeiten er denn sieht, wie man das machen kann. Aber außer dem Verweis auf Flüchtlinge ist nichts gekommen. Ich möchte betonen, dass wir auch, bevor die Flüchtlinge zu uns gekommen sind, das Problem im Hartz-IV-Bereich hatten.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Insofern ist das eigentlich eine schwache Aussage. Von einem Fraktionsvorsitzenden, der sich als Kernkompetenz das Soziale auf die Fahne geschrieben hat, ist das ein bisschen schwach.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Es ist schade, dass wir darüber nicht im Ausschuss diskutieren können. Dennoch denke ich, die heutige Debatte hat noch einmal gezeigt, dass wir alle an diesem Thema weiterarbeiten sollten. Ich kann Ihnen nur sagen: Diejenigen, die im Petitionsausschuss sind, bemerken auch, dass wir gerade in diesem Bereich sehr viele Petitionen zu bearbeiten haben. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Nachfragen. Ich habe auch keinen Überweisungsantrag gehört. Deswegen können wir jetzt sofort in die Abstimmung über den Antrag einsteigen. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/2691 zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der AfD. - Gibt es Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunktes angekommen. Gleichzeitig können wir damit in die Mittagspause einsteigen, zwar etwas verspätet,

aber wir treffen uns trotzdem um 14:30 Uhr wieder.

Unterbrechung: 13:29 Uhr.